Lieben Sie Hamburg, seine Parks, die Alster, das romantische Viertel rund um den Michel? Sicher! Aber kennen Sie Hamburg tatsächlich? Der Stadtstaat an der Elbe besteht immerhin aus sieben Bezirken, aufgeteilt in 104 Stadtteile. Im Rahmen der Aktion “Gesucht: Das ideale Hamburg“, die das Hamburger Abendblatt gemeinsam mit der Vereins- und Westbank veranstaltet, haben wir Ihnen einen großen Fragebogen vorgelegt, mit dem Sie sich an der Planung für die Zukunft dieser Stadt beteiligen konnten. Aber wie ist Hamburg wirklich? Wir stellen Ihnen an dieser Stelle die Hamburger Bezirke vor. Heute geht es um den Bezirk Nord.

Drei Bezirke haben wir Ihnen bis heute vorgestellt. Harburg entpuppte sich dabei als unerwartet grün, Altona zeigte sich überraschend kulturbeflissen, und Eimsbüttel präsentierte sich als jugendlicher Bezirk. Heute geht es um Hamburg Nord. "Und wir sind Hamburgs idealer Bezirk", meint Bezirksamtsleiter Werner Weidemann (51) strahlend. "Ideal zum Wohnen, ausgestattet mit idealen Freizeitmöglichkeiten und mit idealen Arbeitsgelegenheiten ? insgesamt eine wohldosierte Mischung."

Bezirksamtsleiter müssen wohl so sein. Und Weidemann möchte es keineswegs als widersprechendes Indiz gewertet wissen, daß er nicht in seinem Amtsbereich, sondern in Neugraben jenseits der Elbe wohnt.

"Die Nord-Mischung ist einmalig in Hamburg!" Werner Weidemann läßt bei unserem Gespräch nicht locker und sieht mich siegesgewiß an. Er gibt zwar zu, daß Hamburg Nord beispielsweise einen Nachholbedarf an familiengerechten Wohnungen hat. Aber an diesem Problem arbeite man immerhin mit Volldampf: "Wir sind ein sehr schnelles Amt geworden!"

Um das heutige Wohnungsproblem zu verstehen, muß man ein paar Jahre zurückblenden. Insbesondere mit dem Gebiet Barmbek/Dulsberg hatte der Bezirk vor dem Krieg ein dichtbesiedeltes Gebiet. Brandbomben richteten dann einen verheerenden Schaden an. Noch 1950 lebten über 6000 Barmbeker zwischen Ruinen. "Deshalb", so Weidemann, "wurde Dulsberg/Barmbek nach dem Krieg als erstes Hamburger Gebiet ganz gezielt schnell wieder aufgebaut."

Aber wie! Daß die neuen Wohnungen winzig waren, spielte damals keine Rolle. Hauptsache, man hatte ein Dach über dem Kopf. Auch auf Komfort-Ausstattung wurde kein großer Wert gelegt. Und wer dachte damals schon daran, daß da" Auto einmal des Bundesbürgers liebstes Spielzeug werden würde? So fehlen heute großzügige, wohl ausgestattete Wohnungen und Stellplätze. Natürlich sind im Krieg 'nicht alle Nord-Häuser zerstört worden. Was sich nach 1945 noch als nutzbar erwies, wurde so belassen, wie es war. "Und so kommt es beispielsweise, daß wir einen Nachholbedarf an modernen Schulen haben", weiß man im Bezirksamt. Zahlreiche der 158 Schulen des Bezirks werden noch mit Dampf beheizt. Zum Preis von jeweils 500 000 bis 900 000 Mark wurden bisher 17 Schulen auf Ol-, Gasoder Fernheizung umgestellt; in diesem Jahr folgen zehn, und für die kommenden zwei Jahre sind weitere elf Schulen zur Umrüstung vorgesehen.

So ergeben sich für den Bezirk zwei Probleme: Wie hält man die älteren Mitbürger, und wie bekommt man junge hinzu? Und indem man dieses Problem vor einigen Jahren erkannte und anpackte, wurde Nord zum idealen Bezirk, wie der Bezirksamtsleiter meint.

- Die zu kleinen Wohnungen werden familiengerecht vergrö- ßert, indem zum Beispiel zwei bis drei Wohnungen zu einer neuen zusammengelegt werden.

- Wenn alleinstehende Senioren die riesigen Bürgerwohnungen in Eppendorf und Winterhude bewohnen, dann wird ihnen vorgeschlagen, in kleinere, altengerechten Neubauten zu ziehen.

- Das Bezirksamt sorgt für Gesprächskontakte, Hobby-Gruppen, Altentagesstätten; es regt Sportvereine und Vereinigungen an, spezielle Altengruppen zu schaffen. Zielvorstellung: Die Senioren sollen aus ihrer Isolation gelöst werden. Für diese Aufgabe stehen zehn Altenfürsorgerinnen und zehn Ersatzdienstleistende zur Verfügung. "Dieses Problem", erklärt Weidemann, "hat einen so hohen Stellenwert bei uns, daß wir noch vor der Sommerpause einen sogenannten Altenplan zur Diskussion veröffentlichen werden."

