Von ELI HAMACHER

Hamburg - Schlag auf Schlag öffnet er neue Filialen. Noch 1994 will er seinen Kunden erstmals eine Kreditkarte überreichen. Ausgestattet mit speziellen "Bonbons". Den Katalog läßt er auf CD-Rom pressen. Ein erster Schritt in die Multimedia-Welt, in der seine Kunden per Fernbedienung im elektronischen Kaufhaus Shopping gehen. "Und Brinkmannski", witzelt Robert Meyer (39), Chef der Hamburger Kaufhauskette Brinkmann, "könnte über unserer ersten polnischen Filiale stehen."

Ein Mann voller Pläne. Die, so wirkt es, würde er am liebsten für sich behalten. Pressekonferenzen sind für das Traditionshaus tabu. "Wir müssen uns nicht verkaufen", sagt der geschäftsführende Gesellschafter und Enkel des Kaufhaus-Gründers Ernst Brinkmann. Lieber treibt er die Expansion im Stillen voran.

Allein 1993 fiel der Startschuß für fünf neue Läden. Gut 3000 Mitarbeiter beschäftigt Meyer heute in seinen 20 Filialen: Über 14 leuchtet das Logo von Brinkmann, hinzukommen vier HOT- Märkte (House of Technic) sowie zwei kleinere Geschäfte (Gold Uhren, Warter Lübeck). "In Rostock öffnen wir Mitte 1995, für fünf weitere Häuser, davon vier in den neuen Ländern, unterschreiben wir in Kürze die Verträge." Offnen sollen sie im Laufe der nächsten zwei Jahre.

1,2 Millionen Kataloge verschickt

Auf der Prioritätenliste ganz oben steht auch der Ausbau des Kataloggeschäfts. Um den 668- Seiten-starken Wälzer "schneller unter die Leute zu bringen" hat Brinkmann den Katalog in diesem Jahr erstmals kostenlos auf Postämtern verteilt oder zugeschickt. Auflage: 1,2 Millionen Stück, 400 000 mehr als bei der Premiere vor zwei Jahren.

Noch trägt das neue Standbein "weniger als zehn Prozent zum Umsatz bei, wächst aber stetig", wie Meyer sagt. Das Geschäft ankurbeln sollen zudem die Mini- Kataloge (48 Seiten) mit Preisknüllern, die die Brinkmänner seit 1993 drei- bis viermal pro Jahr verschicken sowie der telefonische Bestellservice. Begleitet von massiven Werbekampagnen, die jährlich nach Schätzungen von Insidern zweistellige Millionenbeträge verschlingen, puscht Meyer den Versand.

Wenn es um konkrete Zahlen geht, zeigt der Chef die rote Karte. Selbst Kooperationspartnern, so heißt es, nennt er nicht mal seinen Umsatz. Branchenkenner trauen der Gruppe einen Erlös von 950 Millionen bis eine Milliarde Mark zu, davon 650 Millionen in den stärksten Segmenten braune Ware (Unterhaltungselektronik) und weiße Ware (z.B. Kühlschränke). "Etwas zuwenig", kommentiert Meyer. Nur soviel will er sagen: "Am stärksten legt die Telekommunikation zu - je nach Haus zwischen zehn und 30 Prozent pro Jahr. Braune Ware läuft dagegen schlecht."

Strikte Kleiderordnung für die Mitarbeiter

Um den großen Ketten wie den Kaufhof-Töchtern Media Markt und Saturn mit 100 Läden sowie der Pro-Markt-Gruppe mit 200 Filialen (Rewe, Komet, Phora Wessendorf, Radio Wegert) Paroli zu bieten, setze er vor allem auf Service. Lieferung innerhalb von 75 Kilometern, großzügige Reklamation und Preisgarantie. Entdeckt der Kunde ein identisches Produkt beim Konkurrenten zu einem günstigeren Preis, bekommt er die Differenz zurück. Eine Leistung, die Konkurrenten wie Wiesenhavern allerdings auch bieten.

Damit die Käufer wissen, "bei wem sie auch mal eine Frage loswerden können", herrscht im Hause Brinkmann strikte Kleiderordnung. Die blau-weiß gestreiften Blusen und Hemden mit gelbem Absatz stellt Meyer immerhin seinen Mitarbeitern.

