Prominente und Unbekannte in unserer Nachbarschaft. Ein Hausbesuch bei Hamburgs General- Staatsanwältin.

Was eigentlich macht eine Frau besonders stark - fragt Mann sich manchmal. So ganz ohne Feldmarschall-Attitüde, Drohgebärden, Muckis oder Reibeisen-Ellenbogen. Von tief liegenden Dienstlimousinen, Bodyguards und elbnahen Hanseatenvillen ganz zu schweigen.

Bisweilen sinds die Augen, die viel sagen. Und in Harmonie mit einer rauchigen Stimme auf den ersten Blick Charakterstärke signalisieren. "Moin, herzlich willkommen", schallt es durch den Flur in dem unscheinbaren Apartmenthaus im Herzen Harvestehudes - ein paar Meter abseits des Rechtshauses in der Schlüterstraße. Durch einen winzigen Vorraum gehts ins Wohnzimmer, Typus Studentenbutze. Sorry, Frau Generalstaatsanwältin, aber richtig gemütlich ist es in dieser Eineinhalb-Zimmer-Kemenate nicht!

Muss es auch nicht, steht doch der Zweck im Mittelpunkt: Das Apartment fungiert als Ruheort und Schlafstätte. Heimisch ist die 47 Jahre alte Hanseatin mit dem ausgesprochen norddeutschen Idiom in ihrer Doppelhaushälfte im Bremer Steintorviertel.

Angela Uhlig-van Buren, seit März des vergangenen Jahres Hamburgs oberste Anklägerin, bittet an den kleinen Mosaiktisch, der zentral vor der Panoramascheibe steht. Der kleine Balkon dahinter ist made in den Sechzigerjahren, die ordentlich gerechten Gärten bescheren ein Stück Ruhe in Uni-Nähe. Innen wirkt der schnörkellose Holzschrank wie ein Museumsstück; die Kochnische erinnert an die legendäre Wienerwald-Werbung: Heute bleibt die Küche kalt . . .

Folglich ist die Entscheidung nur konsequent: Es geht hinaus zum "Himalaja", dem asiatischen Restaurant in der Nachbarschaft. Auf ein, zwei Cappuccino und die eine oder andere Gauloise Caporal. Und jede Menge Gesprächsstoff. Regt eine Frau wie Angela Uhlig-van Buren doch Fantasie wie Neugierde an: wegen ihres Werdegangs, wegen ihres Postens, vor allem jedoch wegen ihrer Ausstrahlung. Affektiertes Gehabe hat diese Frau nicht nötig - trotz, wahrscheinlich jedoch wegen ihres Amtes, dessen Arbeit als Resultat viel Reibung bringt.

Das fing schon gut an, als die Bremer Senatsrätin Angela Uhlig-van Buren im Herbst 1998 als Nachfolgerin für den in den Ruhestand weichenden SPD-Genossen Arno Weinert vom Hamburger Senat berufen wurde. Nicht nur die Tageszeitung "Die Welt" wähnte dahinter filzige Parteibuchwirtschaft und meinte, einen "ausgesprochen faden Beigeschmack" zu verspüren. Eine rasche Recherche in der Nachbarstadt hätte Verblüffendes zu Ohr befördert: Mit einem unorthodoxen Verwaltungsstil und einer starken Portion Persönlichkeit hatte sich die Sozialdemokratin dort einen kompetenten Namen gemacht - auch bei den konservativen Kollegen übrigens.

Die der Powerfrau Wagemut attestieren. Getreu der Bremer Devise: Buten un binnen, wagen un winnen. Wobei sozialdemokratische Wurzeln heute Basis einer schonungslosen Gesellschaftsanalyse und nicht in klassenkämpferischen Polit-Parolen zur Sprache kommen. Im Gymnasium Waller Ring zu Bremen mit dem Latinum und humanistischen Prinzipien im Clinch, ging Angela Seit an Seit mit der 68er-Generation auf die Straße: gegen die Erhöhung der Straßenbahntarife. "Zwischendurch wurden schon mal die Klassenbücher verbrannt", erinnert sie sich mit keckem Lachen.

"Politisches Denken habe ich mit der Muttermilch aufgesogen", sagt sie, wieder ganz ernst. Die Eltern waren Sozis - von 1946 an, bodenständig und in geistiger Harmonie mit Wilhelm Kaisen und Hans Koschnick. Dem Studienstart 1971 mit der einstufigen Juristenausbildung folgten Engagements im SPD-Juristen-Arbeitskreis sowie in der ÖTV-Gruppe für Richter und Staatsanwälte. Nachdem die Bewerbung als Arbeitsrichterin scheiterte, folgten die Anstellung in der bremischen Justizverwaltung und 1990 der Wechsel in die Sparte Haushalt und Finanzen. "Das war der beste Job meines Lebens", berichtet sie. "Das ist eine hochpolitische Aufgabe mit Einfluss, man kann Schwerpunkte setzen und echt was tun." Von wegen Bremer Sturheit - diese Frau hat Temperament. Und outet sich als Juristin mit politischem Hintergrund.

