Von ANDREAS BURGMAYER Das Ganze hat Zille-Romantik: ein Klinker-Mietshaus im Hinterhof mit altem Baumbestand und Erlebnisspielplatz, mitten im Arbeiterstadtteil St. Pauli. Doch wer an der Susannenstraße 9 b hinter die Fassade schaut, entdeckt ein haarsträubendes Chaos: Ein tote Ratte liegt zusammengekrümmt im Abstell-Schacht der Mülleimer. Im Treppenhaus bröckelt der Putz in handtellergroßen Stücken. Die Holztreppe ist durchgeschimmelt, das ganze Haus ist von Pilzen befallen. "Unterm Dach", sagt Mieter Frank Post (29), "da kannst du an schönen Tagen sogar den blauen Himmel sehen." Und wenn es regnet, dann ergießen sich die Wassermassen durch den "Ausguck" und laufen in Bächen die Treppe runter.

Der Verantwortliche des maroden Desasters ist ein Phantom: Henning Conle, Immobilien-Besitzer aus Duisburg. Weder die Hamburger Behörden noch die Mietervereine haben Conle je gesprochen, geschweige denn zu Gesicht bekommen. Klar ist nur seine Masche: Mit maroden Altbauten will er die schnelle Mark machen. Allein in Hamburg besitzt Conle rund 2500 Altbauwohnungen. Die Vermietung läuft nach dem Prinzip: Der Mieter bekommt eine günstige Wohnung und akzeptiert dafür den maroden Zustand.

An der Susannenstraße 9 b ist es mit der Akzeptanz schon lange vorbei. "Demnächst zieht hier noch meine Freundin mit unserem gemeinsamen einjährigen Kind ein", sagt Frank Post. Und der BWL-Student fügt an: "Der Pilzbefall im Haus, die ganzen Sporen in der Luft - da bekomme ich als Vater ziemlich Angst." Als Post im Mai die 27 Quadratmeter-Wohnung im Erdgeschoß für 500 Mark bezog, dachte er sich: Prima, eine günstige Bude mitten in der Innenstadt und nahe der Uni. Doch bald hörte er unter der Treppe "eine Ratte fiepen" und watete bei starkem Regen durch das Wasser im Treppenhaus.

Noch heftiger hat es Mieter Rolf Galli im zweiten Stock erwischt: Bei ihm kommt das Wasser in der Küche durch die Decke. Seit zwei Monaten hat Galli deswegen keinen Strom mehr in Bad und Küche: Die Feuerwehr hat den Saft abgestellt, weil Wasser in den Stromleitungen herunterläuft. Galli minderte deswegen seine Miete um 50 Prozent.

Vergangene Woche rückten die Bauprüfer und Wohnungspfleger vom Bezirksamt Mitte zur Bauprüfung an. "Phantom" Conle bewegte sich zum erstenmal: Er schickte einen Renovierungstrupp: "Die sind hier in weißen Anzügen mit Atemschutz aufgelaufen. Die wußten wohl, was sie erwartet", sagt Frank Post. Doch was der Trupp im Haus erledigt ist Flickschusterei: Dort, wo Schimmel oder Pilze zu sehen sind, wird der Putz einfach runtergeholt. Auf dem Dachboden wird Sperrmüll über morsche Stellen in der Decke geschoben. Alle Eimer, die Regenwasser auffangen sollen, verschwinden.

Die Bauprüfer schlagen bei der Besichtigung trotzdem die Hände über dem Kopf zusammen: Bei der Lehmdecke von Rolf Galli besteht womöglich Einsturzgefahr. "Wir fordern, daß Sachverständige den Dachstuhl auf Wasserschäden überprüfen", sagt Gerthold Roch, Sprecher des Bezirksamtes Mitte. Die Bauprüfer seien aber der Meinung, daß nach den ersten "Renovierungsarbeiten" wohl kein Wasser mehr einsickern würde, sagt Roch.

Etwas härter drückt das Eve Raatschen vom Verein "Mieter helfen Mietern" aus: "In diesem Haus zu leben bedeutet fast schon Lebensgefahr." Das Bezirksamt müsse eine Instandsetzungs-Aufforderung gegenüber Conle abgeben: "Wenn er das Haus dann nicht ordentlich renoviert, drohen ihm bis zu 100 000 Mark Strafe", sagt Raatschen.

Es ist zu befürchten, daß Conle hart bleibt: Was sind schon 100 000 Mark für einen Immobilien-Besitzer, dem allein in Hamburg Häuser im Gesamtwert von runden 42 Millionen Mark gehören. Außerdem stünde, so "Mieter helfen Mietern", dieses Verhalten ganz in der Tradition der Familie Conle: "Der Vater und der Onkel von Henning Conle waren Architekten in Duisburg. Angeblich sollen sie öffentliche Aufträge über Bestechungen ergattert haben", sagt Eve Raatschen. Mit dem Erbe der beiden startete der Sohn sein zweifelhaftes Immobilien-Geschäft.