Von GÜNTHER HÖRBST

Hamburg - Demaskieren wollten sie ihn. Den Fernsehzuschauern vor Augen führen, welch Wolf sich da im Schafspelz gebärdet. "Wir werden den Mythos Haider entzaubern" - nichts weniger hatte n-tv-Talker Erich Böhme angekündigt. Was sich dann allerdings in der Sendung "Talk in Berlin" am Sonntagabend zutrug, war ein Triumph für Jörg Haider, den Chef der rechtspopulistischen FPÖ. Schuld daran waren Moderator Böhme und seine hilflosen Gäste Freimut Duve, Michael Glos und Ralph Giordano.

Einer, der mit Haider bestimmt anders "ums Eck gefahren" wäre, brachte den Eindruck der meisten Zuschauer auf den Punkt. "Diese Sendung war der Gipfel der Peinlichkeit", schimpfte FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle. Und ARD-Programmdirektor Günter Struve übertrieb keineswegs, indem er sagte: "Man darf Haider nicht mit Amateuren in den Ring schicken."

Knapp 1,4 Millionen Zuschauer mussten miterleben, wie sich "der derzeit umstrittenste Politiker Europas" (Böhme) ein Fest aus den Unzulänglichkeiten seiner Gesprächspartner machte. So legten Talkmaster Böhme und seine Redaktion ein geradezu stümperhaftes Zeugnis ihrer Recherche ab.

Beispiele. Böhme zu Haider: "Sie haben Österreich als politische Missgeburt bezeichnet." Haider: "Ich habe gesagt, der Begriff der österreichischen Nation ist eine Missgeburt. Sie haben schlecht recherchiert, Herr Böhme." Anderes Beispiel. Böhme: "Sie haben gesagt, Maastricht sei die Fortsetzung von Versailles ohne Krieg." Haider: "Das habe ich nie gesagt. Ich weiß nicht, wie Sie da zu mir kommen." Böhme: "Ja, das weiß ich auch nicht . . ." Schließlich: "In der österreichischen Verfassung gibt es einen Artikel, der den Anschluss an Deutschland verbietet. Sie haben beantragt, ihn zu streichen." Haider: "Wo habens denn dös wieder her?" Böhme: "Nachgelesen. In den fünfziger Jahren . . ." Haider: "1950 wurde ich geboren. Wie soll ich da eine Verfassungsänderung beantragt haben?"

Böhme hat dem Stand der Journalisten einen schlechten Dienst erwiesen. Da wurden Zitate als Tatsachen hingestellt, die offenbar nur aus anderen Publikationen abgeschrieben wurden. Schlimmer noch: In den 90 Minuten gab es nicht einen Einwand Haiders auf einen ihm unterstellten Ausspruch, den die Diskussionsrunde entkräften konnte.

Auch der SPD-Medienpolitiker Freimut Duve blamierte sich nach Kräften. Im Stile eines Oberlehrers wollte er Haider demaskieren. Er demaskierte sich jedoch selbst: als unglaublich schlecht informiert. Duve: "Sie haben Ihre eigene Schwester zur Ministerin vorgeschlagen." Haider: "Nein." Duve: "Haben Sie nicht?" Haider: "Nein."

Der Innsbrucker Politik-Professor Anton Pelinka kennt Haider. Er sagte dem Abendblatt: "Es hätte sich ausgezahlt, jemanden mitreden zu lassen, der vorbereitet ist, ihm mit Tatsachenmaterial zu begegnen." Denn: "So locker vom Hocker ist ihm nicht beizukommen. Es genügt der eine oder andere österreichische Schmäh, und schon hat er die Lacher auf seiner Seite."

Einzig der jüdische Schriftsteller Ralph Giordano versuchte, dem Phänomen Haider eine Gestalt zu geben, sie zur Debatte zu stellen. Etwa indem er das "Saulus-Paulushafte" Haiders benannte, den "Zwangsdemokraten" in ihm herausmodellierte, der in die Demokratie reingeboren wurde, sie aber nicht mag und sie deshalb ständig zu etwas anderem umformen möchte. Giordano zu Haider: "Sie sind kein Nazi. Aber Sie appellieren an etwas, das Sie für Leute, die so etwas empfinden, sympathisch macht." Der Anker von Giordanos Ausführungen konnte allerdings in dem brackigen Untergrund, auf dem die Diskussion stattfand, keinen Halt finden.