Permanente Heiserkeit kann aufregend klingen, bedeutet aber oft eine Gefahr für die Stimmlippen.

Der Lärmpegel im Klassenzimmer ist hoch. Die Halbwüchsigen haben offenbar kein großes Interesse an den Ausführungen des Lehrers. Der Pädagoge hebt die Stimme und spricht lauter. Und lauter und lauter. Am Nachmittag knarrt seine Stimme, und sein Kehlkopf schmerzt. Am nächsten Morgen und das ganze Schuljahr über das gleiche Problem. Irgendwann ist die Stimme kaputt. Der Lehrer leidet unter permanenter Heiserkeit, im Fachjargon hyperfunktionelle Dysphonie genannt.

Viele Menschen, die in Sprechberufen arbeiten, sind von dieser berufsbedingten Heiserkeit betroffen. Zu ihnen zählen neben Lehrern hauptsächlich Erzieher, Sänger, Pfarrer und Politiker. Und die Zahl der Betroffenen steigt stetig an. Bestes Beispiel sind die heiseren Kratzgeräusche von Fußballtrainern, nachdem sie 90 Minuten schreiend und brüllend am Spielfeldrand entlanggelaufen sind.

Die Stimmbildung ist ein komplexer Vorgang, bei dem mehr als 100 Muskeln in Bauch, Brust, Hals und Kopf aktiviert werden müssen. Die wichtigste Rolle im Geschehen spielt jedoch der Kehlkopf. In seinem Innern spannen sich zwei etwa 18 Millimeter lange Muskeln, die Stimmlippen, die eigentliche Quelle der Stimme. Sie liegen beim Sprechbeginn locker beieinander. Erst der Luftstrom des Ausatmens versetzt sie in Schwingungen. Ihr Kontakt wird dabei kurzfristig aufgehoben und sofort wieder geschlossen, wodurch der primäre Kehlkopfton entsteht. In den Resonanzräumen von Rachen, Mund- und Nasenhöhle erhält er seine Klangfarbe, die typische, meist unverwechselbare Stimme entsteht. Zu den Kriterien dieser Unverwechselbarkeit der Stimme gehört ihre Dynamik. Sie entscheidet über die Lautstärke und welche Steigerungsmöglichkeiten vorhanden sind. Die Frequenz, also ob hoch oder tief gesprochen wird, ist ein weiteres bestimmendes Merkmal.

Bei Menschen mit permanenter Heiserkeit sind die Stimmlippen nicht mehr glatt, sondern angeschwollen mit dicken geröteten Rändern. Zeichen der permanenten Überanstrengung, und sie sind längst nicht mehr so flexibel wie bei einer gesunden Stimme.

Ein weiterer Aspekt der Stimmstörung ist nach Ansicht von Erwin Löhle, Leiter der phoniatrischen Abteilung der HNO-Universitätsklinik Freiburg, daß die Menschen häufig zu hoch sprechen. Dies bedeutet, daß sie mehr Kraft und mehr Spannung als nötig aufwenden müssen. Je angespannter die Stimmlippen sind, desto rauher wirkt die Stimme.

Neben der Überbelastung der Stimme, die zu der hyperfunktionellen Dysphonie führen kann, gibt es noch äußere Bedingungen, die zu Stimmproblemen führen können. Gerade in Klassenzimmern ist die Luft oft viel zu trocken und heiß, was die Schleimhäute, die die Stimmlippen umkleiden, zum Austrocknen bringt. Auch Allergien gegen Pollen und Hausstaub können zu den Beschwerden führen. Veränderungen an der Stimme können aber auch durch psychische Einflüsse entstehen.

