Von BETTINA MITTELACHER

Das Mädchen hatte Todesangst. Angst, was es alles zu erleiden haben würde. Furcht, dass der Mann, der es in seine Gewalt gebracht und in einen Wald verschleppt hatte, es ermorden wolle. "Kann ich heute noch zu meiner Mutter", fragte die elf-jährige Nina (Name geändert) ihren Peiniger. "Ja", antwortete der - mit dem unheilvollen Zusatz: "wenn du tust, was ich dir sage". Und dann verging er sich an dem Mädchen. Mittlerweile wünscht der Kinderschänder von Lohbrügge, Hans-Joachim Q., dass er seine Gewalttat an dem Schulkind "ungeschehen machen könnte". Gestern vor dem Landgericht verharrte der kräftige 31-Jährige regungslos, mit gesenktem Kopf, und nahm sein Urteil entgegen: Sieben Jahre Haft verhängte die Kammer über den Computerfachmann wegen Geiselnahme, sexueller Nötigung und sexuellen Missbrauchs eines Kindes.

"Es war von Anfang an Ihre Absicht, das Kind unter Todesdrohung zu setzen, damit es machte, was Sie wollten", sagte die Vorsitzende Richterin Gertraut Göring in der Urteilsbegründung. Am 7. Mai dieses Jahres hatte Hans-Joachim Q. das Kind mittags auf dem Nachhauseweg abgefangen, in seinen Wagen gezerrt und es mit einem Phasenprüfer bedroht, er werde sie "abstechen". Dann hatte er Nina in einen Wald gefahren. Sie musste sich in den Kofferraum des Wagens legen, er betatschte sie sexuell. Dann ließ er das Mädchen, gefesselt mit Mullbinden, zurück, es konnte sich selbst befreien. "Es weinte, war ganz aufgelöst", hatte eine Zeugin über den Zustand der Elfjährigen unmittelbar nach der Tat gesagt.

Und Nina selbst hatte vor Gericht ihre Todesangst geschildert. Unter anderem, als sie damals im Wald einen Graben wahrgenommen und gefürchtet habe, sie werde ermordet. Sie hatte erzählt, wie ihr Peiniger sich über sie gebeugt hatte, wie er ihren und seinen Unterkörper entkleidete, wie er der entsetzt starrenden Schülerin ihren Pullover übers Gesicht schob, um nicht weiter in ihre Augen zu blicken. "Und da lag sie dort im Dunkeln", sagte die Richterin, "wusste diesen halbnackten Mann über sich und war mit ihrer Angst allein." Wenn Nina zur Polizei gehe, hatte Hans-Joachim Q. zuletzt gedroht, komme er "wieder und mache etwas anderes", so die Richterin. "Ja, was denn? Es töten, dachte das Kind."

Die Ausführung der Tat "wiege schwer", betonte die Kammervorsitzende. "Es war eine ungeheuer gewaltsame Aktion." Deshalb seien die sieben Jahre Haft, mit denen das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft entsprach, auch "nicht hoch". Der Anwalt der Familie, Walter Brangsch, empfand die Entscheidung ebenfalls als "gerecht und angemessen". Das sah Verteidigerin Christiane Berger gestern ganz anders: "Die Strafe ist abenteuerlich hoch", empörte sie sich. "Das Kind ist völlig unbeschadet geblieben, zumindest körperlich", meinte die Anwältin vor laufenden Kameras. Sie hatte im Prozess mehrfach angeführt, es gebe "hysterische Vermutungen, was das Opfer bis ins hohe Alter zu erleiden hat".

Die Richterin betonte gestern: "Vergessen wird das Kind die Tat sicher nie", sagte sie mit Blick auf den Angeklagten. "So wie Sie sie wohl auch nie vergessen werden." Hans-Joachim Q. sah nicht auf. Wie so oft in diesem Verfahren blieb er auch in diesem Moment undurchschaubar. "Sie waren uns keine Hilfe, in Ihre Gedanken zu dringen bei der Motivsuche", fasste die Richterin zusammen. Unter anderem deshalb sei, abgesehen vom eigentlichen Tatgeschehen, vieles "in diffusem Licht geblieben". Deshalb sei es "nur geboten, dass die Polizei jeden Sexualstraftäter im Hinblick auf andere ungeklärte Fälle überprüft".

Tatsächlich wird gegen Hans-Joachim Q. auch im Zusammenhang mit der im Januar entführten zehn Jahre alten Hilal ermittelt. Zudem überprüfen Fahnder, ob er mit Fall der vor sechs Jahren verschwundenen Seike Sörensen in Verbindung zu bringen ist. Dazu schweigt der Angeklagte.

Als der 31-Jährige seinerzeit, wenige Tage nach dem Verbrechen an Nina, wegen dieser Tat von Polizisten aufgesucht wurde, hatte er unumwunden gesagt: "Sie haben den Richtigen." Weil er die Tat sofort eingeräumt hatte, war er auf freien Fuß gesetzt worden - was in der Öffentlichkeit zu einem Sturm der Empörung geführt hatte. Erst später hatte die zuständige Kammer einen Haftbefehl verhängt. Der bleibt jetzt, nach der Urteilsverkündung, weiter bestehen: Hans-Joachim Q. kommt vorerst nicht in Freiheit.