Die deutsche Wirtschaft verzeichnete in der vergangenen Woche ein Ereignis, dessen Tragweite derzeit noch nicht abzusehen ist: Vierzehn Prozent des Daimler-Benz-Aktienkapitals wechselten von der Familie Quandt zum Emirat Kuwait Im Zusammenhang mit dieser Transaktion aber ist ein Mann in den Blickpunkt gerückt, den man bereits in mehreren Rollen kennengelernt hat: Rainer Günzler - Rennfahrer, Journalist, Fernseh-Moderator, Auto-Tester, Buchautor, Finanzmanager. Für manche Beobachter ist Rainer Günzler

Ein paar Tage lang ließ er sich überhaupt nicht sprechen ? weder auf dem Golfplatz, noch beim Tennismatch und schon gar nicht in seinem Penthouse im Frankfurter Bankenviertel. Rainer Günzler hatte das Visier heruntergelassen. Doch da unterschied er sich kaum von anderen, die verwandtschaftlich, finanziell oder freundschaftlich mit der Familie Quandt verbunden sind. Schweigen konnte dieser Kreis schon immer; nur naive Gemüter durften hoffen, daß es ausgerechnet beim Verkauf des Quandtschen Daimler-Benz-Aktienpakets an einen nahöstlichen Wüstenpotentaten redseliger zugehen würde. Rainer Günzler ist da ganz auf bewährte Familienpolitik eingeschworen.

Aber er zählte ja noch nie zu denen, die ihr Herz auf der Zunge tragen. Vielleicht nennt ihn deshalb mancher seiner ehemaligen Kollegen sogar "arrogant" vielleicht aber schwingt da auch nur ein Hauch von Neid oder Mißgunst mit Verständlich wäre das schon, erinnert der Weg des Rainer Günzler doch in vielem an die kitschigen amerikanischen Sowird-man-Millionär-Karrieren. Und als besonders ausgeklügeltes Raffinement

Ein Bericht von Horst Schüler

werten es einige, daß er zu seinem Image selbst nichts beigetragen hat Dafür haben andere gesorgt Bewunderer wie Gegner gleicharmaßen; an beiden hat es Günzler nie gemangelt Er behauptet von sich selbst keine Mühe darauf zu verwenden, besonders charmant zu sein. Trotzdem wurde er nicht nur finanzieller Ratgeber der vielleicht reichsten deutschen Frau, sondern auch einer ihrer engsten Freunde, wenn nicht gar ihr nächster.

Von den ganz jungen Jahren des "lässigsten Managers der Bundesrepublik" ? so eine Illustrierte ? ist nicht gerade viel bekannt Er soll in Ulm geboren sein,

1927, Sohn wohlhabender Eltern, wie es heißt doch das ist bereits ebenso unbestätigt wie die Behauptung, er habe Fotograf gelernt Nach dem Krieg läßt sich der Lebensweg des eingefleischten Junggesellen Günzler besser verfolgen. Er wurde Assistent beim Hörfunk, Journalist Moderator des ZDF-Sportstudios, und seine unterkühlt-distanzierte Art kam beim Publikum genauso gut an wie die des jovialen Schulterklopfers Wim Thoelke. Rainer Günzler bestach durch Sachkenntnis, wo andere "fishing for compliments" bevorzugten. Einen Auto- Tester seines Formats sucht das deutsche Fernsehen bis heute vergeblich.

Das allerdings ist leicht erklärlich: Was Günzler von Autos weiß, hat ihn die Praxis gelehrt Denn gleichzeitig mit seiner journalistischen Karriere startete er die eines Autorennfahrers mit ebenso beachtlichem Erfolg. Neben einer Reihe von Siegen und guten Plätzen wird besonders hervorgehoben, daß er dem berühmten Rennstall von Mercedes-Benz angehörte ? in Autofahrerkreisen Empfehlung genug.

