Michael Schaack ist einer der erfolgreichsten Trickfilmer Europas. Jetzt macht er “Käpt'n Blaubär“ Beine, dass der in die Kinos kommt. Der Film ist hitverdächtig, wie vieles andere, was schon aus der Werkstatt des Hamburger Kreativen gekommen ist.

Seine "Schauspieler" sind einem Millionenpublikum bekannt, aber nur wenige wissen, wer ihnen Beine macht. Der heißt Michael Schaack (42), lebt in Hamburg und ist einer der erfolgreichsten Trickfilmer in Europa. In seiner "Trickompany" erhalten die Idole unserer Kindheit, so manch schräge Type und die modernen Helden des Alltags ihr bewegtes Leben: "Pippi Langstrumpf" und "Der kleine Punker", "Max und Moritz", der "Kater Felix", "Werner" und "Das kleine Arschloch".

Jüngster Held und zugleich Stubenältester in dieser Runde ist "Käpt'n Blaubär". Als Weihnachtsfilm des ausgehenden Jahrtausends schickt Michael Schaack nun diesen spinnerten Phantasten - dessen Karriere im Fernsehen erst beim Sandmännchen, später in der Sendung mit der Maus begann, der durch seinen Erfinder Walter Moers zur Kultfigur wurde - hinaus in die tosende See der Kinowelt. Bundesweiter Start: 16. Dezember.

Hamburg-Ottensen, lebendiger Stadtteil mit buntem Multi-Kulti-Treiben. Ein Hinterhof, dort in einer ehemaligen Holzkisten-Fabrik ist der Firmensitz der Trickompany. Die großen Lofts mit Tageslicht sind der Arbeitsplatz für die Kreativen. Graue, etwa 1,50 Meter hohe Stellwände unterteilen die Räume. Fast wie in einer Bienenwabe. In jeder dieser kleinen grauen Zellen haben die Zeichner ihr eigenes Reich. Der Platz reicht gerade mal für einen Stuhl, das schräg gestellte Zeichenpult inklusive Licht und Lupe sowie den persönlichen Inspirations-Gegenständen: ein CD-Player, ein buddhistisches Zitat, eine Figur aus einem Überrraschungsei. Dazwischen, daneben, darüber - Skizzen, Skizzen, Skizzen. Von knubbeligen Männchen, gierigen Monsteraugen oder einem BH-tragenden Dackel.

Zwischen 80 und 100 Leute arbeiten in der Hamburger Trickompany. Noch mal so viele in einer Kölner Niederlassung. Nein, dass der Laden jemals so groß werden würde, das hätte Michael Schaack nie für möglich gehalten. Er lacht nett. Man merkt, dass ist einer, der sich treu geblieben ist, in sich ruht, einer, dem persönliche Zufriedenheit und handwerkliche Qualität wichtiger sind als tosender Beifall und schnelles Geld. Man glaubt ihm, wenn er erzählt, dass es für ihn eigentlich immer hätte weitergehen können so wie damals in München . . .

Schon als kleiner Junge hat Michael Schaack Figuren gezeichnet, sich Geschichten ausgedacht. Mit einer alten Super-8-Kamera produziert er seine ersten Trickfilme. "Ich habe an jedem Wettbewerb teilgenommen, jeden Preis gewonnen."

Nach der Schule geht es von Hamburg nach München, auf die Filmhochschule. Er bleibt sich treu: Er ist der einzige Student, der Trickfilme macht. In seinem WG-Zimmer baut er sich den ersten Trick-Tisch, ein Zeichentisch über dem er eine Film-Kamera installiert. "Nachts habe ich als Taxifahrer oder Filmvorführer gejobbt, am Tage habe ich im Englischen Garten Drehbücher geschrieben und gezeichnet."

Dann kommen erste Aufträge. Er macht Filme fürs Sandmännchen. Für Michael Schaack ist das bis heute eine der schönsten Zeiten in seinem Leben. Doch dann gibt es Krach mit Freundin Angelika; die gelernte Tontechnikerin ist heute seine Frau und Partnerin im Unternehmen, und er denkt sich: Das ist eine Krise, aber auch eine Chance. Mach was draus!

Er geht nach Hamburg und bekommt seinen ersten großen Auftrag: 100 000 Mark für eine kleine TV-Serie, Spaß am Dienstag.

Weil Michael Schaack ein guter Zeichner ist, weil er immer termingerecht abliefert und nicht zuletzt, weil er wieder glücklich ist , denn Angelika ist inzwischen auch in Hamburg und wieder seine Freundin, deshalb kommen immer mehr Aufträge. Weil er nicht zu Selbstüberschätzung neigt und weiß, dass man allein schlecht wachsen kann, trommelt Schaack alte Freunde zusammen und lernt sie an.