Gerade in der aktuellen Diskussion um Parteispenden und schwarze Kassen sei das Staatswesen, die Res publica, in Gefahr, ernsten Schaden zu nehmen. "Die Öffentlichkeit reagiert hochsensibel", meint die Generalstaatsanwältin. "Und das ist auch gut so! Haben die Bürger kein ungetrübtes Vertrauen in den Staat, können wir den Laden gleich dichtmachen." Giftpfeile wider den Rechtsstaat seien Vorteilsgewährung und Korruption. Angela Uhlig-van Buren spricht Tacheles. Das Lächeln ist verschwunden.

Logisch, so bekennt Hamburgs Generalstaatsanwältin klipp und klar, kenne sie Bestechungsvorfälle aus persönlichem Aktenstudium. "Das sind ungemein hochbrisante Delikte", schneidet sie mit ihrer Stimme, "im Mittelpunkt stehen Schmiergelder bei Bau- oder Aufenthaltsgenehmigungen." Kein Wunder, dass die Spitzenbeamtin den Kampf gegen Korruption zum roten Faden ihres Schaffens deklariert. Auch auf ihre Initiative hin wurde eine spezielle Arbeitsgruppe gegen die Abschöpfung von Vermögen aus Verbrechen eingerichtet. Solche Gewinne dürften Gangstern kein Dolce Vita garantieren.

Jetzt kommt die Juristin in Fahrt. Schnürt ihre politische Grundhaltung, ihr Verwaltungs-Know-how plus ihre juristischen Denkpfeiler zu einem Paket. Begleitet von einer Brise Enthusiasmus, der sogar Behörden wachrütteln kann. Mit Willenskraft, Elan und Sachverstand hat Angela Uhlig-van Buren dem hanseatisch integren, indes partiell auch selbstverliebt-schläfrigen Apparat dort frisches Leben und anpackende Arbeitslust eingehaucht.

Längst ad acta gelegt ist anfängliches Entsetzen, eine Bremerin würde als "Generalin" in Hamburg das Zepter der Justiz in die Hand nehmen. "Hüte dich vor Sturm und Wind - und allen die aus Bremen sind", hat nicht nur einer gemunkelt. Und vielleicht Erzbischof Ansgar im Sinn gehabt, der Hamburg nach einem Wikingerüberfall anno 845 verließ und seinen Amtssitz in die konkurrierende Hansestadt an der Weser verlegte.

Angela Uhlig-van Buren schmunzelt ob dieser Anekdote, verweist jedoch vehement auf Prioritäten auf ballistischem Sektor. "Beim Nordderby gegen den HSV sitze ich im Stadion und feuere den SV Werder an." Das sei die geschiedene Mutter von Tochter Jennifer (18) und Sohn Julien (23) nicht nur ihren männlichen Skatkumpeln schuldig, mit denen sie bisweilen bei Bock und Ramsch am Holztisch sitzt. Schließlich sinds mit dem Intercity gerade mal 50 Minuten von Hauptbahnhof zu Hauptbahnhof.

In Hamburg wird dagegen lustvoll in die Pedale getreten; graue Dienstwagen sind der Generalstaatsanwältin ein Graus. 25 Kollegen gibt es bundesweit - alles Männer, außer in Zweibrücken und Hamburg eben. "Ich bin keine Emanze, aber ich bin emanzipiert", lautet ihr Credo.

Da passt es ins Bild, dass sich Frau lustvoll zu ihren Leidenschaften bekennt. Zu Geduldsspielen, zum Bügeln beim Fernsehen, besonders jedoch zur Freizeit auf eigener Parzelle auf dem Stadtwerder zu Bremen. "Da wird biologisch-dynamisch Gemüse angebaut", verrät sie. Mit einer Prise Selbstironie im Blick: "Einen Cappuccino noch, bitte."

Von Unterhaltungswert geprägt sind andere Lebensspots: spätes Einkaufen außerhalb der Ladenschlusszeiten beim Türken an der Ecke, ein Transparent gegen den so genannten "Lauschangriff" vor der eigenen Veranda, Winterferien in Ägypten, Bier und Gauloises in den raren Mußestunden. Ruhe - so wie jetzt. Keine Frage: Diese Femme totale hat Spaß am Leben, genießt die Einfluss-Chancen ihres Amtes, lebt den eigenen Stil. "I did it my way", will sie einmal sagen können. Und nicht behaupten müssen, die Möglichkeiten dieser exponierten Behördenführung vertändelt zu haben.

Nein, das will sie sich niemals vorwerfen müssen. Bei den nächsten Worten wirken Politik, Justiz und humanes Rechtsempfinden in Harmonie: "Unsere Gesellschaft muss die Fähigkeit behalten, mit schwierigen Charakteren, Abweichlern und gefährdeten Menschen klarzukommen." In dieser Beziehung sei ihr Beruf eben eine Berufung.

"Ich bin keine von Ehrgeiz zerfressene Streberin, aber gewiss auch kein liberales Weichei", sagt Angela Uhlig-van Buren mit Bedacht, "meistens hatte ich das Glück, gerufen zu werden. So kann ich nicht unter dem Druck zerplatzen und bewahre mir meine innere Freiheit."