Der Grundstein ist gelegt, und Roy wirds schon schaffen, davon war Werner Hackmann überzeugt. HSV-Torschütze Roy Präger sprach von der Leistung, die in jedem Spiel wieder gezeigt werden müsse, und Hamburgs Erster Bürgermeister Ortwin Runde versprach, sich das nächste Spiel anzusehen, wenn der Terminkalender es erlaube. Unter dem Jubel Tausender Fans, mit heißer Disco-Musik und ebensolchen Show-Girls präsentierte gestern der HSV seine neue Fußball-Mannschaft auf dem Rathausmarkt.

"Hier ist der Hermann", hatte zuvor der Moderator ins Mikrofon gebrüllt und "Hier ist der Ingo!". Jeder vorgestellte Spieler wurde von den Fans mit einem donnernden "Yeah" und Gesängen begrüßt. Sie sollen eines Tages wieder auf dem Balkon des Rathauses stehen, das wünschte nicht nur Runde. Die Voraussetzung dafür ist natürlich der sportliche Erfolg: "Ich würde mich freuen, es wäre besonders schön", sagte Runde. Für das Spiel am Sonnabend wünschte er dem Verein, dass "das Stadion brodelt". Zunächst brodelte es erst einmal vor dem Hamburger Regierungssitz. "Is this the way to Amarillo", dröhnte es aus den Boxen, und die Älteren stampften den Takt in das Granitpflaster des Rathausmarktes. Die Kids in der ersten Reihe ließen die Oldies dagegen kalt - sie reckten Hälse, Filzstifte und Papier über die Absperrgitter, um Autogramme zu erwischen. eli

Von JENS MEYER-WELLMANN

Die ganze Stadt feiert in diesen Tagen nicht nur den neuen HSV, sondern auch das neue Volksparkstadion. Nur denjenigen, die das Stadion gebaut haben, macht das Bauwerk Kopfschmerzen: Rund 100 Firmen warten noch immer auf die Begleichung ihrer Rechnungen. Die Außenstände von Handwerkern, Lieferanten und Ingenieuren haben sich mittlerweile auf etwa sechs Millionen Mark summiert. Während beim HSV gejubelt wird, drohen vielen norddeutschen Mittelstandsbetrieben ernste Liquiditätsprobleme. Die Liste der Firmen und ihrer Forderungen liegt dem Abendblatt vor.

Nun haben sich Vertreter der Gläubiger in der Handelskammer getroffen, um ihr Vorgehen zu beraten. Organisiert wurde die Konferenz der Geprellten von Siegfried Greve, Chef der Firma VIP Consult - er war bis zum Rauswurf durch Deuteron-Chef Andreas C. Wankum Bauleiter im Stadion. Greves Problem: Alle Gläubiger haben ihre Verträge mit seiner VIP Consult.

"Wenn die wollen, machen die mich sofort platt", sagt Greve. Dabei war die VIP Consult als "Sub-Generalübernehmer" nur eine Art Zwischenhändler: Greve bekam das Geld häppchenweise vom "Haupt-Generalübernehmer", Wankums Deuteron-Tochter DDP, um es an die Subunternehmer weiterzuleiten. Wankum, seinerseits auf die Zahlungen des HSV angewiesen, behauptet, er habe alles an Greve bezahlt. Greve bestreitet das.

Noch in dieser Woche will Greve Wankum nun Schlussrechnung und Klage im Paket servieren. "Es geht um mehr als 40 Millionen, abzüglich dem, was Wankum direkt an die Handwerker gezahlt hat", so Greve. "Erst mal werde ich die DDP auf Zahlung von 5,6 Millionen Mark verklagen - das ist der mir zugesicherte Festgewinn." Dieses Geld, so Greve, wolle er dann an die Subunternehmer weiterleiten. "Das ist nämlich der eigentliche Skandal, dass beim Bau des HSV-Stadions die Handwerksfirmen über den Tisch gezogen werden."

Einige der Gläubigerfirmen wollen nun eine Sammelklage gegen Wankums DDP vorbereiten. Andere warten erst mal ab, was bei Greves Klage herauskommt. "Greve selbst zu verklagen, bringt uns nichts. Bei dem ist nichts zu holen", sagt Hans Hermann Meggers, Chef der Fassadenbau-Firma von Osten & Brandt, die noch mehr als 400 000 Mark zu bekommen hat. "Mit Wankum haben wir keinen Vertrag, und der HSV tut so, als ginge ihn das alles nichts an."

Auch Peter Schmidt, Norddeutschland-Direktor der Philipp Holzmann AG, fühlt sich "angeschmiert". "Das Konstrukt mit den zwei Generalübernehmern Wankum und Greve ist von vornherein merkwürdig gewesen", sagt Schmidt, dessen Firma mit rund zwei Millionen Mark die höchste offene Forderung präsentiert hat. Denn wenn Greves VIP Consult jetzt pleite ginge, wäre Wankums DDP nicht zu belangen - Handwerker und Lieferanten gingen womöglich leer aus. "Aber wir wollen natürlich nicht unterstellen, dass diese Konstruktion vorsätzlich gewählt wurde", sagt der Holzmann-Direktor. Einstweilen werde sich seine Firma ruhig verhalten. "Aber wenn wir wollten, könnten wir sofort da reinschlagen und alles zum Konkurs bringen", so Schmidt.

Für DDP-Chef Andreas C. Wankum geht es in diesen Tagen um ziemlich viel. Der ewige Ärger ums Geld macht ihm zu schaffen. In Sachen Handwerker-Rechnungen schiebt er den Schwarzen Peter gleich an seinen ehemaligen Partner zurück. "Greve lügt", sagt Wankum. "Wir wissen bis heute nicht, welche Forderungen noch offen sind."

Ganz oben in der Stadion-Nahrungskette sitzt, wie stets gelassen, der allmächtige HSV-Boss Werner Hackmann. Sein Credo war bisher simpel: Der HSV habe seinen Vertrag mit Wankum - alles andere "ist nicht mein Bier". Gestern formulierte Hackmann anders: "Wo es berechtigte Forderungen gibt, tritt auch der HSV ein."

Handwerker Meggers glaubt daran nicht. "Wankum führt uns vor, und Hackmann hält sich raus", sagt er. "Herr Hackmann sollte sich mal fragen, ob der HSV als Bauherr nicht eine Mitverantwortung für die Geschehnisse auf seiner Baustelle hat." Wegen der Zahlungsrückstände könne er seinen Arbeitern keine Prämien zahlen. "Wenn sich die Lage nicht klärt", so Meggers, "werden unsere Leute beim ersten Heimspiel im Stadion gegen den HSV demonstrieren. Dabei waren die bisher alle Fans."