Doch Wachstum braucht Platz. Auch das private. Angelika und Michael werden Eltern. 1985 steht in Hamburg-St. Pauli ein altes Gewerbehaus zum Verkauf. 500 Quadratmeter, also jede Menge Platz für Familienleben und Arbeit. Der Preis von 300 000 Mark bereitet dem Paar schlaflose Nächte. Doch sie kaufen. Viel später merkt er, dass dieses Haus eine ideale geschäftliche Grundlage darstellt. Es gehört ihm bis heute. Er ist eben treu.

Mitte der Achtziger ändert sich der Film und Fernseh-Markt: Video und die privaten Fernsehsender bringen Unruhe in alte Strukturen. Die Auftragslage für gute Kinder-Trickfilme wackelt. Die neuen Medien bieten völlig neue Verwertungschienen. Viele wollen ganz schnell ganz viel Geld verdienen. Einige seiner Konkurrenten versuchen in diesem Sog mit schlechten Märchenfilmen à la Disney mitzuschwimmen und gehen dabei unter. "Disney steht für Märchen und heile Welt. Darin sind sie einsame Spitze. Aber Märchen interessieren mich nicht." Michael Schaack behält den Kopf über Wasser und fragt: Was gibt es für Stoffe, die Disney nicht machen würde, die aber trotzdem erfolgreich wären? Er findet zwei Antworten: "Es gibt bisher keine guten deutschen Trickfilm-Produktionen für Erwachsene, obwohl sehr viele Erwachsene Comics lesen; zweitens: ich bin gut darin, Dinge zusammenzubringen, die gut zusammenpassen."

Die Dinge, die gut zusammenpassen, sind: ein Freund aus Hochschultagen, der Filmproduzent Bernd Eichinger, die zu jener Zeit erfolgreichen Werner-Comics von Röttger Feldmann alias Brösel und das Trick-Geschick von Michael Schaack.

Also spricht Schaack mit Eichinger. Der findet die Idee gut. Gemeinsam besuchen sie Brösel. Der findet die Idee überhaupt nicht gut. Daraufhin produziert Michael Schaack auf eigene Kosten einen kurzen Werner-Trailer und zeigt ihn Brösel. Der ist begeistert und erkennt: Schaack ist einer, der seine und meine Kunst versteht.

Die Maschinerie springt an. Etwa zwei Jahre dauert die Herstellung eines 80-minütigen Kino-Filmes. Röttger Feldmann schreibt das Drehbuch. Michael Schaack und seine Leute entwerfen die Figuren, die Bewegungen, die Hintergründe, die Ausstattung. "Werner beinhart" wird 1990 ein riesiger Kino-Erfolg.

Das vertraute Terrain des deutschen Trickfilmes verlässt Michael Schaack, als er einen Anruf von der Kirch-Gruppe erhält. Ob er sich Pippi Langstrumpf als Trick-Figur vorstellen könne und diese auch Astrid Lindgren präsentieren möge?

Klar! Schon oft hatten renommierte Trickfilmer versucht, von der großen alten Dame der Kinderliteratur die Trick-Rechte an Pippi zu bekommen. Sie lehnte immer ab. Michael Schaack reist nach Schweden. Er kann sich die Bedenken von Astrid Lindgren vorstellen, ihre Angst als Künstlerin vor dem Moloch Film. Er erzählt von seinen Ideen und nimmt ihr schließlich die Scheu vor dem Trickfilm. Er schmunzelt, ist bescheiden stolz: "So was kann ich gut. Das mag ich gerne an dem Job."

Warum er mit seiner Company noch nicht an die Börse gegangen sei, werde er oft gefragt. "Nein! Das hier ist ein Biotop. Das muss geschützt werden. Unsere Kompetenz ist das Suchen und Zusammenbringen von guten Stoffen und den kreativen Köpfen. Dabei bleiben wir."

Die Vermarktung, den Verkauf von Fernseh- und Videorechten, Merchandising, das sollen die machen, die etwas davon verstehen, meint Michael Schaack. Deshalb hat er Anteile der Trickompany verkauft. An einen Freund der Schaacks aus alten Zeiten und einen der erfolgreichsten Manager der Unterhaltungsbranche neuester Zeit: an den Börsen-Boomer Thomas Haffa von EM-TV.

Wer weiß, was Michael Schaack noch so vorhat? Er überlegt. "Der Haffa, der will ganz, ganz reich werden. Das ist okay. Ich bin schon jetzt sehr zufrieden mit dem, was ich habe. Aber vielleicht mache ich ja auch noch was ganz Großes. Aber das Größte ist, mit meiner Frau und den drei Kindern auf dem Land zu leben und mit meinen alten Treckern durch die Gegend zu knattern." Michael Schaack lacht. Und geht ab.