In der Gerüchteküche im Ohnsorg-Theater brodelt es: Wahrheit und Vermutungen halten einander die Waage. Unbestritten ist: Günther Siegmund hat, wie gestern gemeldet, in der Sitzung des Vereins Niederdeutsche Bühne ? er ist Rechtsträger des Ohnsorg-Theaters ? am 27. Februar erneut seinen Rücktritt als Theaterleiter zum Ende dieser Spielzeit angeboten, obwohl sein Vertrag noch bis Ende der Spielzeit 1981/82 läuft. Der Grund: Interne Querelen seit dem Tode seines Vorgängers Hans Mahler sowie sein seit langem angeschlagener Gesundheitszustand haben ihn resignieren lassen. Sein Rücktrittsgesuch ist diesmal, anders als bei seinem ersten Angebot im Dezember, angenommen worden. Er wird jedoch auf jeden Fall dem Haus in anderer Funktion ? wahrscheinlich als Regisseur und Dramaturg ? weiter angehören.

Der Vorstandsvorsitzende des Vereins, Dr. Dörmer, hat erste Gespräche mit möglichen- Nachfolgern Siegmunds eingeleitet. Auf seine Vorschläge hin soll eine (noch nicht exakt benannte) Findungskommission mit ihm gemeinsam rasch eine Entscheidung treffen.

Ganz sicher ist jetzt schon:

Karl-Otto Ragotzky, der mit dem Theater wegen seiner von Siegmund 'vor längerer Zeit vorzeitig ausgesprochenen Kündigung prozessiert und als Regisseur und geschäftsführender Direktor zur Zeit noch an den Großen Bleichen tätig ist, kommt als Nachfolger nicht in Frage. Zur Zeit gibt es für Siegmunds Nachfolge zwei Favoriten: Konrad Hansen, prominenter niederdeutscher Autor und perfekter Funkund Fernsehmann, sowie Rolf Nagel, Schauspieler und jahrelang Leiter einer Schauspielklasse an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Hamburg. ,

Professor Rolf Nagel dazu: "Bisher habe ich keine Ahnung, daß auch mein Name im Gespräch ist. Ich spiele gern ab und zu mal eine niederdeutsche Rolle. Aber als hamburgischer Beamter an der Hochschule müßte ich, um Ohnsorg-Direktor zu werden, vorzeitig in den Ruhestand treten. Wie man ein Theater leiten sollte, weiß ich nur von Kollegen-Klagen. Vielleicht würde ich's ja schnell lernen. Aber bisher: weder Angebot noch Absage."

Konrad Hansen, Leiter der Abteilung Heimatfunk bei Radio Bremen, gab sich überrascht: "Daß ich im Gespräch bin, habe ich jetzt erst aus der Zeitung erfahren. Ein offizielles Angebot habe ich nicht erhalten. Theater hat mich aber schon immer gereizt, und zu Günther Siegmund habe ich seit langem eine- persönliche Bindung. Ich möchte mich nicht voreilig äußern. Ich habe weder Vorstellungen vpn den Bedingungen, die an einen Intendanten gestellt werden, noch weiß ich, was mich in Hamburg erwarten würde. Ich fühle mich in meiner Funktion in Bremen sehr wohl und möchte nicht an einem vagen Intendantenkarussell mitdrehen."

Heidi Kabel, bisher Star des Hauses und als Witwe Hans Mahlers nicht unerheblich an den Vorgängen des Theaters beteiligt, ist zur Zeit auf Einladung v eines Verlages mit Tochter Heidi und Ohnsorg-Schauspieler Jürgen Pooch auf Jamaika. Daß sie nach dem Auslaufen ihres Ohnsorg-Vertrages mit dem St.-Pauli-Theater verhandelt, bestätigte Collien jun.: "Für Frau Kabel wurde bereits das Stück ,De Kortenlegersch' angenommen. Sie soll es entweder noch in diesem Jahr oder in der nächsten Spielzeit am Spielbudenplatz spielen. Fest abgeschlossen ist der Vertrag mit ihr allerdings noch nicht."

Heidi Kabel ist 2. Vorsitzende des Vereins Niederdeutsche Bühne. Ob sie aus diesem Grund überhaupt an einem anderen Theater spielen darf, das muß, wenn der Fall akut werden sollte, so Dr. Dörmer, noch erörtert und entschieden werden. Es könnte sein, daß'-Frau Kabel dann diese Funktion verliert und damit diesem Theater (Lebenswerk ihres Mannes) nur noch von Zeit zu Zeit als Schauspielerin angehören wird. ILSE HÖGER/r-a