Doch auch für junge Leute ist Hamburg Nord inzwischen attraktiv gemacht worden. "Immerhin wird ,bei uns jeder zweite Hamburger geboren", scherzt Weidemann. Kunststück ? die Klinik Finkenau und die Uni- Klinik Eppendorf gehören zum Bezirk . . . Aber:

- Mit 457 Spielplätzen hat Nord das größte Angebot aller Bezirke. "Ein Großteil dieser Plätze wird von pädagogisch ausgebildeten Kräften betreut", heißt es im Bezirksamt. Wert hat man vor allem auf Bauspielplätze gelegt, auf denen sich Kinder nach Herzenslust austoben können. "Das ist zwar manchmal für Senioren eine Belästigung, aber notwendig", signalisiert Weidemann den Trend. ? 31 Sportvereine, 91 Turn- und Sporthallen (plus drei weitere im Bau und sechs in Planung) sowie fünf Schwimmhallen und sechs Freibäder (eine Halle soll noch in Langenhorn entstehen) ? imponierende Zahlen, die in Relation zu den anderen sechs Hamburger Bezirken über dem Durchschnitt liegen.

Zur "Lebensqualität" gehören aber beispielsweise auch Grünanlagen. Nun:

- Mit seinen 313 909 Einwohnern ist der Bezirk Nord in der Größe zwar mit Mannheim vergleichbar, hat aber etwa genauso viele Grünanlagen wie das doppelt so große Frankfurt, nämlich 500 Hektar. 180 Hektar entfallen davon auf den Stadtpark.

- 90 Kilometer Wasserläufe gibt es in Hamburg Nord. Davon ist ein Drittel sogar schiffbar. Leider sind nicht alle Ufer für die Öffentlichkeit zugänglich.

- Die Statistik besagt zwar, daß von den 5749 Hektar Bezirksfläche 47 Prozent mit Gebäuden und Hof räumen bebaut sind (Hamburger Durchschnitt: 28,1 Prozent). Aber die öffentlichen Grünanlagen nehmen mit 6,7 Prozent der Fläche fast dreimal soviel Platz ein, wie es im hanseatischen Durchschnitt (2,4 Prozent) üblich ist.

Ist Hamburg Nord also wirklich ein so attraktives Gebiet, wie es Bezirksamtsleiter Weidemann glaubt? Zählen wir mal auf: Überdurchschnittliches Angebot an Freizeitmöglichkeiten und öffentlichen Grünanlagen, gezielte Schaffung von alten- sowie familiengerechten Wohnungen, kein ausgeprägtes Sanierungsgebiet, unterdurchschnittlicher Anteil an Gastarbeitern (was automatisch weniger soziale Probleme bedeutet), aus dem Wohngebiet ausgelagerte Geschäftsstadt City Nord, ein eigenes Theater (Ernst- Deutsch-Theater), Flughafennähe ? all das steht auf der Positiv- Seite.

Als negativ kann man empfinden: Übrlastetes Straßennetz (trotz großzügigen Ausbaus zum Beispiel auf der Strecke Flughafen ? City sowie rund ums Einkaufszentrum Hamburger Stra- ße), in Teilbereichen Flughafenlärm, viel unmodernisierter Wohnungsbestand; mit dem Namen Hamburg Nord kann man sich kaum identifizieren, weil es kein geschichtlich gewachsener Name wie zum Beispiel Altona oder Harburg ist.

Fazit: Die Vorteile scheinen tatsächlich die Negativ-Seiten zu überwiegen. Und wenn man sich etwas länger mit Bezirksamtsleiter Werner Weidemann unterhält, dann dämpft sich auch seine anfängliche Ach-wie-ist-das-allesideal-Euphorie zu einem freundlich-nüchternen: "Wir sind konkurrenzfähig." Eben.

Nächste Woche lesen Sie: Alles Ober den Westteil des

Bezirks Wandsbek

Fläche: 5749 Hektar (Hamburg: 74 760 Hektar) Einwohner: 313 909 (Hamburg: 1,703 Millionen) Frauen: 56,3% (Hamburg: 53,6 Vo) Ausländer: 5,6 °/o (Hamburg: 6,7 Vo)

Einwohner je Quadratkilometer: 5648 (Hamburg: 2319)

Einwohner über 65 Jahre: 21,5 °/o (Hamburg: 16,8 Vo)

Ein-Personen-Haushalte: 41,1 "/" (Hamburg: 35,8 %>)

Personen je Haushalt: 2 (Hamburg: 2,2) Flächennutzung: 47 Vo sind Gebäude und Hofräume (Hamburg: 28,1 %>); 14,5 V" (7,8 Vo) Plätze, Straßen, Wege; 6,7 Vo (2,4 Vo) öffentliche Grün- und Parkanlagen; 2 Vo (16,7 Vo) Acker-

Der Bezirk Nord in Zahlen

land; 0,9 Vo (4,5 V") Wald; 2,4 Vo (1,6 Vo) Bahngelände.

Kindertagesstätten: 114 (Hamburg: 549) Altentagesstätten: 15 (Hamburg: 62) Schulen aller Art: 158 (Hamburg: 828) Krankenhäuser: 16 (Hamburg: 56) Spielplätze: 457 (Hamburg: 3042) Sportplätze: 131 (Hamburg: 716) Turn- und Sporthallen: 91 (Hamburg: 511) Hallenbäder: 5 (Hamburg: 16) Freibäder: 6 (Hamburg: 26)

Der Bezirk Hamburg Nord umfaßt die Stadtteile Alsterdorf, Barmbek, Dulsberg, Eppendorf, Fuhlsbüttel, Groß Borstel, Hoheluft Ost, Hohenfelde, Langenhorn, Ohlsdorf, Uhlenhorst, und Winterhude.