Warum der Schüler Schmeling nach Rothenburgsort zurück wollte ? Der Klassenlehrer, der sein Vorbild wurde ? Weil das Fahrgeld fehlte:

Max Schmeling wurde nicht mit Eibwasser getauft. Seine Familie stammt aus der Uckermark. In dem pommerschen Dorf Klein-Luckow wurde er am 28. September 1905 geboren. Sein Vater fuhr als Steuermann bei der HAPAG zur See. Ein Mann mit freundlichen, gütigen Augen und einem mächtigen Schnurrbart. Der Vater vermißte es sehr, daß die Frau niemals an der Pier stand, wenn er von seinen langen Weltreisen heimgekehrt war. Deshalb zogen die Schmelings schon ein dreiviertel Jahr nach der Geburt des Ältesten nach Hamburg.

Man wohnte zunächst in Rothenburgsort, in der Lindleystraße. Nur eine Querstraße weiter, an der Zollvereinstraße, sollte eines Tages Deutschlands größte Sporthalle erbaut werden ? für Max Schmeling und seinen Kampf gegen Hamas. Rothenburgsort, Walter Rothenburg (Wero) aus der Rothenburgstraße, der erste Boxpromotor Deutschlands und Erbauer der Hanseatenhalle ? diese Namen und Zufälle sind alles schicksalhaft verbundene Mosaiksteine, die, fügt man sie zusammen, ein Stück Lebensmuster Max Schmelings ergeben.

Und noch ein Name, der erwähnt zu werden verdient, taucht in diesen ersten Jugendjahren des späteren Boxweltmeisters auf. Schmeling besuchte die Volksschule in der Stresowstraße und begegnete dort einem Martn, der ihm als Mentor und Vorbild half, seinen sportlichen Weg zu finden. Carl Burghardt war zeitweise Schmelings Klassenlehrer, aber ? was viel wichtiger war ? auch sein Sportlehrer.

Wahrscheinlich hat dieser Mann sehr schnell die ungewöhnliche athletische Begabung Schmelings erkannt; denn die Gespräche zwischen Lehrer und.Schüler kreisten häufig um den Sport, um den Lohn der Leistung und ihren Preis. "Wenn du im Sport etwas erreichen willst", so befand schon damals Carl Burghardt, "mußt du entsprechend leben." Schmeling hat sich immer nach diesen Worten gerichtet. Er hat nie geraucht und so gut wie kernen Alkohol getrunken. "Hin und wieder ein Glas Wein", berichtet er heute, "mehr spielte sich auch nach dem größten Sieg nicht ab. Überhaupt hat es keinen Sinn, sich plötzlich mit 60 zu entscheiden, gesund zu leben. Man muß es von Anfang an tun. Das ist der Unterschied zwischen Selbstdisziplin und Selbstbetrug."

Mit dieser Lebensweise hat nicht nur Schmeling seine harte Profilaufbahn schadlos überstanden und sich bis heute eine körperliche und geistige Frische bewahrt, die seine 72 Jahre Lügen straft. Auch sein alter Lehrer Carl Burghardt erfreut sich noch heute bester Gesundheit. Er ist jetzt 85 Jahre alt und lebt in der Ahrensburger Straße in Wandsbek. Schüler und Lehrer haben sich auch später nie aus den Augen verloren. Der Pädagoge hat sicherlich Schmelings Aufassung vom Sport, dem Fleiß und der Fairneß entscheidend geprägt. Aber daß Schmeling einmal auf der Ruhmeslelter ganz oben stehen, daß er überhaupt eine Sportart zu seinem Lebensunterhalt machen würde, hat Burghardt nie geglaubt. "Als ich zum erstenmal über den siegreichen Profi- Boxer Max Schmeling in der Zeitung las, war ich vielleicht baff", erzählte er später einmal seinem Schützling.

Wie sehr auch Schmeling an Carl Burghardt hing, erwies sich, als die Familie nach Eilbek umzog. Die Schmelings hatten in der Hasselbrookstraße eine etwas größere Wohnung gefunden; denn die Familie war inzwischen gewachsen. Max hatte jetzt zwei Geschwister, einen Bruder und eine Schwester. Mit dem Umzug mußte er auch die Schule wechseln. Er wurde in der Ritterstraße eingeschult, konnte sich dort aber überhaupt nicht einleben. Er war nie ein Musterschüler gewesen, doch das Lernen fiel ihm leicht. Hier in der Ritterstraße fühlte er sich nicht glücklich, weil er zu den Lehrern keinen guten Kontakt fand.

