"Santa Fu" öffnet die Türen ? und der Kunstr&nber im weißen Anzug kommt Drei Jahre nnd sechs Monate hinter Gitter, so sprach gestern der Richter der Großen Strafkammer des Hamburger Landgerichts. Das ist das Ende aller Träume für den Zierflsehhindler Jürgen P. (SS), der den groBen Fischzug wagte. Noch vor fünf Monaten hielt er Jene 23 Gemälde für mehr als 1,6 Millionen Mark unter seinem Bett verborgen, die eigentlich an die Wände der Hamburger Kunsthalle geborten. Damals fühlte er sieh noch als Hamburger Rififi-Imitator. Und Hamburg stand köpf. Jetzt folgte der Richter dem Strafantrag des Oberstaatsanwalts und brach so heftig in die Träume dieeea Traumwandlers ein, daß dessen Leben vielleicht anm Alptraum wird. Jetet steht der Zierfischhändler köpf.

Eine milde Strafe? Ja, wenn man den Millionen-Coup am möglichen materiellen und kulturellen Schaden mißt. Nein, wenn man die persönlichen Umstände des Spontan-Räubers in Betracht zieht Und nochmals nein, wenn man den abrupten Milieuwechsel des labilen Artgeklagten in die "Knastwelt" unter dem Gesichtspunkt beurteilt, daß seine grenzenlose Phantasie in Santa Fu kriminelle Vorzeichen bekommen kann. Gerade um die Abwägung dieser einander widersprechenden "Neins" und "Jas" rankten sich die beiden Plädoyers und die Urteilsbegründung.

Für den Vertreter des Staates (und des "Ja"-Arguments) war der Mann vor den Schranken des Gerichts vor allem eines: der Täter. Hinterließ der Dieb doch, um die Gemälde aus den Rahmen zu schneiden, Kratzer, Schnitte und Abrisse, die einen bleibenden Wertverlust von ISO 000 Mark darstellen. Dazu der Oberstaatsanwalt: "Das ist gemeinschädliche, vorsätzliche Sachbeschädigung."

Des Amateurräubers Theorieangebot vom "Raub zur Hebung des heruntergekommenen Selbstwertgefühls" entzauberte der Anklagevertreter auf seine Weise: "Wo kämen wir da hin, wenn jeder, der mal traurig ist Gemälde für 1,6 Millionen Mark raubt?" Und mit gro- ßem Abstand zur Psyche des Zierfischhändlers wertete er den Coup als "eiskalt geplant und mit krimineller Energie zum Risiko" verwirklicht Hauptindiz dafür: Jürgen P. hatte schon eine Woche vor der Tat eine äußerst kunsträuberfxeundliche Mirri-Kammer in der Kunsthelle ausgekundschaftet sich da auch über Nacht versteckt, den schläfrig-spärlichen Rhythmus der wenigen

Wachgänger beobachtet und sich am nächsten Morgen wieder unters Volk gemischt "Unwahrscheinlich", meinte der Oberstaatsanwalt, "daß er da nur die Räumlichkeiten feststellen wollte."

Kein Zweifel auch, daß der Dieb aus den Bildern unterm Bett dann jenes Kapital schlagen wollte, das er zur Tilgung seiner Schulden (45 000 Mark) brauchte. Lösegeld von der Kunsthalle habe er im Visler gehabt ? genau wie in dem ersten Vernehmungsprotokoll vom Sommer nachzulesen ist, das Jürgen P. heute widerruft.

Diese rundum so runde Argumentation teilte dann auch das Hohe Gericht. Nur ein paar Dinge hob der Kammervorsitzende nach dem Urteilsspruch noch hervor: "Der Zierfischhändler wäre der Held des Tages gewesen, hätte er sich nach dem Probe-Coup der Presse anvertraut" Später hätte er immerhin die Bilder noch zurückgeben können. Jetzt gelte es, auch all diejenigen abzuschrecken, die Kunsthallen für Selbstbedienungsläden hielten. Doch ein Exempel wolle das Gericht keineswegs statuieren ? denn hätte diese Tat ein wirklich Krimineller begangen, wäre die Bestrafung wesentlich höher.

Auf der Strecke blieb ein Angeklagter, dessen schwieriger Lebensweg nur zu einem psychologisch glänzenden Verteidiger-Plädoyer geführt hat. Die entscheidenden Ausbruchversuche in seinem Leben (als Kind wirklich nach Würzburg, später im Traum nach Alaska und für eine reale Woche Auswanderung nach Costa Rica), seine zerbrochene Ehe (die ihm wohl alles war) und sein Selbstmordversuch (den er mit knapper Not überlebte) ? das alles sind eben keine "gerichtsverwertbaren Tatsachen". Ganz zu schweigen von seiner Hilflosigkeit in der Frage: "Was mache ich mit den Millionen-Bildern unterm Bett?" Diesem freundlichen Phantasten mdt der "eiskalten Energie" (der vorgeblich doch nur seine List unter Beweis stellen wollte) gebührt aber doch die große Ehre, den im wahrsten Sinne des Wortes öffentlichen Charakter der Hamburger Kunst verdeutlicht zu haben. Der Antrag des Verteidigers auf ein Jahr und sechs Monate hatte das nicht einmal berücksichtigt. Doch wäre Jürgen P. der Weg ins Gefängnis erspart geblieben. Jetzt soll er sich mal so bewähren ? neben so manchem "handfesten Kaliber" in "Santa Fu" . . .