“Konversion“ heißt das Zauberwort, mit dem die beiden Städte Stade und Buxtehude aber auch die Samtgemeinde Lühe alte Bundeswehrgelände für zivile Zwecke umwandeln. Den größten Brocken hat dabei Stade zu verarbeiten, wo auf 85 Hektar der alten Von-Goeben-Kaserne der neue Stadtteil Ottenbeck entsteht. In Buxtehude ist die ehemalige Estetal-Kaserne mit 23 Hektar schon größtenteils vermarktet die Stadt hat sich aus dem Geschäft zurück gezogen. Und nahe der Lühemündung hinter dem Elbdeich hat sich Gewerbe auf dem alten Pionier-Übungsplatz breit gemacht. Die Harburger Rundschau zeichnet in loser Folge die Wege auf, die Kommunen beschritten haben, um die Militärareale zu nutzen, und zieht eine Bilanz der bisherigen Aktivitäten. Heute: das Estetal in Buxtehude.

Von LARS STRÜNING

Buxtehude - Wenn Peter Berger in seinem Element ist, dann nimmt er den ausziehbaren Zeichenstock und wandert mit kreisenden Bewegungen über die Pläne, die die Wände in seinem Büro zieren. Berger ist seit knapp fünf Jahren Geschäftsführer der GEV, der Grundstücksentwicklungs- und -Verwertungsgesellschaft. Hinter dem Wortungetüm versteckt sich die ursprünglich städtische Einrichtung, die seit 1994 die ehemalige Kaserne in Buxtehude zum neuen Stadtteil Estetal umwandelt. Die Konversion steht kurz vor ihrem Ende. Bergers Zeichenstock tippt immer häufiger auf verkaufte und neu genutzte Gebäude und Flächen, die sich auf dem 23 Hektar großen Gelände breit machen, wo einst unter anderem das Fernmeldebataillon stationiert war.

Von der militärischen Nutzung ist kaum mehr etwas zu sehen. Ein Gedenkstein erinnert an der markanten Tordurchfahrt des Stabsgebäudes an die Truppen, die seit 1940 ihren Dienst am Estetal schoben. Das war es dann auch schon. Die alten Mannschaftsgebäude wurden architektonisch mit Treppen und Balkonen aufgepeppt und dienen als moderne Wohnungen. Wo sich technische Einrichtungen, Tankstellen, Garagen und zugepflasterte Plätze befanden, wurde Platz für ein Neubaugebiet mit Einfamilienhäusern gemacht.

Im langgezogenen Stabsgebäude ertönen keinen Morgenappelle, hallen keine Befehle mehr durch die langen Flure. Hier ist höchstens noch das Stöhnen der Sportler aus dem Fitness-Center des BSV Buxtehude zu hören. Gleich nebenan haben sich mehrere Kulturschaffende breit gemacht. Am anderen Ende des Gebietes wurde der Hubschrauber-Landeplatz zu einer schmucken Neubaunische am landschaftsgeschützten Estetal umgewandelt.

Der Wohnungsbau spielt ohnehin die erste Geige. Im kommenden Jahr, wenn die Kaserne endgültig abgewickelt ist, sollen rund 1500 Menschen in gut 500 Wohneinheiten dort wohnen. In diesem Jahr gibt es im Westen was Neues. Für den Bereich südlich der Bebelstraß e stehen die Bebauungspläne vor der Entscheidung. Angesichts der anstehenden Vermarktung der letzten Stücke kommt Berger ins Schwärmen. Er verspricht Interessierten absolute Traumlagen am Hang und mit altem Baumbestand. Die Grundstücke sind 400 bis 600 Quadratmeter groß und haben ihren Preis, der bis zu 400 Mark pro Quadratmeter liegt.

Besonders stolz ist Berger auf die Pläne für den alten Sportplatz. Das Oval der Aschenbahn wird beim Straßenbau wieder aufgenommen, rundherum gruppieren sich Häuser, die wiederum von hoch gewachsenen Bäumen umgeben sind. So idyllisch kann es auf einem ehemaligen Militärgelände zugehen.

Selbst Optimisten hätten kaum damit gerechnet, dass die Konversion so schnell über die Bühne geht. Vor allem die Stadt ist Nutznießerin. 50 000 Mark zahlte sie 1994 als Einlage in ihre GEV. Als sie im vergangenen Jahr die Gesellschaftsanteile verkaufte, legte die Frank-Gruppe in Hamburg sieben Millionen Mark auf den Tisch - eine ansehnliche Rendite.

Für rund 14 Millionen Mark hatte die GEV am 31. Dezember 1994 das Kasernengelände vom Bund erstanden. Zur Endabrechnung im Juli vergangenen Jahres musste sie noch einmal rund zwei Millionen Mark zahlen, weil für öffentliche Einrichtungen (Fachhochschule, Ganztagsschule) gedachte Objekte doch kommerziell vermarktet wurden. Dafür verlangte das Bundesvermögensamt eine höhere Ablöse. Insgesamt erwirtschaftete die GEV Erlöse in einer Größenordnung von gut 26 Millionen Mark. Das Investitionsvolumen beziffert Berger auf "der größten Baustelle Buxtehudes" auf 150 Millionen Mark. Das Estetal ist ohne Frage ein Wirtschaftsfaktor in der Stadt.

Aber nicht nur das. Viele soziale Einrichtungen fanden hier Platz. Die Lebenshilfe baut Wohnungen für behinderte Menschen, zwei Kindergärten sind angesiedelt, das THW ist ebenso untergebracht wie die Volkshochschule (als eine der ersten Projekte). Zurzeit wird ein Seniorenheim in Quarre-Form mit Pultdach hoch gezogen. Der von der Fachhochschule gegründete Verein "buxbau" richtete ein Studentenwohnheim ein, die Ansiedlung eines dritten Fachbereichs der Fachhochschule scheiterte dagegen. Der Malteser-Hilfsdienst zog ins Estetal wie auch die Sozialstation und das Institut für berufliche Bildung oder der Computer Club Buxtehude. Die Ausländerberatung der Awo und "Lichtblick", die Beratungsstelle gegen sexuelle Gewalt, runden das soziale Angebot ab.

Bergers Resümee fällt entsprechend positiv aus: "Das ist ein lebendiger Stadtteil geworden." Für ihn und die GEV, die vom ehemaligen Stadtbaurat Otto Wicht beraten und einst auch von der Stadtbediensteten Katja Oldenburg-Schmidt geleitet wurde, beginnt mit dem Ende der Kasernen-Konversion ein neuer Abschnitt. Die Frank-Gruppe, die bislang mehr im Norden Hamburgs als Bauträger tätig war, will sich jetzt auch im südlichen Speckgürtel engagieren - mit der GEV und ihren guten Kontakten zur Verwaltung, Politik und Wirtschaft.