Doch "wenn's um die Mark geht" (Werbeslogan) sitzt er mit der Konkurrenz in einem Boot. Denn günstige Konditionen beim Einkauf kann nur herausschlagen, wer im großen Stil ordert. Mit der Oldenburger Carl Wöltje Foto-Film-Fernseh GmbH & Co. KG, die 180 kleine Filialen überwiegend in Norddeutschland betreibt, schloß er sich zusammen, um gemeinsam Fotoartik,el und braune Ware zu kaufen. Über den Mannheimer Schallplattengroßhandel Top Music International, an dem Brinkmann zehn Prozent hält und seine Wettbewerber Pro Markt 20 Prozent sowie Wessendorf 70 Prozent, bezieht er CD's.

Wenn's um den Gewinn geht, zückt Meyer wieder rot. "Gewinn, was ist das?" An der Kapitalstärke der Brinkmann KG will er dann aber doch keinen Zweifel aufkommen lassen: "Wir finanzieren das Wachstum fast ganz aus eigenen Mitteln." Möguch ist das wohl nur, weil aufgelaufene Gewinne stets im Unternehmen belassen wurden. Weiterer Pluspunkt: Fünf Filialen und ein Teil des Hauses an der Spitalerstraße gehören Brinkmann, so daß keine Mietkosten entstehen. "Solange wir es nicht nötig haben, kann ich mir einen Gang an die Börse nicht vorstellen." Das Geschäft bleibt fest in der Hand der Brinkmänner. Kommanditisten sind Meyers Mutter, seine Tante, die frühere Geschäftsführerin Martha Nissen und Mitarbeiter Michael Conzelmann. Auch bei der Gesellschafterstruktur setzt das Haus - ganz hanseatisch - auf Tradition.

Die Meyers, und wie alles in Harburg begann

Mai 1929: Ernst Brinkmann, 25 Jahre alt, gebürtiger Hamburger und gelernter Werkzeughändler öffnet in der Wilstorfer Straße in Harburg sein erstes Geschäft. Auf 300 Quadratmetern handelt er mit Fahrrädern, Radios und Elektrogeräten. Beste Verkäuferin im Haus: seine Frau. Zwei Jahre später folgt der zweite Laden in Kiel. Beide Filialen werden im Krieg zerstört.

1948 zieht der Unternehmer mit seinem Stammsitz in die Spitalerstraße. Brinkmann erweitert das Sortiment um Kinderwaten und Spielwaren, beschäftigt 5 Mitarbeiter. In kleinen Schritten expandiert das Familienunternehmen. Technische Kaufhäuser öffnen in Neumünster (1955), Bochum (1964), Hannover (1968) und Dortmund (1977).

Nur ein Jahr vor dem Tod des Gründers wird die Brinkmann- Story um ein dramatisches Kapitel erweitert. Eine St.-Pauli-Clique plant 1978 die Entführung des damals 76jährigen, will sieben Millionen Mark erpressen. Was sie nicht ahnen: Die Männer, die sie als Helfer anheuern lassen, sind Kriminalbeamte.

Keine Zeit für Kinder

1986 übernimmt Robert Meyer (39), Enkel von Ernst Brinkmann, die Kaufhaus-Kette. Das Rüstzeug für seine Karriere holte er sich beim Wirtschaftsstudium in England und Harvard. Unter Meyers Führung wächst das Unternehmen in eine neue Dimension. Die Zahl der Filialen hat er seitdem mehr als verdoppelt.

1987 eröffnet Meyer das erste House of Technic (HOT), das sich ausschließlich auf Elektronik spezialisiert. Seit dem Fall der Mauer geht der Gründerenkel auch in Wismar, Stralsund und Magdeburg auf Kundenfang.

Die Geschäftsführung teilt sich Meyer mit seiner Frau Ellen (47), die sich um Marketing und Werbung kümmert. Kinder haben sie nicht. "Keine Zeit", wie Meyer etwas flapsig meint. Die freien Stunden widmet das Unternehmer-Duo dem Sport. Gemeinsam haben sie gerade den Motorradführerschein gemacht, auch beim Tauchschein vor zwei Jahren traten sie im Team an. Nur einmal hat Ellen gepaßt: beim Fallschirmschein. Zweimal 14 Tage Urlaub gönnt sich das Paar im Jahr. Mit dem Jeep durch Australien, mit dem Auto quer durch Jordanien. her