“Werner“ schwimmt wieder. Nach Wochen der Restaurierung gab das Museum für Hamburgische Geschichte gestern die Kommandobrücke des historischen Kohlendampfers “Werner“ frei. Das Brückenhaus wurde neu inszeniert: Mit Licht, Bild und Ton wird der Besucher in die Zeit der Dampfschiffahrt zurückversetzt.

Von ELISABETH STIMMING Hamburg - Dämmerlicht schimmert durch die Fenster, fällt auf das museumsreife Steuerrad, wirft Reflexe auf das Messing des Kompaßgehäuses. Es ist still dort oben. Das Ruderhaus riecht nach Holz, nach Alter und Geschichte. Nur die klassischen Geräusche des Hafens unterbrechen die Stille - Typhone tuten, Kräne quietschen, Möwengeschrei, das beruhigende Tuckern von Hafenschleppern. Fast ist die Illusion perfekt: Das Brückenhaus des ehemaligen Dampfers "Werner" steht seit 1963 im Museum für Hamburgische Geschichte und wurde in den vergangenen Wochen grundüberholt. Zugleich bekam das größte Exponat des Museums eine neue Inszenierung: Bläuliches Licht suggeriert Dämmerung, Geräusche bringen Hafenatmosphäre und ein preisgekrönter Amateurfilm aus dem Jahr 1938 zeigt das pulsierende Leben damals im Hamburger Hafen.

",Werner' macht es gut und gerne noch einmal fünfzig Jahre", hatte Kapitän Paul Voss im Sommer 1959 gemeint, als sein Schiff nach fünfzig Jahren aus dem Dienst gezogen werden sollte. Der dampfgetriebene Frachter endete auf einer Abwrackwerft in Harburg, doch seine vorderen Aufbauten konnten vor dem Schneidbrenner gerettet werden. Es war die Initiative von Walter Hävernick, des damaligen Direktors des Museums. Hävernick wollte ursprünglich den ganzen Dampfer als technisches Denkmal für die Nachwelt erhalten. An Pfählen sollte "Werner" schwimmen, frei zur Besichtigung und als Empfangsstätte für Besucher der Hansestadt. Doch auch damals schon fehlte das Geld im Kultur-Etat für derartige Extravaganzen, und Sponsoren waren nicht zu finden.

"Werner" war nicht irgendein Dampfer. 1909 auf der Stettiner Oderwerke AG gebaut, fuhr der Frachter für die Mathies-Reederei in Hamburg bis 1959 hauptsächlich im Liniendienst Hamburg-Schweden, in den Luken Stückgut auf der Hinreise, auf der Rückfahrt Holz, Zellulose und Papier. Mehrere hundert Schiffe dieses Typs fuhren in den Jahren zwischen 1880 und 1930 auf der Nord- und Ostsee. "Werner" war eines der letzten Schiffe seines Typs und ein besonderes dazu: Geliebt von seiner 14köpfigen Besatzung, war er, so lobte das Abendblatt, kein "alter Kasten". "Manches Greenhorn unter den neueren Schiffen kann sich von dieser gepflegten Solidität ein Stück abschneiden. Da ist jedes Stück Metall silbergebronzt, jedes Messingteil auf der Brücke spiegelblank, und im Maschinenraum kann man von den Kesseln essen", schrieb die Zeitung am 22. Juni 1959.

So ist es immer noch: Für den Museumsbesucher erschließt sich ein Teil des Lebens der Männer auf See, wenn er die penibel restaurierten und original ausgestatteten Räume sieht. Gerade 60 Zentimeter breit ist das Bett, in dem Kapitän Paul Voss schlief - so konnte er sich mit angezogenen Knien festkeilen, wenn das Schiff im Sturm rollte und schlingerte. An der Wand in Höhe Kopfkissen hängt noch das Sprachrohr, die direkte Sprechverbindung zur Brücke. In der Kombüse blitzt es, Kessel und Töpfe stehen auf dem Herd. Bei der Einrichtung hat noch der ehemalige Koch des Schiffes, Willi Siebert, geholfen. Sechs Jahre war er auf der "Werner" zur See gefahren: "Der Dampfer hat mir großartig gefallen", sagte er nach der letzten Heimkehr in Hamburg im Juni 1959.

Ebenfalls erhalten sind der Funkraum - dort ist simulierter Funksprechverkehr zu hören - und die Messe, darüber Ruderhaus und Peildeck mit allen Anlagen, nautischen Geräten, Karten und einer Morselampe.

Wer oben auf der Brücke aus dem Fenster sieht, wähnt sich um 60 Jahre zurückversetzt: Auf einer riesigen Leinwand an der Wand gegenüber wird der Hafen-film des Hamburger Konditormeisters Kurt Lehfeld aus dem Jahr 1938 gezeigt. Der Farbfilm (als Video im Museum zu kaufen) besticht durch überraschend moderne Aufnahme- und Schnittechnik: Momentbilder von einlaufenden Passagierdampfern, vollbesetzte Hafenbarkassen, eilige Menschen auf Kais und Gangways, die Verladung von Baumwolle und Autos - das ganze Spektrum des Hafens in der Ära der Dampfschiffahrt.

Der Blick nach unten auf das Vordeck zeigt eine kleine Ausstellung mit Köster- und Wiking-Modellen. Edmund Köster (1896 bis 1943) gründete seine Modellbau-Werkstatt Ende der 20er Jahre in Hamburg. Seine Schiffs- und Hafenmodelle aus Holz fertigte er erst für den Spielwarenhandel, später für Behörden, Reedereien und Museen. Ende der 30er Jahre folgte der Berliner Fabrikant Friedrich-Karl Peltzer mit seinen Wiking-Modellen aus Metall.