24 Jahre lang leitete Günther Helm die staatliche Vogelschutzwarte Hamburg. Gestern ging er in Pension, doch vom Naturschutz verabschiedete er sich nicht. Bei seiner Arbeit erlebte Helm immer wieder, wie Vogelschutz hinter anderen Interessen zurückstecken mußte. Obwohl der 63jährige oft am Rande der Resignation stand, machte er weiter. Auch jetzt. Als nächstes steht die Rettung der Winsener Marsch auf dem Programm.

Als Günther Helm im Mai 1974 die Leitung der Vogelschutzwarte übernahm, hatte sie die Anfänge des Vogelschutzes längst hinter sich gelassen. Bei ihrer Gründung im Jahr 1906 galten die Gefiederten hauptsächlich als nützliche Schädlingsvertilger und deshalb als schützenswert.

Zahlreiche "Vogelschutzgehölze" wurden damals angelegt - als Versuchsflächen, auf denen Biologen erkundeten, wie sich die Zahl der Singvögel am effektivsten mehren läßt. Helm: "Das wesentliche Merkmal der Gehölze war eine Unzahl von Nistkästen. Und Auswertungen der Bruterfolge waren Gegenstand zahlreicher Diplomarbeiten."

In den 60er Jahren rückten Insektengifte der Chemie-Industrie die Bedeutung der Vögel als nützliche Schädlingsvertilger in den Hintergrund. Langsam erhielt der ökologische Gedanke Einzug. "1974 stand bereits die Bedrohung einzelner Vogelarten im Vordergrund", erzählt Helm. "Wir arbeiteten mit Roten Listen und entwarfen sogenannte Artenhilfsprogramme, die vor allem darauf abzielten, den Lebensraum seltener Arten zu schützen." Drei Biotop-Typen standen und stehen noch heute im Mittelpunkt: Feuchtgebiete, Moore und Trockenrasen.

Während seiner 24 Dienstjahre als Chef der Vogelschutzwarte habe sich die Situation der Vögel in Hamburg stetig verschlechtert, bedauert der Naturliebhaber. Dies betreffe vor allem die Wiesenvögel. Ein wesentlicher Faktor sei die Landwirtschaft. Selbst die Extensivierungsprogramme der Umweltbehörde habe den Rückgang nicht aufhalten können. Dazu komme die erhöhte Belastung durch Freizeitsportler und Naherholung.

Auch der Fall der Mauer habe die Vogelwelt beeinflußt, sagt Helm: "Hamburg bekam ein größeres Hinterland. Industrielle Brachflächen wurden wieder genutzt. So verschwanden im Hafen viele der nahezu störungsfreien Kurzzeitparadiese."

Dabei sollte es sich die Weltstadt Hamburg leisten können, Flächen für die Natur zu reservieren, befindet Helm. "Naturschutz ist Denkmalschutz im Grünen. Vor Gründung der Umweltbehörde war er in der Kulturbehörde angesiedelt." Dazu passend fällt der Kommentar des Vogelschützers zur geplanten Verbauung des Mühlenberger Loches aus: "Die Bedeutung dieses größten Süßwasserschlickwattes der Erde ist vergleichbar mit der des Kölner Doms. Doch den würde man sicherlich nicht dem Flugzeugbau opfern."

Niederlagen der Natur kann der Pensionär nur schwer verschmerzen. 1991 bekam er Herzprobleme. "Damit ich nicht verrückt wurde, habe ich 1992 wieder zum Pinsel gegriffen und mir den Frust von der Seele gemalt", erzählt Helm, der freie Malerei und Kunstgeschichte studierte. Seitdem entstanden mehr als 100 surreale Ölbilder mit bezeichnenden Titeln wie "Waldgeister" oder "Ölunfall".

Inzwischen hat Helm den Pinsel mit einem Federhalter getauscht, denn er schreibt an einem Buch über den Naturraum Hamburg. Helm: "Die Hansestadt ist ein bevorzugtes Gebiet, was die Artenvielfalt angeht, denn es gibt hier sehr unterschiedliche Lebensraum-Typen." Die grünen Kostbarkeiten will er den Städtern nahebringen, aber auch auf politische Fehlentscheidungen hinweisen.

Wie in den vergangenen 24 Jahren, wird Günther Helm weiterhin an Ort und Stelle nach dem Rechten schauen. Und das in nächster Zeit vor allem in der Winsener Marsch - "ein Juwel, was die Artenliste der dort vorkommenden Vögel angeht". Die Region werde derzeit nicht ausreichend von den insgesamt 100 Aktiven abgedeckt, die der Vogelschutzwarte ehrenamtlich zuarbeiten. Und die örtliche Verwaltung einfach überfordert.

Gerade erst, so Helm, habe dort ein Bagger in einer künstlich geschaffenen Wasserwildnis Klei für den Deichbau entnommen und dabei die Nester von seltenen Wasservögeln zerstört - "eigentlich hatte ich nicht vor, mich nach der Pensionierung weiterhin so stark zu engagieren", sagt Günther Helm, "aber ich kann einfach nicht zugucken, wenn so ein Mist passiert." hi