Von PETER U. MEYER Es hat einen Hauch von Putsch: Die SPD-Bürgerschaftsfraktion wird ein komplett neues Führungs-Trio erhalten. Nachdem Bürgermeister Ortwin Runde mit den SPD-Mitglledern im Senat ein Zeichen für Kontinuität setzt, wagt das zweite SPD- Machtzentrum - die 54köpfige Fraktion - ein Signal des Aufbruchs und der Erneuerung.

An die Spitze der Bürgerschaftsfraktion wird voraussichtllch der Sicherheits-Experte Holger Christier rücken. Der erfahrene Parlamentarier (seit 1982 Abgeordneter) ist ein Vertreter des Mitte-Rechts-Lagers. Ihm zur Seite sollen der Partei- Linke Walter Zuckerer, Vorsitzender des Haushaltsausschusses, und Petra Brinkmann, ebenfalls aus dem Mitte-Rechts-Lager, als Stellvertreter stehen.

Seit gestern ist sicher, daß die drei Amtsinhaber nicht weitermachen. Vor der Fraktion erklärten die bisherige Fraktions-Chefin Elisabeth Kiausch und die beiden Vize Jan Ehlers und Ingo Kleist ihren Rücktritt. "Wir bereiten den Weg für eine unvoreingenommene Entscheidungsfindung der Fraktion (für die Nachfolge, die Red.) jetzt mit unserer Entscheidung vor, künftig für ein Spitzenamt in der Fraktion nicht zur Verfügung zu stehen", heißt es in einer Erklärung.

Der unspektakuläre Satz verbirgt die Dramatik des Ringens hinter den Kulissen. Die drei Amtsinhaber müssen schnell den Eindruck gewonnen haben, daß der Versuch, erneut zu kandidieren, relativ chancenlos ist. Vorausgegangen waren hektische Telefonate, in denen für die neuen Kandidaten geworben wurde und die neuen Mehrheiten festgezurrt werden sollten.

Innerparteiliche Balance

Der Personalvorschlag ist erkennbar der Versuch des Mitte- Rechts-Lagers, wieder Statur zu gewinnen. Mit Runde ist erstmals ein linker Bürgermeister, mit Jörg Kuhbier ebenfalls ein Linker Parteichef. Um die inner- Earteiliche Balance einigermaen zu wahren, müssen die Partei-Rechten den Fraktions-Chef stellen. Die Partei-Rechte Elisabeth Kiausch war vor zwei Jahren als Chefin im letzten Moment eingesprungen, weil die Linken sich in der Führungsfrage rettungslos zerstritten hatten. Frau Kiausch stand jedoch auch im eigenen Lager in der Kritik.

Nach Information des Abendblatts kam es gestern zu einer heftigen Auseinandersetzung der beiden mächtigen Vertreter

des rechten Lagers: Ex-Fraktions-Chef Günter Eiste, Vorsitzender der Wandsbeker SPD, und Bausenator Eugen Wagner, Chef der Mitte-SPD. Wagner hatte auf Kontinuität gesetzt, was in seinem Fall bedeutete, daß sein Parteifreund Ingo Kleist (er kommt aus dem Kreis Mitte) Vize bleibt. Auch gegen eine erneute Kiausch-Kandidatur hatte Wagner nichts einzuwenden.

Kreis Nord "gut bedient"

Eiste machte dem Senator dagegen klar, daß dieses Mal die Wandsbeker am Zug und neue Köpfe gefragt sind. Die mitgliederstarke Wandsbeker SPD, die vor kurzem mit Voscherau noch den Bürgermeister stellte, ist nicht mehr im Senat vertreten. Ironie am Rande: Der von Eiste ins Spiel gebrachte Christier entstammt der SPD-Mitte, ist aber bei Wagner nicht wohl gelltten.

Eiste hatte in seiner Zeit als Fraktions-Chef den Gymnasiallehrer stetig gefördert. Zuletzt erwarb sich Christier Anerkennung als Vorsitzender des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses "Hamburger Pollzei". Der Kreis Wandsbek soll an der Spitze durch Petra Brinkmann vertreten werden.

Spannend dürfte werden, ob die Partei-Linke den Vorschlag akzeptiert, Zuckerer zum zweiten Vize zu wählen. Zuckerer gehört dem mehrheitllch Unken SPD-Kreis Altona an. Protest dürfte unter anderem von den Nord-Linken kommen, die mit Jan Ehlers bisher in der Spitze vertreten waren. Im Gespräch als Fraktionsvize ist auch Anke Hartnagel aus der SPD Nord. Denkbar ist aber auch, daß zur Lösung des Problems der Posten einer parlamentarischen Geschäftsführern! geschaffen wird.

Aber: Der Kreis Nord ist mit Ortwin Runde als Bürgermeister in den Augen von SPDlern andere linker Parteikreise schon "gut bedient", zumal mit Heigrit Fischer-Menzel noch eine zweite Vertreterin des Kreises im Senat ist. Altona ist bei den Spitzenämtern bislang dagegen leer ausgegangen. Zuckerer genießt dar- über hinaus als Haushaltspolitiker und guter Redner Akzeptanz über die Flügelgrenzen hinweg.

Im Lager der Partei-Rechten hatte D AG-Chef Uwe Grund lange als neuer Hoffnungsträger gegolten. Doch Grund hätte sich von seinem Gewerkschafts-Job trennen müssen, um an die Spitze der Fraktion zu rücken. Beide Amter gelten in der SPD als unvereinbar, weü die Positionen beider Organisationen nicht immer deckungsgleich sind.