Auch die Stimme muß einmal geschont werden

"Menschen in Sprechberufen sind mit Hochleistungssportlern zu vergleichen", sagt Löhle. Diese müssen ihre wichtigen Muskelgruppen trainieren, sonst ist es bald mit der Leistung vorbei. Das gleiche gilt auch für professionelle Sprecher, aber nur wenige sind sich dessen bewußt. Heisere Menschen sollten ihre Stimme schonen, aber dafür bleibt häufig keine Zeit, weil der Druck des Arbeitsalltags zu groß ist. Welcher Sänger eines Theaters kann es sich leisten, wegen einer kleinen Erkältung zwei Wochen zu pausieren? Doch so kann aus der Heiserkeit leicht eine chronische Stimmstörung werden, wobei sich kleine Knötchen auf den Stimmlippen bilden können. Wie ein Reibeisen klingt dann die Stimme. Manche mögen es sexy finden, wie Louis Armstrong oder Joe Cocker zu sprechen, für die Stimmlippen aber ist es eine Qual. Dann ist es höchste Zeit für eine logopädische Behandlung.

"Erster Schritt einer Therapie ist die körperliche Entspannung", sagt Adelheid Nebel von der Freiburger Schule für Logopädie. Die Entspannung geht einher mit einem klareren Bewußtsein für die Atmung, und die Patienten erfahren oft ein völlig neues Körpergefühl. Am Ende der Behandlung sollten sie in der Lage sein, in Sprechpausen die Stimmlippen kurzfristig zu entspannen.

"Ziel einer Stimmtherapie ist ein optimaler und beschwerdefreier Stimmgebrauch. Dazu gehört physiologisches Atmen und gute Stimm- und Lautbildung", sagt die Expertin. Die Therapie, die normalerweise nach rund 30 Stunden abgeschlossen ist, führt zum Wissen, wie die Sprecher in Streßsituationen mit ihrer Stimme umgehen müssen.

Hormonveränderungen beeinflussen den Klang

Eine gute Stimme ist wichtig. Ob im Beruf oder im Privatleben, eine wohlklingende Stimme gibt jeder Unterhaltung einen freundlichen Anstrich. Schon in der Antike übten schöne Stimmen eine große Anziehungskraft aus. Odysseus ließ sich beispielsweise vom Gesang der Sirenen betören.

Auch in unserer modernen Gesellschaft kommt es auf den "guten Ton" an. Nicht nur der Inhalt entscheidet häufig über Erfolg oder Mißerfolg eines Gesprächs, auch die Klangfarbe der Stimme trägt erheblich zum Ergebnis mit bei. Starkes Rauchen oder exzessiver Alkoholgenuß kann allerdings den Klang der Stimme ungewollt verändern.

Versagt die Stimme, müssen dafür nicht immer äußere Umwelteinflüsse oder eine Überbeanspruchung von Kehlkopf und Stimmbändern verantwortlich sein. Auch die Geschlechtshormone haben einen entscheidenden Einfluß auf den Klang unserer Stimme. Am auffälligsten ist ihre Wirkung während der Pubertät, wenn sich beim Jungen der sogenannte Stimmbruch bemerkbar macht. Männliche Geschlechtshormone, die Androgene, sorgen dafür, daß die helle, klare Knabenstimme allmählich tiefer und erwachsener klingt.

Auch bei der Frau wird der Stimmklang in entscheidendem Maß durch ein ausgeklügeltes Wechselspiel von Hormonen gesteuert. Die Wahl einer geeigneten Antibabypille kann daher für Frauen von großer Bedeutung sein. Ein Großteil aller Pillen enthält neben einem Östrogen auch Gestagene, die eine androgene, also "männliche" Wirkung besitzen. Ihre Einnahme kann dazu führen, daß das hormonelle Gleichgewicht am Kehlkopf gestört wird. So lassen sich beispielsweise Heiserkeit und ein Absinken der Stimmlage auf die androgene Wirkung einer solchen Antibabypille zurückführen. Das Wissen darum kann nicht nur für Sängerinnen, sondern auch für Frauen, die auf eine wohlklingende Stimme angewiesen sind, entscheidend sein.