Umsatzeinbußen, der Trend zu reinen Markenläden, die Steuerpolitik: Schon wieder müssen diverse Geschäfte in der City und in Hamburger Einkaufszentren schließen. Neue Mieter werden dringend gesucht.

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"Wir Händler werden nicht mehr gebraucht", sagt Peter Thannhäuser, Inhaber von Jäger + Koch, der sein traditionelles Modehaus am Jungfernstieg 51, Ecke Neuer Jungfernstieg / Colonnaden am 30. Juni 2000 schließen will. 28 Mitarbeiter sind betroffen. Am letzten Sonnabend war auch letzter Verkaufstag der Filiale im Elbe-Einkaufszentrum. Die Gründe sind vielfältig: Nachdem die Marke Hermès am Neuen Wall im Frühjahr 1997 ein eigenes Geschäft eröffnete und für Thannhäuser in Hamburg als Partner ausfiel, brach ein Drittel des Umsatzes weg. Trotz der Investition eines siebenstelligen Betrages in die Modernisierung des City-Geschäftes blieb der Erfolg aus.

Auch dem Trend zu so genannten Mono-Label-Stores, reinen Luxusläden internationaler Anbieter, gibt Thannhäuser die Schuld an der aus seiner Sicht schlechten Entwicklung im Textilfachhandel. Zusätzlich habe ihm die Verwechslung mit dem in Konkurs geratenen Wäschegeschäft Jaeger & Mirow geschadet. Thannhäuser: "Ein weiteres Problem ist auch der Modeminimalismus. Alle Textilien sehen sich relativ ähnlich, alle tragen Schwarz oder Grau und die Wertstellung von Bekleidung ist zurückgegangen. Für Auto und Reisen wird mehr Geld ausgeben. Die jungen Leute kaufen bei H&M und motzen ihre Klamotten durch eine Hermès-Brille und einen Gucci-Gürtel auf."

Als einen weiteren Aspekt nannte die Steuerpolitik der Regierung, die den Handel belaste. Die Folge seien Entlassungen. Fachgeschäfte wie Jäger + Koch seien auf gutes Fachpersonal angewiesen. Thannhäuser: "Für einen Kunden können bis zu zwei Stunden Beratungszeit benötigt werden."

Im April 1996 konnte Jäger + Koch noch sein 75-jähriges Bestehen feiern. Die Firmengründer, Adolf Jäger und Hermann Koch, beide bekannte Hamburger Fußballspieler, gründeten das Modehaus am 21. Januar 1921 zur Existenzgründung nach ihrer Sportkarriere an der Hermannstraße. 1923 wurde dem Verleger John Jahr für ein halbes Jahr zur Unterstützung in geschäftlichen Angelegenheiten Prokura erteilt. 1926 übernahm der Banker Hans Vespermann das Geschäft, bevor der Vater des heutigen Inhabers, Eberhard Thannhäuser, das Unternehmen 1958 in Familienbesitz nahm.

Der Name des Unternehmens wird zunächst nur nach außen hin aufgegeben und bleibt intern bestehen, um den Kindern die Gelegenheit zu einem Neuanfang zu geben. Golf-Nationalspieler Michael Thannhäuser (21) studiert zur Zeit Betriebswirtschaft in Köln und seine Schwester Caja (25) das gleiche Fach in Berlin.

Zu Jäger + Koch gehören neben einem Hermès-Geschäft in Hannover nach wie vor drei ertragreiche Bogner-Läden in Hamburg, Frankfurt und Düsseldorf. Mit dem Hamburger Bogner-Laden eröffnete Thannhäuser vor 21 Jahren am Ballindamm einen der ersten Monolabel-Geschäfte der Stadt.

Neben Jäger + Koch sind auch weitere Geschäfte im Umfeld von Veränderungen betroffen. So soll Schümann's Austernkeller zur Einzelhandelsfläche umgestaltet werden. Die Möbel werden zum Süllberg verkauft. Um das ehemalige Restaurant als Verkaufsfläche mit Schaufenstern umbauen zu können, wird Christel Heilmann mit ihrem nebenliegenden Juweliergeschäft Chopard umziehen müssen. Dafür steht ihr unter anderem die Option frei, den benachbarten Klockmann-Laden zu belegen. Der müsste dann dort ausziehen.

Direkt neben Jäger + Koch zieht Ende Januar auch der Interims-Weihnachtsladen aus. In Maklerkreisen wird befürchtet, dass die Ecke einschließlich der Jäger + Koch-Fläche wegen der unrealistisch hohen Mietforderungen im Prien-Haus eine lange Zeit leer stehen könnte.

