Er jagt Schwarzarbeiter und attestiert dem Sozialismus Überlegenheit. Er gilt als linker Intellektueller und ist doch größter deutscher Umzugsunternehmer. Jetzt steht Klaus Zapf vor seinem größten Coup.

Von BARBARA MÖLLER Berlin - Er legt Wert darauf, der Größte zu sein. Darum klagt er gerade gegen einen Konkurrenten. Das Gericht soll öffentlich verkünden, was Branchenkenner sowieso schon wissen: Klaus Emil Heinrich Zapf ist der Größte. Der Umzugskönig der Nation.

An diesem Superlativ arbeitet er verbissen. Von morgens sechs bis abends um acht. Sonnabends ein paar Stunden und sonntags auch. Da fragt man sich, warum die neue Frau Zapf, eine 31jährige Grundschullehrerin, ihren Job aufgegeben hat. Schließlich verbringt Herr Zapf mehr Zeit mit seinem Chauffeur als mit seiner Annette. Er denke daran, sagt KEH mit leicht verträumtem Blick, demnächst irgendwann aufzuhören. So mit Mitte fünfzig. . .

Noch ist er Mitte vierzig und von dem Ehrgeiz getrieben, sein Lebenswerk mit einem Renommier-Auftrag zu krönen: dem Parlamentsumzug von Bonn nach Berlin. Die Ausschreibungsunterlagen sind gerade hinausgegangen. "Eine anspruchsvolle Aufgabe", sagt Klaus Zapf tiefstapelnd und läßt elegant durchblicken, daß dieser Mammutaufgabe nur wenige andere gewachsen wären. "Als wir noch schlechter waren", sagt er mit zufriedenem Rundumblick durchs leicht chaotische Großraumbüro, "war jeder Umzug schwierig. Da haben wir die Sache noch nicht so ernst genommen."

Spätestens seit der Wende nimmt Klaus Zapf die Sache äußerst ernst. Der Zusammenbruch der DDR hat eben vieles verändert. Nicht zuletzt die romantisierende Weltsicht eines linken Unternehmers, der dem real existierenden Sozialismus immer eine moralische Überlegenheit attestiert hatte.

Mit diesem Luxus des Spätachtundsechzigers war es 1989 vorbei. Klaus E. H. Zapf krempelte sein Unternehmen noch einmal um. Zuerst wurde der Zusatz auf den gelb-blauen Möbelwagen gestrichen. Fortan hieß es nur noch "Zapf-Umzüge" und nicht mehr "Zapf-Umzüge - mit Belegschaftsbeteiligung". Das Mitbestimmungsmodell der frühen siebziger Jahre, sagt Klaus Zapf unsentimental, sei zu diesem Zeitpunkt ohnehin nur noch noch eine Leerformel gewesen. "De facto konntest du als großer Vollstrecker doch tun und lassen was du wolltest."

Die Arbeit hat KEH bei der Gelegenheit auch neu organisiert. Vieles wird in seinem Unternehmen heute nach DDR-Muster gemacht. Packer und Träger arbeiten in festen Kolonnen. Möbel und Kartons werden in Stafetten hinauf- oder hinuntergetragen. Bevor es losgeht, kommt Klaus Zapf persönlich zur Besichtigung der Umzugsmasse: 15 bis zwanzig Wohnungen schafft er mühelos pro Tag.

270 feste Mitarbeiter beschäftigt Klaus Emil Heinrich Zapf heute in seinem Unternehmen, neunzig Prozent der Belegschaft sind sogenannte Ossis. Nicht deshalb, weil sie - Berlin ist tariffreie Zone - billiger zu haben wären, sondern weil der Chef es schätzt, wenn er sich mit seinen Mitarbeitern auch mal ein paar Takte unterhalten kann. "Das Bildungsniveau ist bei denen einfach höher, und damit sind auch andere Lebenseinsichten gegeben." Das Neunzig-Prozent-Verhältnis gilt bei Zapf übrigens nicht nur für die Möbelpacker und Fernfahrer, sondern auch für die Unternehmensspitze. So stammt unter anderem auch der Personalchef, den Klaus Zapf frotzelnd als Kaderleiter tituliert, aus den neuen Ländern.

Das Umzugsgewerbe erbringe sogenannte "Geringstdienstleistungen", pflegt Klaus Zapf etwas gallig zu sagen. Daß sich mit diesen Geringstdienstleistungen viel Geld verdienen läßt - Zapf beziffert seinen Umsatz für das Jahr 1998 auf 42,5 Millionen Mark und gibt die Rendite mit "drei bis fünf Prozent" an -, ist eine Sache. Die andere ist das offensichtlich kränkelnde Image. Den beweglichen Krempel anderer Leute von A nach B zu bewegen, sagt Klaus Zapf, sei eine archaische, schweißtreibende Tätigkeit und mit der Dankbarkeit derer, für die man sie verrichte, gerade mal während der Umzugsaktion zu rechnen.

Um "identitätsstiftend" zu wirken und das Selbstbewußtsein der Belegschaft aufzumöbeln, beauftragt Klaus Zapf von Zeit zu Zeit den einen oder anderen Künstler, der dann geduldig hinter einer Zapf-Kolonne hertrabt, um das Tagwerk der Männer zu skizzieren. Seitdem gibt es jede Menge Kunst im Bau an der ansonsten eher grauen Köpenicker Straße in Berlin. Großformatige Szenen aus dem Arbeitsleben leuchten den Kunden schon im Treppenhaus entgegen, Hingucker im Großraumbüro ist der "Packer", eine lebensgroße Holzskulptur der Berliner Bildhauerin Roswitha Schaab.

Die proletarischen Hosenträger können eben nicht täuschen, ein Blick auf den Kopf genügt - KEH ist ein verkappter Intellektueller. Einer, der mal mit Entrümpelungen angefangen hat, um ein bißchen "Kohle" aus dem Establishment herauszuleiern, und dann sein Jurastudium abbrach, weil mit der Organisation von Umzügen eben auch an das große Geld heranzukommen war. Einer, der mal redet wie ein Philosoph und im nächsten Augenblick den von der Welt angewiderten Zyniker heraushängen läßt.

Der Zapf sei einer aus der linken Bourgoisie Berlins, hat irgend jemand formuliert. Irgendwie ein Idealist und irgendwie doch keiner mehr.

Dieser Idealist hat sich in jüngster Zeit die Feindschaft der Konkurrenz zugezogen hat. Weil er den schwarzen Schafen seiner Branche ans Fell will. Zu diesem Zweck schaltete Zapf bundesweit Zeitungsanzeigen: ". . . suche Hinweise auf Schwarzarbeit, Scheinselbständige und Umzüge ohne Rechnung. . ." Deutschlands größter Umzugsunternehmer - 45 LKW, 25 Transporter, 25 Anhänger und 250 Container - verbittet sich den Vorwurf, er habe damit an das Denunziantentum appelliert. Das Gegenteil, sagt Klaus Zapf, sei der Fall. In einem Gewerbe, in dem hinten schon die Schurken am Werk seien, könne vorne einfach nichts Gutes herauskommen. Ein Unternehmer, so Zapf, habe sauber zu arbeiten: "Alles andere ist demütigend für die Mitarbeiter."