Von unserer Bonner Redaktion

sto. Bonn, 26. Juni

Nur wer im Sicherheitsbereich (Bundeswehr, Polizei, Verfassungsschutz) beschäftigt werden will, soll grundsätzlich auf seine Verfassungstreue hin geprüft werden. In allen anderen Bereichen sollen Bewerber für den öffentlichen Dienst und seine Beschäftigten nur dann überprüft werden, wenn konkrete Tatsachen auf eine Verfassungsfeindlichkeit schließen lassen. Auf diese grundsätzliche Linie wird sich wahrscheinlich der SPD-Parteivorstand festlegen, wenn er heute in Bonn über eine Entschärfung des Radikalen-Erlasses von 1972 berät.

In diesem Erlaß hatten sich Bundesregierung (damals war Willy Brandt Kanzler) und die Ministerpräsidenten der Länder auf folgende Richtlinien verständigt:

- Wer Beamter werden will, muß jederzeit für die freiheitliche Grundordnung eintreten, ? wer verfassungsfeindliche

Ziele verfolgt, kann nicht eingestellt werden; Beamte können entlassen werden.

- Die Mitgliedschaft in einer radikalen Partei oder Organisation reicht aus, um einen Bewerber vom öffentlichen Dienst fernzuhalten.

Die unterschiedliche Auslegung und Anwendung dieses Erlasses hat zu einer scharfen Kritik an der Vereinbarung insgesamt geführt. Die CDU/CSUregierten Länder wollen dennoch an ihr festhalten, SPD und FDP dagegen kritisieren "die Gesinnungsschnüffelei", die sich aus diesem Erlaß entwikkelt habe.

In einem Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt begründete SPD-Vorstandsmitglied Karl Liedtke. warum seine Partei den Radikalen-Erlaß abändern will: ?Nach dem neuen

Verfassungsschutzbericht glaubt man, daß unter den 3,7 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes 1600 Links-

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radikale und knapp 500 Rechtsradikale tätig sind. Die Extremisten im öffentlichen Dienst müssen Sie also mit der Lupe suchen."

Gegenüber dem Abendblatt umriß Liedtke die Vorstellungen seiner Partei so:

- Allein die Mitgliedschaff in einer als nicht verfassungskonform eingestuften Partei oder Gruppierung reicht nicht aus, um einen Bewerber vom öffentlichen Dienst fernzuhalten. ? Erst wenn ein Mitglied einer solchen Partei oder Organisation aktiv wird (als Funktionär oder Kandidat), fordern auch die Gerichte im Einzelfall eine Prüfung. Das gilt auch für den Fall, daß der Betroffene schon Im öffentlichen Dienst beschäftigt Ist. ? Strengere Maßstäbe gilt es anzulegen, wenn es um eine Anstellung auf Lebenszelt geht. Eine routinemäßige Prüfung in Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz darf es abe" nicht geben. In der Regel müsse, man aus der drei- bis fünfjährigen Anwärterschaft schließen können, ob der Kandidat akti\" gegen die Grundordnung unseres Staates verstößt, '

- die gewohnheitsmäßige, gründliche Prüfung soll auf Bewerber begrenzt werden, die Im Sicherheitsbereich elnngesteüt werden.

Liedtke: "Verfassungsfeinde, die wirklich über den öffentlichen Dienst diese Demokratie aushebeln wollen, die kommen mit der Tarnkappe." Da helfe auch der bestehende Radikalen- Erlaß nicht Deshalb bekräftigt Liedtke: "Wenn wir stärker auf Treu und Glauben abstellen, dann muß es später auch über das Disziplinarrecht möglich sein, einen Lebenszeit-Beamten wieder zu feuern, wenn er sich durch sein Handeln gegen diesen Staat bewegt."