Max setzte deshalb alles daran, wieder in Rothenburgsort zur Schule gehen zu dürfen. Aber die Schulbehörde verweigerte ihm zunächst die Genehmigung. Erst als seine Eltern darauf hinwiesen, daß Rektor Arpe und Lehrer Burghardt ebenfalls in Eilbek wohnten und dennoch in Rothenburgsort unterrichteten, gab die Obrigkeit nach. Von diesem Tag an sah man Burghardt und Schmeling, so oft dem Schüler das Fahrgeld für die Linie 35 fehlte, zu Fuß nach Rothenburgsort zur Schule Stresowstraße laufen. Der Lehrer machte diesen Marsch ohnehin täglich hin und zurück. Schmeling schloß sich ihm häufig an und erwarb sich so die erste Kondition und Ausdauer.

Max Schmeling kann sich noch heute an fast jeden Tag seiner Kindheit erinnern. Da wird nichts verdrängt und nichts im milden Licht der Erinnerung schöner gesehen als es wirklich war. Über seine Wohnung im vierten Stock

Der Lehrer und sein Schüler

Carl Burghardt über seinen früheren Schüler Max Schmeling:

Der Max fiel mir zum erstenmal sportlich besonders während eines Sechskampfes der Hamburger Schulen auf. Dabei ging es bei einem 6 X 200-Meter-Lauf um ein Bild, das wir gern für unsere Schule in der Stresowstraße gewonnen hätten. Max Schmeling war der vorletzte Läufer. Er und der Schlußläufer sorgten dafür, daß wir tatsächlich den Preis gewannen."

"Beim Turnen war er ein bißchen schwerfällig. Aber er zeichnete sich durch eine große Ausdauer aus."

"Er trug meist einen blauen Anzug und hohe Stiefel. Er war eigentlich immer ein recht stiller Junge. Ich sehe ihn noch heute vor mir auf der Bank sitzen."

-Ich wohnte in den zwanziger

Jahren in Iserlohn und las über Max Schmeling in der Zeitung. Ich dachte: Ob das dein ehemaliger Schüler ist? Ich schrieb ihn an und bekam Karten für seinen Kampf gegen den Belgier de Large in Dortmund. Nach dem Kampf durfte ich ihn als erster in seiner Kabine besuchen. Wir trafen uns anschließend, und er brachte meine Frau und mich mit seinem Auto, einem Lancia, nach Iserlohn zurück."

"Wir schreiben uns noch heute regelmäßig."

der Hasselbrookstraße 14 schreibt Schmeling in seinen Erinnerungen:

"Es ist eine graue Straße. An den Fensterkreuzen der gegenüberliegenden Straßenseite kommt das rohe Holz zum Vorschein . . . Schräg gegenüber führt eine Treppe ins Souterrain eines Kolonialwarenladens. Ein paar abgebröckelte und verwaschene Ladenschllder zeigen eine Schusterei, einen Kurzwarenladen und eine Kneipe. Es ist ein Bezirk, in dem Arbeiter und kleiner Mittelstand wohnen . . ."

Der Krieg hatte wie viele andere auch die Schmelings in große Not gestürzt. Der Vater war eingezogen, die Mutter bei der Post dienstverpflichtet. Max verdiente als Laufbursche bei Apotheker Feuerbach etwas nebenbei. In der Stadt verarbeitete zu dieser Zeit ein gewisser Heyl Rattenfleisch zu Sülze. Als es herauskam, hätte eine aufgebrachte Volksmenge den Bösewicht fast gelyncht.

Doch trotz der schlimmen Jahre des ersten Weltkrieges denkt Schmeling gern an seine Kindheit zurück. Er hatte zahllose Freunde, die sich in Straßenvereinen organisierten, um gegeneinander Fußball zu spielen. Schmeling spielte bei "Helvetla", andere Freunde aus der Hasselbrookstraße, wie Kurt Wirrer oder Gustav Scharnhorst, liehen "Eintracht Eilbek" ihre Beinkraft. Später spielte Max Schmeling bei St. Georg. Er entwickelte sich zu einem vielseitigen Allround-Sportler.

Im Sportclub Germania, woer Leichtathletik betrieb, sah er eines Tages zwei ; Männer bei einer Sportart, die er noch nie gesehen hatte. In einer Ecke der Halle sparrten zwei Boxer . . .

In d"r nächsten Folg": Es begann in einem Eilbeker Kino . . .