Ihre Produkte kauft man auch mit den Ohren. "Wollen Sie mal hören?" fragt Ilona Riesel (32) aus Elmenhorst im Schauraum der Firma Jun-Air Deutschland. Der Besucher erwägt, sich die Ohren zuzuhalten, während die Marketingleiterin einen Kompressor anschaltet. Das Geräusch enttäuscht auf angenehme Weise: Nur ein leises Tuckern ist zu hören. "Das ist ein ölfreies Aggregat für Zahnarztpraxen. Wie alle unsere Kompressoren ist es extrem geräuschgedämmt. Unser kleinstes, ölgeschmiertes Modell - es heißt ,Troll' - bringt es in vollem Betrieb auf gerade mal 35 Dezibel Geräusche, das ist leiser als ein Kühlschrank", erklärt Riesel, die seit der Gründung der Kompressorenvertriebsfirma Jun-Air Deutschland (zwölf Mitarbeiter) am 1. Juni 1998 fürs Marketing zuständig ist.

"Manchmal bin ich auch für die zweite Firma tätig, die sich hier unter unserem Dach befindet", sagt sie. Sie heißt Prebena Steen und Klentze (mehr als 30 Mitarbeiter) und gehört zur Prebena-Gruppe (350 Mitarbeiter, 1960 gegründet in Schotten bei Frankfurt/Main). "Die Gruppe stellt in Schotten und in Leipzig Druckluftnagler und Befestigungsmittel her sowie Anlagen zur Naglerproduktion. Prebena Ahrensburg ist die Vertriebs- und Servicezentrale für Nord- und Süddeutschland. Von hier schicken wir die Nagler per Paketdienst bis nach Rendsburg oder Garmisch."

Für diesen Zweck wurden 1977 die rund 2000 Quadratmeter große Halle und das 1000 Quadratmeter große Bürogebäude am Kornkamp erbaut.

"Die Räume teilen wir uns jetzt", sagt Ilona Riesel. Im Hochregallager türmt sich eine neue Lieferung Holzkisten, die den schwarzen Aufdruck "Jun-Air" tragen. Sie kommen von der weltweit tätigen Firma Jun-Air AS aus Norresundby bei Aalborg (Dänemark), die vor mehr als 50 Jahren als Angel- und Fahrradzubehörhersteller gegründet wurde, bevor sie 1958 ihren ersten Kompressor präsentierte.

In einer Werkstatt neben dem Lager inspiziert Thomas Studt (43) aus Bargteheide gerade einen großen Jun-Air-Kompressor und einen kleinen ,Troll', der in einem Grafikstudio für die Druckluft eines Airbrushgerätes sorgt.

Den Kollegen helfen

"Etliche Kunden schließen mit uns Wartungsverträge ab", sagt der gelernte Maler, der vor elf Jahren für den Versand der Prebena eingestellt wurde. "Jetzt helfe ich auch mal in der Jun-Air-Werkstatt, wenn dort viel los ist. Einer für alle - alle für einen."

"Kunde schickt eine Dämmplatte. Und wir müssen uns überlegen, mit welchen Naglern und Befestigungsmitteln wir sie an der Wand festbekommen", heißt es in der Werkstatt nebenan. Hier ist seit 22 Jahren das Reich von Hans-Werner Tewes (44) aus Bargteheide. Der gelernte Feinmechaniker, der gerade einen Druckluftnagler repariert, sorgt auch für die technische Beratung, für Service und Materialprüfungen bei der Neueinführung von Geräten.

Mit der neuen Firma Jun-Air Deutschland hat der Diplomkaufmann Ronald Steen (43) aus Hamburg-Volksdorf, Inhaber beider Unternehmen, ganz neue Zielgruppen im Visier. "Die Jun-Air, die als unabhängige Einzelfirma in der Gruppe agiert, wurde ausgegliedert, um den veränderten Kundenstrukturen Rechnung zu tragen. Früher lieferten wir Jun-Air-Kompressoren an Handwerker, Schreinereien oder Innenausstatter. Heute sind es vor allem hochkomplizierte Spezialanlagen für Zahnärzte, Dentallabors oder Kliniken."

Von Ahrensburg aus werden Aggregate für die Roboter in der Endprüfung der Mercedes-Werke vertrieben, aber auch Kompressoren für Geldzählautomaten in Banken, für Roulettetische oder für Beatmungsgeräte der Lübecker Firma Dräger. Hochbahnunternehmen nutzen die Anlagen für die Türschließautomatik, Straßenbahnbetreiber für die Schmierung der Spurkränze, die das berüchtigte "Quietschen in der Kurve" verhindert.

Nischengeschäft

Und auch das gibt es: den berufsbedingten "Kompressorblick". Ilona Riesel erzählt lächelnd: "Selbst beim Optiker muß ich schon immer hinschauen: Aha, der hat den und den Kompressor."

Immer häufiger wollen die Kunden, die für ein Gerät zwischen 950 und 15 000 Mark anlegen müssen, kein Standardmodell. Ronald Steen berichtet: "Wir bearbeiten das Nischengeschäft, den Sonderbau. Während vor 15 Jahren 98 Prozent aller Geräte als Serienmodelle geliefert wurden, erarbeiten wir heute mit den Kunden individuelle technische Lösungen, zum Beispiel den passenden Kompressor für eine ganz bestimmte Verpackungsanlage. Schon kommen 70 Prozent unserer Aufträge aus dem Bereich Sonderbau."

Die Spezialanfertigungen werden am Kornkamp konstruiert. "Und per Intranet sind wir mit der dänischen Jun-Air-Gruppe verbunden, senden dann direkt die digitalen Bilder und technischen Zeichnungen für Sonderserien", sagt Ilona Riesel.

Sie bekommt in jüngster Zeit immer häufiger Anlaß für den "Kompressorblick". Druckluft erobert fast alle Bereiche der Industrie: Immer mehr Abläufe in Maschinen werden mit Druckluftventilen und -steuerungen geregelt, die die Funktion mechanischer Systeme übernehmen.

"Wir wollen aggressiv wachsen. Das streben auch die Dänen an", berichtet Ronald Steen. "Für Jun-Air haben wir schon vier neue Leute eingestellt, weitere Außendienstler für Gebiete in Deutschland sollen folgen", sagt der Kaufmann, der Enkel des Ahrensburger Unternehmers Carl Backhaus ist. Sein Großvater hatte die Hochdrucknaglerfabrik Johann Friedrich Behrens zum Modell der Arbeitnehmermitbestimmung ausgebaut. "Aufgrund dieses Ahrensburger Modells entstand unsere Firma, damals noch als Vertriebsorganisation für BeA. Heute sind wir Wettbewerber", erzählt der Enkel.