Das umstrittene Eingangstor der ehemaligen Graf-Goltz-Kaserne in Rahlstedt kann abgerissen werden. Die Senatskommission für Stadtentwicklung hat sich gestern gegen den Denkmalschutz für das Bauwerk aus der NS-Zeit ausgesprochen. Sie folgte damit einem Votum der Stadtentwicklungsbehörde. Die Kulturbehörde hatte für die Unterschutzstellung des Tores votiert.

Die Diskussion über den Eingangsbereich des ehemaligen Kasernengeländes wird seit 1995 geführt, und ihre Intensität zeigt, wie sehr sich die Beteiligten der Notwendigkeit bewußt sind, auch nationalsozialistische Bauwerke im Stadtbild erhalten zu müssen. Doch in diesem Fall mußte, das zeigt die Lektüre der Senatsdrucksache aus der Stadtentwicklungsbehörde, eine besondere Abwägung vollzogen werden. Denn die Bewohner der künftigen Gartenstadt Boltwiesen auf dem ehemaligen Kasernengelände könnten sich durch die Torsituation nicht der ständigen Auseinandersetzung mit dieser Architektur entziehen. "Dies erscheint als eine nicht zu vertretende Zwangskonfrontation mit dem Nationalsozialismus."

Tatsächlich steht das Tor an der offenbar einzigen Erschließungsmöglichkeit für die geplanten 450 Wohnungen. Das Innere des 1938/39 errichteten Bauwerks ist mit zwei Wandtafeln ausgestattet, die die Besetzung Brest-Litowsks und den Einmarsch in Prag durch die Truppen der Wehrmacht darstellen. Zwei Skrafitti, die den Militarismus des Dritten Reiches verherrlichen, und, so die Stadtentwicklungsbehörde, dem neuen Wohnquartier eine ebenso fragwürdige Prägung wie Fassade nach außen hin verleihen. Die Namensgebung Gartenstadt Boltwiesen für das neue Wohngebiet werde dadurch stets überschattet bleiben von dem der ehemaligen Graf-Goltz-Kaserne und der damit verbundenen Geschichte.

Die Denkmalschützer der Kulturbehörde hatten dem entgegengehalten, daß es im öffentlichen Interesse sei zu verhindern, "daß Erinnerungen auch und gerade an die nationalsozialistische Zeit und an den Zweiten Weltkrieg vollständig aus unserem täglichen Blickfeld weggeräumt werden, als sei nichts passiert". Zudem sei das Tor auch charakteristisch für den Garnisonsstandort Rahlstedt. Das erfordere "einen verantwortungsvollen Umgang mit diesem Geschichtszeugnis".

Nach der Auflösung der Kaserne und der Umwidmung des Geländes in ein Baugebiet hatten sich auch zunächst alle Beteiligten dieser Ansicht angeschlossen. Selbst bei der öffentlichen Auslegung des Bebauungsplanes, der auf Betreiben der Kulturbehörde den Denkmalschutz für das Tor enthielt, wurde nichts gegen dessen Erhaltung vorgebracht.

Ende Oktober vergangenen Jahres wiesen dann Vertreter der bezirklichen Gremien gegenüber der Stadtentwicklungsbehörde auf mögliche Probleme hin. Dabei wurde auch die Sorge geäußert, das Tor mit seinen das Nazi-Regime verherrlichenden Darstellungen könne zum Anziehungspunkt für Neonazis werden. Eine Vermutung indes, die die Innenbehörde nicht teilte.

Unterdessen hatten auch die Finanzbehörde und der Bauträger klargestellt, daß sie für das ehemalige Kasernentor keine Trägerschaft übernehmen würden. Die Baugrundentwicklungsgesellschaft (BEG), die Militärliegenschaften baureif entwickelt, wies zudem darauf hin, das "Schandmal" beeinträchtige und entwerte das neue Quartier und wirke schon im voraus der Vermarktung entgegen. Überlegungen schließlich, das Tor zwar zu erhalten, aber mit besonderen Tafeln oder Kontrastdarstellungen entsprechend einzuordnen, wurden bald wieder verworfen. Ausschlaggebend dafür war nicht zuletzt, daß sich für das Tor als Denkmal keine Trägerschaft finden würde.

Gleichwohl wird die Geschichte der Kaserne möglicherweise nicht ganz aus dem Stadtbild verschwinden. Denn, so Bürgermeister Ortwin Runde: "Hamburg wird sich niemals der Auseinandersetzung mit dem Hitler-Faschismus entziehen." Eine Ansicht, die alle Mitglieder der Senatskommission teilten. Geprüft werden soll jetzt, ob in einem der Torhäuschen eine entsprechende Dokumentation angebracht werden kann.

Das ist dem CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Karl-Heinz Warnholz nicht genug. Er hat einen Antrag auf Erhalt des Tores in die Bürgerschaft eingebracht, der in 14 Tagen diskutiert werden soll. "Wenn der Abriß vorher beginnt", so Warnholz gestern, "werde ich meine Fraktion bitten, alle Rechtsmittel gegen den Abriß einzuleiten."