Direkt gegenüber des Weihnachtsladens steht die Parfümerie Walkenhorst zur Disposition. Inhaber Gerhard Walkenhorst trug sich schon seit Monaten mit dem Gedanken, seine Parfümerien zu veräußern. Käufer zum 1. Januar 2000 war die Stadtparfümerie Pieper GmbH aus Wanne-Eickel, die nur noch die Hamburger Hof Parfümerie betreiben will und sich von dem Geschäft am Jungfernstieg trennen will. Für die kleine Verkaufsfläche wurden bisher 38 000 Mark Miete verlangt.

Neue Mieter werden auch für die Flächen Jungfernstieg 48 neben der Gänsemarkt-Passage gesucht. Hier ist zurzeit noch das Schuhhaus Boos und "Roths Alte Englische Apotheke" untergebracht. Der Apotheker soll aus Altersgründen aufgeben, heißt es, und das Schuhhaus bleibt, bis ein Nachmieter gefunden ist. Der für dieses Jahr geplante Umbau der Gänsemarkt-Passage wird weitere Veränderungen nach sich ziehen.

Der Herrenaustatter Kirsch wird Mitte Februar im Elbe-Einkaufszentrum ausziehen und Mitte März neben dem Hotel Vierjahreszeiten eine noch leerstehende Fläche am Neuen Jungfernstieg mit einem jungen Ladenkonzept belegen, bestätigt Christopher Kirsch, der damit zweimal an der Binnenalster vertreten sein wird.

Wie sich die City veränderte

Eine Stadt verändert sich. Nichts Ungewöhnliches für eine Metropole. Dennoch tut jeder Abschied von einem Traditionsgeschäft weh. Viele haben den letzten Weltkrieg mühsam überstanden. Unsere Mütter und Väter haben sich dort bedienen lassen, und Bedienung wurde damals noch groß geschrieben. Personalkosten hatten längst nicht den Anteil an den Gesamtkosten eines Fachgeschäftes. Es war eben eine andere Zeit. Lange Jahre prangte der Namenszug "Blusen Berg" zwischen Mönckebergstraße und Spitalerstraße über dem Gebäude, das heute vom Schuhhaus Görtz belegt ist. Die Ecke Neuer Wall / Schleusenbrücke (heute Hermès und Habitat) gehörte bis zur Reichspogromnacht im November 1938 dem Konfektionshaus Hirschfeld und wurde von den Nazis an den Kaufmann Franz Fahning verkauft. Fahning zog in den letzten Jahren seines Bestehens an die Mönckebergstraße, wo sich im August 1994 die Geschäftstüren zum letzten Mal öffneten. Die Fläche des Modehauses Thomsen an der Mönckebergstraße wurde im August 1985 von Penndorf übernommen, das sich inzwischen selbst aus dem Elbe-Einkaufszentrum und aus der Innenstadt zurückzog, um sich auf sein Stammhaus in Bergedorf zu konzentrieren. Namen wie Ortlepp und Leineweber wurden von P&C Düsseldorf aufgekauft und später geschlossen. Sportlepp wurde 1994 von Sport-Scheck ersetzt. Dyckhoff schloss im Juni 1997. Jaeger & Mirow ging 1999 in Konkurs. Boecker verabschiedete sich im gleichen Jahraus Hamburg. schusch

Flagge zeigen in der Innenstadt

Die Entwicklung ist symptomatisch für Metropolen: So genannte Mono-Labels drängen sich in die teuersten Einkaufsstraßen um dort Flagge zu zeigen. Flaggshipstores werden sie daher von Insidern genannt, und Rendite spielt in ihren Konzepten nur eine untergeordnete Rolle. Sie zahlen fast jeden Mietpreis, nur um in den Top-Einkaufsstraßen dieser Erde dabei zu sein.

Hamburg gehört inzwischen zu den begehrten Standorten der Weltmarken. Vorteil: Die Stadt ist im Blickpunkt der ganz Großen und atmet das Flair der Weltenbummler. Nachteil: Innenstädte werden monotoner, denn die Geschäfte ähneln sich, egal ob in New York, Paris oder Tokio. Außerdem werden nach und nach traditionelle Händler, die das Stadtbild über Jahre prägten aus den City-Eins-A-Lagen verdrängt. Allein am Neuen Wall haben sich inzwischen viele meist ausländische Unternehmen angesiedelt. Darunter Burberrys, Joop, Armani, Louis Vuitton, Hermès, Salvatore Ferragamo, Mont Blanc, Bulgari, Jil Sander, Dax, Max Mara, Van Laack, Versace, Escada, Laurél, Wolfort, Palmers und Cerutti. Auch der Lüneburger Strickwarenhändler Lucia reihte sich vor wenigen Jahren ein. Windsor und Cartier folgen. Weitere stehen in den Startlöchern. Die Unternehmen verdienen doppelt. Einmal als Hersteller und einmal als Händler.

Das Markenbewusstsein der Kunden von heute fördert diese Entwicklung zusätzlich. Eine Modeerscheinung mit allen Folgen der Vergänglichkeit? schusch