Sie locken mit Gewinnen, Geld und Autos. Das Glück per Post. Hunderttausendfach in Deutschland. Doch was verbirgt sich wirklich hinter den amtlich getarnten Briefsendungen? Über Abzocker, Opfer und windige Methoden im Versandhandel: eine Abendblatt-Dokumentation.

Von LARS HAIDER

Hamburg - Das Glück lag früh am Morgen im Briefkasten. Ein Umschlag. Voll mit guten Nachrichten. "Sie haben 4300 Mark gewonnen", liest Hiltrud Wagner. Ein Sparbuch, ausgestellt auf ihren Namen, gleich daneben. Und noch mehr: Aus einer offiziellen Geschenke-Übersicht des Modehauses Der Schlanke Schnitt geht hervor, dass die Hamburgerin auch noch eine Kamera, einen Fernseher und einen VW Lupo gewonnen hat.

Angesichts solcher Preise fällt es ihr leicht, die einzige Bedingung für all die Wohltaten zu erfüllen: Sie bestellt etwas - einen Jogginganzug für 129,95 Mark.

Den hat sie auch tatsächlich bekommen. Zusammen mit einer großen Keramikpuppe für 19,95 Mark, die sie nicht geordert hatte, und drei kleinen "ziemlich hässlichen" Püppchen. Das wars. Kein Geld, kein Auto, keine Kamera. "Ich bin betrogen worden."

Kein Einzelfall. Im Gegenteil: "Solche Gewinnmitteilungen werden von verschiedensten Versandhäusern hunderttausendfach verschickt", sagt Edda Castello von der Verbraucher-Zentrale Hamburg dem Abendblatt. Die Unternehmen kommen aus den unterschiedlichsten Branchen: Mode, Reisen, Lebensmittel, Bücher. Der Verbraucher-Zentrale ist nicht nur das Modehaus Der Schlanke Schnitt wohl bekannt. Sie warnt unter anderem auch vor dem 3 Pagen Versand, Bakker, Ompex, Princess Versand, Saphir oder Friedrich Müller. Der Verbraucherschutzverein Berlin führt in einer Liste mit schwarzen Schafen rund 70 Unternehmen auf. Die Stiftung Warentest nennt zusätzlich 14 Betriebe, die Gewinnversprechen nicht eingehalten haben.

Wovon die Firmen profitieren, sagt Edda Castello: "Viele der Angeschriebenen glauben, endlich das große Los gezogen zu haben, und bestellen deshalb." Dabei werde jedoch übersehen, dass die vermeintlichen Gewinnzusagen im Kleingedruckten zurückgenommen werden. "Die Tricks werden immer raffinierter", so Castello. Und Unterstützung von Rechts wegen könnten die Betroffenen in Deutschland nicht erwarten. Während in Italien die Gerichte erste Firmen bereits dazu verurteilt haben, versprochene Preise tatsächlich auszuzahlen, sehen deutsche Richter die Situation anders: Das OLG Düsseldorf entschied, dass ein vermeintlicher Gewinner keinen Anspruch auf den scheinbar zugesagten Preis hat (Beschluss vom 14. 1. 1997, 22 W 77/96). An dieser Rechtsprechung könnte sich erst durch die in diesem Jahr geplante Novellierung des Fernabsatzgesetzes etwas ändern.

Bis es soweit ist, raten Verbraucherschützer: "Werfen Sie Gewinnmitteilungen weg, fallen Sie nicht auf die Tricks herein." Das Abendblatt hat mit ihrer Hilfe die häufigsten Methoden zusammengestellt, mit denen Unternehmer Kunden zu Bestellungen verlocken wollen.

