Von ANDREAS SPAETH Berlin - Vor zwei Jahren, als die Welt noch in Ordnung war, war England für die deutschen Ferienflieger weit weg. Und das fanden Condor, LTU und Hapag- Lloyd auch gut so. Denn auf der Insel war der Flug in den Urlaub schon immer um 30 bis 50 Prozent billiger als in Deutschland, und die etablierten Ferienflieger hierzulande verteidigten eisern ihr Hochpreisrevier.

Doch die paradiesischen Zeiten sind vorbei. Innerhalb nur eines Jahres ist es der britischen Charterfluggesellschaft Britannia gelungen, in Deutschland ein Niedrigpreissegment zu etablieren. Britannia-Flüge sind um bis zu 30 Prozent billiger als die der deutschen Konkurrenz, die die Briten beim Start im Novemer 1997 noch belächelt hatte. Das Erfolgsrezept der Invasoren von der Insel: knallharte Kalkulation und rigide Kostenkontrolle.

Pro Flugzeug 50 Sitze mehr als die Konkurrenten

Der Start von Britannia Airways in Deutschland war holperig. Als der Hamburger Reiseveranstalter Paul Günther 1996 von den Billigpreisen der Briten profitieren wollte und Britannia-Flugzeuge für Karibikflüge charterte, bekam er Ärger: Preise wie 999 Mark für zwei Wochen Dominikanische Republik mit Flug und Hotel schmeckten der Konkurrenz überhaupt nicht. Sie setzten die Behörden in Marsch, die im Oktober 1996 in Frankfurt prompt ein Startverbot für Britannia-Maschinen verhängten.

Als Begründung wurden nicht etwa Sicherheitsbedenken angeführt - Britannia gilt in der Branche als tadellos. Das Bundesverkehrsministerium argumentierte, man handele zum Schutz des deutschen Marktes. Flüge ausländischer EU-Gesellschaften zu Zielen außerhalb der Gemeinschaft seien nur statthaft, wenn bei deutschen Firmen keine Kapazitäten frei seien. Lachender Dritter war Condor, der die entnervten Urlauber schließlich transportieren durfte.

Doch schon bald startete Britannia, die mit 7,8 Millionen Passagieren und 29 Flugzeugen die größte Chartergesellschaft der Welt ist, mit neuen Strategien den nächsten Angriff auf den lukrativen deutschen Markt. Gemeinsam mit dem stark expandierenden Münchner Reiseveranstalter Frosch Touristik International (FTI), der sich exklusiv die Kapazitäten sicherte, gründeten die Briten im Sommer 1997 einen deutschen Ableger, die Britannia Airways GmbH. So wurde aus der britischen eine deutsche Fluggesellschaft, am 1. November 1997 startete von Berlin-Schönefeld aus die erste Boeing 767 in die Karibik.

Seitdem sind Britannia-Flieger auch Stammgäste in Fuhlsbüttel. Die Maschinen sind meist gut gebucht, kein Wunder bei den günstigen Preisen, die FTI offeriert: Ein einfaches Hotel in der Dominikanischen Republik ist für zwei Wochen schon für 1398 Mark zu haben - alles inklusive. Für ein Vier-Sterne-Hotel sind 2298 Mark fällig. Solche Offerten sind nur möglich, weil Britannia die Tarife deutscher Ferienflieger stets unterbietet.

"Der Hauptfaktor ist die engere Bestuhlung", erklärt Peter Steiner, kürzlich ausgeschiedener Geschäftsführer von Britannia Deutschland. Denn Britannia baut wesentlich mehr Sitze in die Kabine als deutsche Gesellschaften. In einer Boeing 767 von LTU finden 276 Fluggäste Platz. Britannia hingegen installierte in ihren Maschinen auf demselben Raum 328 Sitze. Der Sitzabstand, eines der entscheidenden Bequemlichkeits-Kriterien auf einem langen Flug, ist mit 76 Zentimetern kürzer bemessen als etwa bei Condor, wo man die Beine 81 Zentimeter weit ausstrecken kann. Außerdem sind die Sitze im Billigflieger erheblich schmaler, ebenso die Gänge.

Mit den Niedrigpreisen hat sich Britannia eine neue Zielgruppe erschlossen, die vorher kaum für Fernreisen zu ködern war. "Wenn die Leute ein Drittel gegenüber der Konkurrenz sparen können, nehmen sie gerne weniger Platz in Kauf", sagt Steiner. Während am Bordservice nicht gespart wird, achtet die Firma ansonsten extrem auf ihre Kosten. "Unsere Gehälter liegen um etwa zehn Prozent unter denen der Konkurrenz", verrät er. Auch die Hauptverwaltung ist kein prächtiger Glaspalast, sondern ein schlichter Zweckbau im Gewerbegebiet Waltersdorf, unweit vom Flughafen Berlin-Schönefeld. Um Landegebühren zu sparen, startet Britannia auch von kleinen Provinzflughäfen wie Hahn in Rheinland-Pfalz.

Das Geschäftsjahr 1998 war für Britannia und FTI ein voller Erfolg. 440 000 Fluggäste wurden befördert, obwohl bis Mai nur ein Flugzeug zur Verfügung stand. FTI, bis vor kurzem mit zwölf Prozent an dem Ferienflieger beteiligt, verzeichnete allein aus der Zusammenarbeit mit Britannia einen Umsatz von 220 Millionen Mark. Britannia, so wird stolz verkündet, sei bei Flügen in die Dominikanische Republik bereits Marktführer in Deutschland, außerdem stehen Ziele wie Sanford bei Orlando in Florida, Banjul in Gambia und das mexikanische Cancun angeflogen, ferner stehen Kuba und Jamaika auf dem Flugplan.

Langfristig brauchen die Briten neue Partner

Doch trotz des Erfolgs mit FTI wird sich Britannia in Deutschland schon bald einen neuen Partner suchen müssen. Denn die Münchner haben sich vor einem halben Jahr mit dem britischen Reiseveranstalter Airtours verbündet, der mit knapp 30 Prozent bei FTI einstieg. Das Problem: Airtours ist der schärfste Konkurrent von Großbritanniens größtem Veranstalter, der Thomson Travel Group, zu der auch Britannia gehört. Die Verträge zwischen Britannia und FTI laufen noch bis zum Jahr 2001. "Was dann kommt, wird man sehen", sagt FTI-Chef Dietmar Gunz, der bereits im März unter dem Namen FlyFTI mit eigenen Flugzeugen starten will.

Ein Experiment mit den britischen Billigfliegern macht derzeit der Reiseveranstalter Alltours, der als Aldi der Reisebranche gilt: Er läßt seinen Kunden die Wahl, ob sie mit Condor oder mit Britannia fliegen möchten. Exakt dasselbe Hotel kostet mit Condor-Flug rund 150 Mark Aufpreis. "Wir dachten anfangs, die Kunden würden aufgrund des Preises eher Britannia buchen, aber Condor ist nach wie vor gefragter. Viele Urlauber zahlen immer noch für ein Mehr an Qualität", sagt Alltours-Vertriebsdirektor Michael Musehold.

Die deutschen Ferienflieger haben deshalb bisher auch nicht nennenswert auf die neue Konkurrenz reagiert. "Bei uns gab es weder Preissenkungen noch Produktänderungen", sagt Condor-Sprecher Herbert Euler. "Das", so Musehold, "haben sie noch nicht nötig."