Von SUSANNE VON BARGEN

Hamburg hat sich zur Stiftungshauptstadt entwickelt. 742 sind bei der Senatskanzlei registriert, bekannte und unbekannte, alte und neue, alle zusammen mit einem Vermögen von 4,5 Milliarden Mark. Ihnen widmet sich die Serie des Hamburger Abendblatts. Lesen Sie heute: Die Molckenbuhr'sche Stiftung für ältere weibliche Dienstboten in der Barnerstraße.

Der Brief, der den Stiftungsvorstand erreichte, war in feiner deutscher Schrift geschrieben. Catharina Kaack hatte ihren Lebenslauf niedergelegt und schloss mit der Bitte an die "hochwohlgeborenen Herren", ihr eine Stiftswohnung zu überlassen.

Catharina Kaack hatte auch Referenzen beigelegt. Hauptpastor Schmidt und der Geheime Sanitätsrat Henop empfahlen die Dame aufs Wärmste. Viel mehr als ein Dienstbote sei sie gewesen, berichtete Henop und lobte Frau Kaack als unermüdliche Krankenpflegerin, der ein Vermächtnis gebührt hätte. Aber die Zeiten seien nicht so.

Und schon gar nicht für ehemalige Dienstboten wie Catharina Kaack. Deshalb hatte sie sich auch an die "Molckenbuhr'sche Stiftung für ältere weibliche Dienstboten" gewandt. Das war 1917, und mittlerweile mutet der Name der Stiftung recht altmodisch an, was ihn aus der langen Liste der Hamburger Stiftungen heraushebt.

Als Catharina Kaack sich um eine Freiwohnung im Stiftungsheim bemühte, war die Molckenbuhr'sche Stiftung schon 30 Jahre alt. 1887 hatte sie ihr erstes Statut bekommen. Doch dem vorangegangen war das Schicksal einer Altonaer Kaufmannsfamilie, das zur Gründung der Stiftung geführt hatte.

Carsten Jacob Molckenbuhr und seine Frau Katharina Antoinette hatten sich zu dem Schritt entschlossen, nachdem ihre beiden Söhne Gustav und Otto im Jahr 1848 gestorben waren. Eine Tragödie, über deren nähere Umstände nichts bekannt ist. Die Eltern von Gustav und Otto wollten das Andenken an ihre Söhne auf Dauer sichern.

Testamentarisch verfügten sie die Gründung einer Stiftung, die den Familiennamen tragen sollte. 1858 brachte das Ehepaar zunächst 60 000 Goldmark als Stiftungskapital ein, ein in damaliger Zeit erhebliches Vermögen, das 1882 von der nun verwitweten Katharina Antoinette auf 100 000 Mark aufgestockt wurde.

Geld, das "alten Dienstboten weiblichen Geschlechts" vornehmlich aus Altona zugute kommen sollte, die nicht mehr allein für ihren Lebensabend sorgen konnten, über einen einwandfreien Leumund verfügten und das 50. Lebensjahr überschritten hatten. Wenn sich solche Dienstboten nicht fanden, durfte "unverheirateten altonaischen Bürgertöchtern" geholfen werden.

Ein Vorhaben, das sich der heutige Stiftungsvorstand, Dr. Klaus Völtzer, so erklärt: Molckenbuhrs hatten in Altona gelebt und wussten, dass es dort viele wohlhabende Kaufmannsfamilien gab, bei denen die hilfreichen Damen 30 oder mehr Jahre arbeiteten. Dann waren sie alt, oft auch körperlich abgearbeitet und sahen einem ungewissen Altersstand entgegen. Ihrer nahm sich fortan die Stiftung an. Sie kaufte ein Grundstück an der heutigen Barnerstraße, baute darauf ein Haus und zog 1893 mit den ersten Damen ein. 18 Stiftswohnungen waren entstanden, ein Zimmer mit Herd und Alkoven, Wasser gab es nur auf dem Flur, acht bis zehn Bewohner mussten sich eine Toilette teilen.

Die bescheidene, aber heile Welt nahm erst 1943 in den Hamburger Bombennächten ein vorübergehendes Ende. Das Stift wurde evakuiert, Haus und Garten von den Bomben beschädigt. Nach dem Krieg zogen zunächst ausgebombte Hamburger ein, doch 1950 nahm das Stift wieder seine ursprüngliche Funktion auf.

Allerdings war es inzwischen bettelarm. Geldentwertung und Krieg hatten das Vermögen aufgezehrt, die Stadt Altona war finanziell bei der Beseitigung der Kriegsschäden eingesprungen. Haus und Grundstück waren jetzt der Schatz der Molckenbuhr'schen Stiftung.

Aber einer, der auch in die Jahre gekommen war. Das Haus bedurfte dringend einer Modernisierung, und der pfiffige Stiftungsvorstand wandte sich Ende der 60er-Jahre an die Stadt. Sie hatte verfügt, dass Lotto-Gelder für solche Sanierungszwecke eingesetzt werden konnten. Und so wurde eine Zentralheizung eingebaut, und die Wohnungen bekamen eine Kochgelegenheit. Doch ausreichend war das nicht: Das Haus konnte mit dem aktuell üblichen Standard nicht mithalten, eine Modernisierung musste her - für die Immobilie wie für die Stiftung. Denn Dienstboten waren auch längst aus der Mode.

Aber der Vorstand der Stiftung wollte und will das Molckenbuhr'sche Andenken wahren. Heute leben in dem Haus in 13 größeren Wohnungen nach wie vor bedürftige alte Damen. Die Wohnungen werden jetzt preisgünstig nach den Vorschriften des sozialen Wohnungsbaus an sie vermietet. Mit den Einnahmen werden Haus und 2500 Quadratmeter Grundstück in Ordnung gehalten, Gewinne darf die Stiftung nicht machen. Was ihr auch nicht gelingen würde, sagt Vorstand Klaus Völtzer, der inzwischen mit drei Kollegen die Stiftung leitet. Man müsse schon sehr sparsam wirtschaften. Aber der Name Molckenbuhr lebt weiter - und mit ihm sein mildtätiger Wille.