M.F. Hamburg - "So etwas", sagte ein Mann, nachdem das sechsbeinige Ungeheuer letztmals unter fürchterlichem Ächzen in die Knie gegangen war, "so etwas hätte sich eine Frau niemals ausgedacht." Dies - dem Herrn sei Dank - war durchaus als Kompliment gedacht. Denn es fehlte der Charme des Spielerischen, die anarchische Chaotik des technisch Unwägbaren.

Wir durften die bis ins letzte vorbereitete Geburtsstunde eines stählernen, mit Schläuchen und Kabeln, Kompressoren und allerlei technischem Schnickschnack versehenen Monsters miterleben, dessen Geburtshelfer im Kreißsaal der Halle 6 auf Kampnagel mit eherner Miene dem sperrigen, mit 500 Kilo übergewichtigen Kind "Exoskeleton" auf die Welt half. Stelarc, der australische Techno-Tüftler und Cyborg-Bastler, hatte der Vision einer laufenden Menschen-Maschine Beine gemacht.

So unqualifiziert kann nur eine gänzlich ignorante, dem technischen Fortschritt leidenschaftslos gegenüberstehende Frau urteilen, mögen jene vorwiegend jungen Männer denken, die mit wissenden Mienen die Druckluftzylinder tätschelten, die dem jetzt starren und stummen Wesen ein ziemlich ungelenkes Leben eingehaucht hatten.

Und irgendwie haben sie recht. Nur Neugier hatte mich getrieben, einem vielleicht weltbewegenden Ereignis beizuwohnen. Das freilich wie ein Feuerwerk verpuffte, dem die Glitzermunition ausgegangen ist. Sensationslüsterne Naturen wie ich hätten es nicht ungern gesehen, wenn Stelarc, auf seinem sechsbeinigen Befehlsstand angeschnallt und verkabelt wie Kosmonauten in ihren Raumkapseln, mitsamt seiner Erfindung gen Himmel gebraust wäre. Das wäre doch was gewesen!

Dabei hatte diese knickebeinige Dampf- und Kampfmaschine zunächst etwas durchaus Faszinierendes, wenn sie sich, über Sensoren und eine Fernbedienung von Stelarc gesteuert, mit aggressiv hämmerndem Kompressoren-Gebrüll in Bewegung setzte. Mit zuckenden Spinnenbeinen tastete sie wie ein lauerndes Insekt in Seitwärtsbewegungen den Kampnagel-Boden ab, piaffierte wie ein rheumatisch steif gewordenes Pferd und kam in schaukelndem Trab den in respektvoller Entfernung sitzenden Zuschauern so nah, daß sie die Füße anzogen.

Daß dieses optisch skurrile, einer Seespinne nicht unähnliche, furzende, krachende, stöhnende, wie ein Blasebalg die Luft ausstoßende und ohrenbetäubend wieder einsaugende Konstrukt nicht Pirouetten drehen würde wie ein Tänzer, das war klar. Aber irgendwie empfand ich die "Choreographie" der laufenden Maschine als arg beschränkt. Einzige schnelle Bewegungen waren die 180-Grad-Drehungen von Meister Stelarc, wenn er dieses "Geschöpf" steuerte.

Auch die philosophische Frage, ob diese Maschine als innere steuernde Stimme des Homo sapiens, als konsequente Weiterführung seines Körpers, an den Grundfesten des menschlichen Seins rüttelt, kann ich nur mit Nein beantworten.

Bleibt allein das Staunen über einen zur Kunstform geadelten technischen Kraftakt.