Ein 18jähriger Brasilianer beim HSV oder Lucas Traum vom Profifußball

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Hamburg - "Ronaldo natürlich!" Ein bißchen verwundert ist Luca Bele über so eine Frage schon. Wer sonst soll bitte das Vorbild eines 18jährigen Brasilianers sein, der sich anschicken will, ein Fußballprofi zu werden. Doch dann sprudelt es aus Bele heraus: "Ronaldo ist einfach ein perfekter Spieler: Er ist schnell, er ist technisch versiert, und er hat eine gute Physis." Und vor allem: Der zweimalige Weltfußballer des Jahres hat das geschafft, wovon Bele noch träumt: Er hat sich in Europa durchgesetzt.

Luca Bele, der gerade ein Probetraining beim Hamburger SV absolviert, tut derzeit alles, um seinem großen Idol nachzueifern. Sein Cousin Alex, der seit einem halben Jahr in Liverpool lebt, fragte ihn kürzlich, ob er nicht nach Europa kommen und sich bei einigen Vereinen vorstellen wolle. Bele ließ sich nicht lange bitten und wurde an einen englischen Agenten vermittelt. Seit drei Wochen tingelt er nun schon durch halb Europa, um seine Dienste bei Traditionsklubs wie Coventry City, RSC Anderlecht oder Racing Straßburg anzubieten.

Vorgestern spielte er mit einer Jugendmannschaft des Hamburger SV gegen eine mexikanische Auswahl. "Man sollte von dem Jungen keine Wunderdinge verlangen", dämpft HSV-Jugendcoach Michael Schröder die Erwartungen. "Aber besonders aufgefallen ist mir seine Leistung auch nicht." Gestern durfte Bele mit den Profis trainieren. Sollte er beim HSV kein Glück haben, will er nächste Woche nach Liverpool weiterziehen.

In der U-20-Auswahl des brasilianischen Erstligisten Paraná Club hat der Mittelfeldspieler zwar einen Stammplatz. Doch der Sprung in den Profikader ist in Brasilien besonders schwer. "Die Vereine nehmen lieber Kinder aus Unterschichtfamilien, weil sie denen ihre Bedingungen diktieren können", erzählt Bele in fließendem Englisch.

Nicht daß er nicht bereit wäre, alles für seinen Sport zu tun. "Aber wenn es mit der Profikarriere nicht klappen sollte, kann ich immer noch zurück an die Universität von Curitiba." Zumindest seine Mutter würde sich darüber freuen. "Wir streiten uns immer, weil sie will, daß ich Informatik studiere, damit ich einmal in den USA arbeiten kann."

Sein Vater, der im Nordwesten Brasiliens einen Holzhandel betreibt, findet die Idee mit dem Fußballspielen dagegen gut. Aber Bele weiß selbst, was er will. Sein Elternhaus in Porto Velho hat er schon vor drei Jahren verlassen. "Der Norden Brasiliens ist Entwicklungsland", erzählt er und deutet auf das riesige Amazonasbecken. Dann gleiten seine Finger auf der Landkarte in Richtung Süden. "Wer im Fußball etwas werden will, muß zu einem der großen Vereine an der Küste gehen."

Reich werden kann man auch dort nicht. Zuletzt verdiente Bele 80 US-Dollar im Monat. Als Profi bekäme er zwar mehr - "aber die Bedingungen in Europa sind viel besser", glaubt Bele. "Im letzten Jahr haben wir fünf Monate lang kein Gehalt bekommen. So etwas würde hier nicht passieren."

Daß auch in Deutschland nicht alles reibungslos funktioniert, hat Bele schon bei seiner Ankunft in Hamburg erfahren müssen. Drei Stunden wartete er am Hauptbahnhof vergeblich darauf, daß ihn jemand abholt. Bele nimmt es mit südamerikanischer Gelassenheit: "No problem! Dafür waren die nachher alle ganz nett zu mir."

Am liebsten würde er gleich hierbleiben. "In Brasilien wissen wir nicht viel über Deutschland", erzählt Bele, "außer daß die Leute hier sehr diszipliniert sind und die Ordnung lieben." Das ist es auch, was ihn am deutschen Fußball fasziniert. "In Brasilien ist der Einzelspieler wichtiger, hier steht die mannschaftliche Taktik im Mittelpunkt."

Fußball spielen würde er auch, wenn man damit kein Geld verdienen könnte. "Aber wenn man mit Fußball reich werden kann, um so besser." Bele weiß auch schon, was er mit dem Geld einmal machen will. "Wenn meine Karriere zu Ende ist, gehe ich zurück nach Brasilien." Im heimatlichen Bundesstaat Rondônia will Bele später in Tourismus investieren und eine Fußballmannschaft aufbauen. "Wenn es den Leuten überall in Brasilien so gut gehen würde wie an der Südküste", glaubt Bele, "dann bräuchten wir zum Fußballspielen auch nicht mehr nach Deutschland zu kommen."