Von RICARDA FRÄMCKE Hamburg - "Wir waren ja alle mal gut befreundet", sagt die alte Dame. Aber heute mögen sie sich kaum noch an einen Tisch setzen. Lieselotte Kruglewsky-Anders beobachtet, wie sich der Schulsaal in Langenhorn bis auf den letzten Platz füllt, und sagt: "Um offen zu sein: Ich stehe da zwischen zwei Männern, die sich nicht mögen."

Die halbe Hamburger Kunstszene hatte sich am Freitagabend auf den Weg zur Griffelkunst-Vereinigung gemacht, um teilzuhaben an diesem Zank und Streit, der nun eskalieren sollte wie bei einer AStA-Vollversammlung. Das Ergebnis nach fünf quälend langen Stunden, zahllosen Abstimmungen, Anträgen und Zwischenrufen: Der alte Vorstand wurde von den Griffelkunst-Mitgliedern abgewählt. Lieselotte Kruglewsky-Anders (83) und Carl Vogel (75) mußten ihre ehrenamtlichen Posten als 1. und 2. Vorsitzende abgeben. Freiwillig hätten sie's auf keinen Fall getan: "Ich trete nicht zurück!" (Kruglewsky) und: "Ich denke nicht daran!" (Vogel).

Harald Rüggeberg (53), der, wie berichtet, kurz vor Weihnachten die fristlose Kündigung von diesem Duo erhalten hatte, besitzt nun gute Chancen, als Geschäftsführer der Griffelkunst "rehabilitiert" zu werden. Zumindest hätte Ralf Busch nichts dagegen. Der nämlich, im Hauptberuf Direktor des Harburger Helms-Museums, ist seit Freitag abend neuer Vorsitzender des Kunstsammler-Vereins. Und will, flankiert von Günther Gercken als 2. Vorsitzenden, erst einmal Ordnung hineinbringen in die schmutzige Angelegenheit.

Es wimmelt von Ungereimtheiten. Halbwahrheiten. Beschuldigungen. Und die rund 4200 Griffelkunst-Mitglieder in ganz Deutschland (sie erhalten für 200 Mark Jahresbeitrag vier Grafiken) werden wohl kaum begreifen, was sich hier wirklich abgespielt hat. Fakt ist: Das alte Führungs-Duo wollte (das Abendblatt berichtete) Rüggeberg nach 18 Jahren Mitarbeit loswerden. Es ging in der Hauptsache um sein A 16-Jahresgehalt (ca. 163 000 Mark) und seine Nebentätigkeit in der renommierten Produzentengalerie Hamburg, deren Mitbegründer er 1973 war. Kruglewsky: "In unserer Satzung steht: Kunsthändler dürfen nicht Mitglied bei uns sein!"

Es gibt aber weder eine Arbeitsplatzbeschreibung noch einen Geschäftsführer-Vertrag, aus dem Rechte und Pflichten hervorgehen. Und Rüggebergs Anwalt Jochen Amme kann einige überzeugende Argumente - und Unterlagen - vorweisen.

Rüggeberg, der Studienrat ist, wurde 1981 vom Schuldienst beurlaubt, um den Posten des Griffelkunst-Geschäftsführers zu übernehmen. Gegen seine Tätigkeit bei der Produzenten-Galerie hatte der frühere Griffelkunst-Vorstand nichts einzuwenden.

Wenn jemandem über Jahre hindurch Rechte zugestanden werden, können diese dann plötzlich als Anlaß für eine fristlose Kündigung herangezogen werden? Viele Griffelkunst-Mitglieder, die nach Langenhorn zur Abstimmung gekommen waren, konnten denn auch kaum noch nachvollziehen, was hier eigentlich vor sich geht.

"Die Kündigungsgründe", sagte Harald Rüggeberg, "sind erstunken und erlogen." Um eine Gehaltserhöhung habe er nie gebeten. Sein Gehalt sei 1993 neu festgelegt worden. "Und ich bin darauf nie wieder angesprochen worden, weder schriftlich noch mündlich." Der Grund liegt vermutlich anderswo: Die Kulturbehörde, die 1993 noch 81 500 Mark Zuschuß an die Griffelkunst überwies, zahlt heute nur noch 36 000 Mark "Personalkostenzuschuß". Das Geld wurde also knapp.

Die Emotionen überschlugen sich, und Carl Vogel sprach von "Krieg". Als herauskam, daß er vor wenigen Tagen - an den Wartelisten vorbei - regelwidrig noch 34 neue Mitglieder eingeschleust hatte, um die Abstimmung zu seinen Gunsten zu beeinflussen, da war denn Hopfen und Malz verloren. Vogel, früher Präsident der Hochschule für bildende Künste, hatte sich damit selbst ins Aus manövriert. Punkt Mitternacht verließ man, erschöpft wie nach einer Schlammschlacht, den Saal.

Bleibt zu hoffen, daß sich die Griffelkunst wieder auf ihre wahren Aufgaben besinnt. Diese Art von privaten Fehden schaden ihrem Ansehen. Der alten Vorstandsvorsitzenden Lieselotte Kruglewsky nimmt man zwar ab, daß sie aus ursprünglich integren Absichten heraus gehandelt hat. Aber die Vorgehensweise ist absolut zweifelhaft. Je eher der Streit beigelegt wird, um so besser. Was der Verein jetzt braucht, ist Sachlichkeit, Besonnenheit, Korrektheit. Und klare Verträge, die die Zusammenarbeit für alle Beteiligten regeln.