Hamburger Abendblatt: Herr Senator Ehlers, was halten Sie vom Bürgermeister-Kandidaten Henning Voscherau ?

Jan Ehlers: Voscherau ist fraktionserfahren, intelligent und schnell. Das aües befähigt ihn, ein poütisches Amt wahrzunehmen, das so hohe Anforderungen stellt. Aber er muß wissen: Die nicht ganz kleine Gruppe der SPD-Linken hat es nicht immer mit Behagen erfüüt, daß er das rechte Lager der Partei so durchorganisiert hat. Besser wäre es, er besäße schon heute Erfahrung in einem Regierungsamt.

Warum wirken Sie jetzt so nachdenklich?

Weü ich meine: Voscherau läßt nur schwer erkennen, was er inhaltlich wül. Es wäre schön, könnte man von vornherein erkennen, bei Henning schimmerte tatsächüch so ein Stück einer Alternative zu Dohnanyi hervor. Deswegen hätte ich unter normalen Umständen Voscheraus Bewerbung zum Anlaß genommen, selbst zu kandidieren.

. . . und damit einen neuen Flügelstreit provoziert!

Nein. Es wäre die Chance zu einer befristeten Auseinandersetzung um inhaltliche Fragen gewesen, um eme Positionsbestimmung innerhalb der SPD zu ermögllchen. Dies hätte eher zu emer Konsensbüdung beigetragen. Das fäUt nun aus, denn ich bleibe hier. Jetzt kommt es darauf an, daß der Senat in die Lage versetzt wird, bis 1991 handwerklich soüde und verläßüch zu arbeiten.

Trauen Sie Voscherau das nicht zu?

Ich meine vielmehr, jetzt die besten Leute in den Senat zu schicken. Jetzt ist die Chance zur Veränderung. Die Kräfte müssen gebündelt werden, und keiner darf sich eingraben. Ortwin Runde wäre ein ausgezeichneter Sozialsenator!

Ist das eine Rücktrittsankündigung?

Ja, ich werde zurücktreten. Runde könnte nahtlos und mit großer Kompetenz die Sozial-, Arbeitsmarkt- und Jugendpolltik weiterführen. Angesichts der Massenarbeitslosigkeit, der steigenden Sozialhilfeausgaben, der immer wichtiger werdenden Behindertenpoütik und der unverzichtbaren Solldarität mit der älteren Generation kommt nur Runde in Frage. Ich werde den Platz für ihn freimachen. Ich plädiere darüber hinaus dafür, Horst Gobrecht als Nachfolger für Alfons Pawelczyk zu benennen.

Also eine flügelübergreifende SPD-interne Lösung?

Die SPD hat zwischen November 1986 und Mai 1987 hervorragend zusammengestanden. Wir brauchen jetzt wieder den Konsenswüien, die Absicht auf Einigung. Leider hat die Parteirechte diesen Konsens aufgekündigt gehabt. Dies war ein kardinaler Fehler. Voscheraus Kandidatur ist also eine Chance für eme neue Einigkeit. Man muß sie aber auch wollen. Voscherau ist ja nicht der einzige denkbare Kandidat. Mit Rosemarie Raab hätten wir zum Beispiel auch eine gute Kandidatin. Der Wüte zur Einigung muß zwischen Partei, Fraktion und Senat formiert werden. Dann hätte eine Lösung mit Voscherau, Runde und Gobrecht eine Perspektive. Sie würde für die kommenden drei Jahre etwas Handfestes auf die Beine stellen.

Voscherau auch als Mann der Integration?

Ich habe nicht den Eindruck, daß Voscherau sich in einen Konflikt hineintreiben Ueße, den er um den Preis gewinnen könnte, daß da eine Rest-SPD übrigbüebe, die als gestaltende Kraft ausfiele. L.R.

Der Infarkt hat seine Spuren hinterlassen

Bürgermeister Klaus von Dohnanyi bezeichnete ihn nach einschlägigen Debatten im Senat einmal als "den Wal- User" - wül sagen: Sozialsenator Jan Ehlers mangelt es nicht gerade an Durchsetzungskraft, Beharrlichkeit und Temperament. Ehlers, zusammen mit Wolfgang Curüla (Justiz), Volker Lange (Innen) und Jörg Kuhbier (Umwelt) dienstältester Hamburger Senator, hat aber auch die körperüchen Warnzeichen nach fast genau neun Jahren und elf Monaten als Landesminister erkannt - und nimmt sie ernst.

"Als ich zum ersten Male nach meinem Herzinfarkt wieder frische Luft atmete, empfand ich dies wie ein geschenktes Stück Leben", sagte er am Wochenende in Timmendorf. Bei 1200 Kalorien am Tag und viel Bewegung hat er mittlerweüe sechs KUogramm abgenommen. Der Infarkt hat Spuren hinterlassen. In sem noch von Kurzurlaub Ende März gebräuntes Gesicht haben sich neue Falten gegraben.

Dennoch wirkt er lässig und locker, hat innerüch schon Abschied genommen vom Chefsessel im der Sozialbehörde. Doch die Polltik läßt ihn nicht los, natürllch nicht. Zwar üest er erst seit einigen Tagen wieder Zeitung, und den Fernseher in seinem kleinen Apartment hinter der KUnik habe er noch nicht eingeschaltet, wie er beteuert. Aber er macht sich seine Gedanken, wie der Hamburger SPD mehr polltisches Profil und gleichzeitig mehr Geschlossenheit zu geben wäre. Da fallen Begriffe wie "Sensibüität" und "Glaubwürdigkeit", vom "lagerübergreifenden Konsens in Sachen Umweltschütz" ist die Rede und von "der Gefahr der Unterminierung des Wirtschaftssystems durch Bestechung und Nachlässigkeiten", etwa in der Atomwütschaft.

Sein Ziel es es, mit mehr Programm die SPD "auf Dauer im Norden mehrheitsfähig" zu machen. Ehlers verschnauft, und man muß sich schon bald wieder auf Um einstellen: als neuer Linker in der Bürgerschaft. L. R.