Trick 1: Die letzte Chance

Die Unternehmen tun so, als bemühten sie sich schon wochenlang, Kontakt mit dem Kunden aufzunehmen. Zitat: "Ich habe mehrfach versucht, Sie zu erreichen, bitte reagieren Sie endlich . . . Leider haben Sie noch immer nicht Ihr Bargeld-Guthaben angefordert. Wie Sie sich erinnern werden, habe ich Sie erst im März dieses Jahres mit der freudigen Nachricht überrascht, dass Ihre Guthaben-Marke 117 ein stattliches Sümmchen hat." Andere Unternehmen schicken angebliche Telefon-Protokolle mit: "14. Juni niemand da, 16. Juli keinen erreicht. 8. August ständig besetzt." Tatsächlich haben die Firmen sich niemals gemeldet, es nicht einmal versucht. "Ich kann mich nicht erinnern, mit der Firma Kontakt gehabt zu haben", sagt Hiltrud Wagner. Das Ziel: Den Kunden soll suggeriert werden, dass sie vergessen haben, ihre Gewinne abzurufen - und dass jetzt ihre letzte Chance dafür gekommen ist. Castello: "Und das, obwohl keiner der Empfänger je an einem Preisausschreiben teilgenommen hat." Die Adressen würden einfach aus dem Telefonbuch abgeschrieben oder von professionellen Adressenhändlern beschafft.

Trick 2: Die hochoffizielle Zustellung

Um glaubwürdig zu wirken, legen Firmen ihren Schreiben scheinbar offizielle Mitteilungen eines unabhängigen Amtes bei. Beispiel: Auf grauem, mit einer Art Bundesadler unterlegtem Papier teilt ein "Hochoffizielles Zuteilungsamt" mit: "Wie wir aus unseren Unterlagen ersehen können, haben Sie in unserer letzten Aktion im März 4300 Mark gewonnen, dieses Guthaben aber bis heute nicht abgerufen. Inzwischen sind Zinsen in der Gesamthöhe von 42,28 Mark angefallen und ordnungsgemäß gutgeschrieben worden. Die Gesamtsumme beträgt jetzt 4342,28. Damit Ihr Guthaben nicht verfällt, rufen Sie es unbedingt heute noch ab." Und: "Nur mit Bestellung gültig."

Dass sie eigentlich an gar keiner Aktion oder einem Preisausschreiben teilgenommen haben, übersehen viele Kunden nach Erfahrungen der Verbraucher-Zentrale genauso wie die Vergabedingungen. Die sind allerdings in der Regel auch kaum zu entdecken. Neuester Trick: Die Vergabebedingungen werden in nahezu der gleichen Farbe wie das Papier gedruckt. Dort heißt es zum Beispiel: "Das Guthaben von 4300 Mark plus Zinsen wird ungeteilt vergeben. Sie erhalten es in jedem Fall, wenn Sie berechtigt dazu sind." Wer schriftlich bei der Firma nachfragt, bekommt eine einfache Antwort: "Leider sind Sie nicht die Empfangsberechtigte." Rechtsweg ausgeschlossen.

Trick 3: Alternative Geschenke

Äußerst beliebt ist es, für den Fall einer Mindestbestellung verschiedene Geschenke zu versprechen: Kaffeemaschinen etwa oder Reisen. Doch tatsächlich gibt es die meist nicht - denn im Kleingedruckten stehen etwa Sätze wie dieser: "Sie erhalten 100 Prozent sicher die angegebene Geschenke-Anzahl, wenn Sie für mindestens 25 Mark Ware zum Test anfordern". Aber: "Die rückseitig abgebildeten Geschenke werden ein- oder mehrfach vergeben. Je nach Nachfrage erhalten Sie gegebenenfalls von der Abbildung differierende Geschenke." Statt eines Fernsehers gibt es deshalb Keramik-Puppen, statt eines Staubsaugers einen Handroller. Eine andere Masche: Versprochene Telefone entpuppen sich als Plastikapparate, den VW gibt es nur als Spielzeugauto.

Trick 4: Die heimliche Zusatzbestellung

Wer seinen Gewinn abfordert, bestellt damit, meist ohne es zu registrieren, noch etwas - wie die Puppe bei Hiltrud Wagner. Im Kleingedruckten heißt es: "Senden Sie Ihre Marke inklusive Set-Abschnitt ein, so erhalten Sie als Sonderleistung den Artikel Grosse Puppe für nur DM 19,95 mitgeliefert." Und: "Ohne Set-Abschnitt erhalten Sie leider nur Ihre Geschenke."