Eigener Bericht - dpa

Bonn, 2. Juli

Kein prominenter Sozialdemokrat hat im Herbst vergangenen Jahres so deutlich gezeigt, wie schwer ihm der Abschied von der Macht fiel. Er hatte Gefallen an seinem Ministersessel gefunden. Mit der Ohnmacht auf der Oppositionsbank konnte er sich schlecht abfinden. Der ehemalige Bundesfinanzminister Manfred Lahnstein ist sich deshalb letzten Endes selbst treu geblieben, wenn er der Politik den Rücken wendet, um als Vorstandsmitglied der Bertelsmann AG in der freien Wirtschaft sein hochdotiertes Glück zu suchen.

Für die SPD ist das ein herber Verlust Mit der Abwanderung Lahnsteins verliert sie eine Autorität gerade auf dem Feld, auf dem sie eingestandenermaßen entscheidend die Wahlschlacht vom März verloren hat und wo sie deshalb nach eigenem Urteil am meisten aufzuarbeiten hat: auf dem Gebiet der Wirtschaft und der Finanzpolitik.

Der ehrgeizige Lahnstein hatte in Bonn zum Typ der Senkrechtstarter gehört. 1977 war er Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, und drei Jahre später wurde er Chef des Bundeskanzleramtes. Ende April 1982 wurde er Bundesfinanzminister. Der Regierungsverlust der SPD führte den ersten unverschuldeten Karriereknick herbej. In der Fraktion stieß er auf Widerstände. Die Partei liebt keine Politiker, die viele Stufen der mühseligen "Ochsentour" überspringen. So blieb Lahnstein bei der Neuorganisation der Fraktionsspitze

unberücksichtigt

Fraktionschef Vogel gewahrte selbstverständlich das Verantwortungsdefizit dieses ehrgeizigen 45jährigen Mannes und versuchte, Lahnstein herauszuheben. Im Mai noch gewährte man ihm den Vorsitz zweier Arbeitsgruppen für Weltwirtschaft und Währung. Zu dieser Zeit war Lahnstein wegen seiner vielfältigen Kontakte auf internationaler Ebene auch für das Amt des OECD- Generalsekretärs im Gespräch.

Aber alles das konnte Lahnstein nicht befriedigen. Er war zu schnell anspruchsvoll und selbstbewußt geworden und sehnte sich nach einer Schaltstelle, an der er Politik in konkrete Ergebnisse umsetzen konnte. Auf der harten Oppositionsbank muß sich dieser Mann verloren vorgekommen sein, und er war Realist genug, um einzusehen, daß seine Partei in absehbarer Zeit nicht wieder eine gestaltende Funktion in der Regierungsverantwortung übernehmen würde.

In den letzten Wochen hat Vogel Lahnstein nahegelegt, seinen Vorstandsposten bei Bertelsmann in Einklang mit der weiteren Ausübung seines Bonner Abgeordnetenmandats zu bringen. Noch immer wollte der Oppositionsführer nicht auf die Kompetenz dieses Mannes verzichten. Aber Lahnstein sah, zu Recht, die Gefahr eines Interessenkonflikts, abgesehen von der Doppelbelastung als Wirtschaftsmanager und Politiker. Vor Jahren hatte in der SPD Alex Möller noch dieses Kunststück gemeistert. Danach niemand mehr.