Von ELISABETH STIMMING Sie ist abgetakelt und trägt ein schäbiges Polyesterkleid, doch der Kenner sieht sofort: Sie ist eine echte Lady. Mit der Zwölf-Meter-Rennjacht "Romeo" kommt ein historisches Prachtstück zurück nach Hamburg - sie wurde im Jahr 1912 auf der Werft Max Oertz am Reiherstieg gebaut. "Die wenigen noch existierenden Schiffe dieser Art werden von ihren Eignern normalerweise gepflegt wie alte Bugattis", sagt Joachim Kaiser. Kaiser ist Spezialist für historische Schiffe unter Segeln und Koordinator für Schiffbauprojekte im ABM-Verein Jugend in Arbeit.

Die "Romeo" hat ein bewegtes Leben hinter sich, mehrfach wurde sie umgetauft und umgetakelt. Zuletzt segelte sie der Eigner Friedrich Goebel aus Offenbach. Er schenkte das Schiff nach 22 Jahren nun dem Hamburger ABM-Verein, der sich mit der Restaurierung historischer Schiffe, unter anderem der Senatsjacht "Schaarhörn", einen Namen gemacht hat.

"Normalerweise trennt sich keiner von einem solchen Schiff", sagt Kaiser. Doch Goebel hatte Pech bei einer Regatta im Mittelmeer am 12. September 1998: Ein ebenfalls von Max Oertz gebautes Schiff verhedderte sich im Rigg der "Romeo" und riß ihren Mast herunter. Goebel gab nicht zuletzt aus gesundheitlichen Gründen die "Romeo" ab.

Die Rennjacht lief unter dem Taufnamen "Heti" vom Stapel. Max Oerz (1878 bis 1929) war damals bereits führend im deutschen Jachtbau. Kaiser: "Vor dem Ersten Weltkrieg gab es kaum eine Segelregatta, in deren Siegerliste nicht eine Oertz-Jacht stand." 1907 hatte er die erste Zwölf-Meter-Jacht für einen Holländer gebaut. Friedrich Krupp von Bohlen-Halbach bestellte daraufhin die Schonerjacht "Germania" bei Oertz, Kaiser Wilhelm II. ließ seine vierte und fünfte "Meteor" von Oertz konstruieren. Die Phantasie des Schiffbauers mit dem Ehrendoktortitel und Mitbegründer des Flughafens Fuhlsbüttel reichte weiter: In den 20er Jahren erfand er das energiesparende Oertz-Patentruder, mit dem auch der Lloyd-Schnelldampfer "Bremen" ausgerüstet wurde.

Die "Heti" war von einem Segler aus Lübeck in Auftrag gegeben worden, die einzige Zwölf-Meter-Jacht, die Max Oertz je für deutsche Rechnung gebaut hatte. Ein stolzes Schiff: 20 Meter lang der Rumpf, zwölf Meter lang die Wasserlinie, einmastig gaffelgetakelt. 1923 kaufte Max Hamers aus Berlin das Schiff und legte es auf den Wannsee. Was ihm die Jacht bedeutete, sagt der neue Name: "Traum".

Die "Traum" wurde Anfang der 30er Jahre nach Kiel verlegt und vom einmastigen Kutter zur Yawl umgeriggt. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs kam Hamers bei einem Tieffliegerangriff ums Leben, das Schiff wurde später von den Alliierten beschlagnahmt und diente kurze Zeit als Hausboot. Als "Seeschwalbe" kam es nach dem Krieg zur Hanseatischen Jachtschule nach Glücksburg. 1967 kauften zwei Hamburger Segler das Schiff und ließen es auf einer Werft auf Finkenwerder umbauen. Dabei bekam der hölzerne Rumpf ein Polyesterkleid verpaßt und dazu gleich noch eine Hochtakelung.

"Saturn" wurde die Jacht getauft und segelte von da an wieder Regatten. 1978 kaufte Friedrich Goebel die Jacht und legte sie als "Romeo" in den Hafen von Imperia in Norditalien. "Romeo", so ist in Fachzeitschriften zu lesen, räumte in schöner Regelmäßigkeit Trophäen ab - bis ihr ein anderes Schiff in die Quere kam. "Das Besondere an dieser Jacht ist, daß sie ununterbrochen unter deutscher Flagge fuhr", erklärt Joachim Kaiser.

Am Montag soll die "Romeo" an Bord des Container-Frachters "Ambition" der Reederei Contship am Terminal Burchardkai ankommen. Anschließend fährt sie auf eigenem Kiel in den Harburger Binnenhafen zur Jöhnk-Werft. Die Kosten für die Rückführung aus Italien tragen die Reederei und das Terminal, Organisator der Aktion ist die Handelskammer Hamburg. Nun hoffen alle, daß der Verein Jugend in Arbeit den Auftrag für die Restaurierung bekommt.

Bis das entschieden ist, liegt das Schiff trocken und sicher in Harburg. Wieder im Originalzustand, soll die "Romeo" Eigentum einer neu zu gründenden Hamburger Stiftung historischer Schiffe werden und später im vorgesehenen Hafen-City-Museumshafen im Sandtorhafen liegen.