Just aus dieser Zeit aber datiert auch der Beginn der nächsten, der wohl endgültigen Karriere des Rainer Günzler: Er wurde Wirtschaftsmanager. Der Mann, der die schnellen Autos liebt, fand auf den Rennpisten einen Gleichgesinnten ? Harald Quandt Sohn des Industriellen Günther Quandt Stiefsohn von Josef Goebbels. Haralds Mutter Magda heiratete nach ihrer Scheidung von Günther Quandt Hitlers Propagandachef und brachte ihren jüngsten Sohn in die Ehe ein. Manche werden sich vielleicht noch eines Titelfotos der "Berliner Illustrierten" erinnern: Familienbildnis der Familie Goebbels, eingeschlossen Harald Quandt in der Uniform eines Luftwaffenoffiziers.

Rainer Günzler und Harald Quandt wurden auf Anhieb Freunde. Und die Freundschaft dauerte über den Tod hinaus. Am 22. September 1967 zerschellte

Quandts zweistrahlige "King-Air" an einem Bergmassiv nahe Turin. Das entsetzliche Unglück forderte vier Menschenleben; eine der Hinterbliebenen war Inge Quandt geborene Bandekow, Berlinerin, Mutter von fünf Mädchen. Rainer Günzler aber übertrug die Freundschaft von Harald Quandt uneingeschränkt auf dessen Witwe. Es störte ihn wenig, daß dfe Gerüchteküche alsbald zu kochen begann. Günzler hat sich um derlei nie gekümmert

Als ein Journalist ihn einmal fragte, ob er sich nicht daran stoße, durch sein Verhältnis zu Inge Quandt "in die Nähe eines Gigolos" gerückt zu sein, antwortete er ebenso direkt: "Nur ein Idiot kann glauben, daß man sich durch das Bett einer Millionärswitwe in eine Managerkarriere katapultieren kann."

Das ist unmißverständlich und zumindest für Günzler auch zutreffend. Denn der einstige Sportstudio-Moderator ? unvergessen sein Interview mit dem Boxer Wilhelm von Homburg alias Norbert Grupe, der dabei kein Sterbenswörtchen sagte ? hatte seine Manager-Laufbahn begonnen, lange bevor er Inge Quandts Berater wurde. Bereits in den fünfziger Jahren überredete ihn Freund Harald, in

die Wirtschaft einzusteigen. Günzler gründete eine Patentverwertungsgesellschaft und eine Unternehmensberatung und büffelte nach eigenen Angaben "alles, was mit Wirtschaft zu tun hat".

Er muß gut gebüffelt haben. Anders ist es wohl .nicht zu erklären, daß Rainer Günzler in der Verwaltung des Quandtschen Riesenvermögens ebenso seinen Mann stand wie in späteren Auseinandersetzungen/Von ungefähr wird man nicht in solchen Kreisen zu einem der Testamentsvollstrecker berufen, von ungefähr wird man nicht Geschäftsführer der Quandtschen Vermögensverwaltungsgesellschaft in Frankfurt und schon gar nicht Berater der Inge Quandt als es 1973 darum ging, das Vermögen auf zwei Familienzweige aufzuteilen.

Der Industrie-Patriarch Günther Quandt war 1954 während einer Ägypten-Reise in Kairo gestorben. Seinen Söhnen Herbert und Harald hatte er ein Erbe hinterlassen, dessen Gesamtwert von Insidern auf drei Milliarden Mark geschätzt wird. Der Familienkonzern rangiert in Deutschland hinter dem Flick-Besitz auf Platz zwei, er beeinflußt über hundert Firmen mit mehr als 200 000 Beschäftigten. Unter anderem gehörten und gehören ihm wesentliche Anteile an BMW, Varta, Daimler-Benz und den Industrie-Werken Karlsruhe- Augsburg (IWKA).

Doch es gab Probleme. Herbert Quandt gilt in Wirtschaftskreisen als ein wagemutiger, risikofreudiger Mann; Inge Quandt dagegen genießt den Ruf, mehr auf Sicherheit zu setzen. Wohl deshalb wurde 1973 das Vermögen geteilt Herbert Quandt übernahm in alleiniger Verantwortung unter anderem das Aktienkapital an BMW und Varta, Inge Quandt und ihre fünf Töchter bekamen den Hauptanteil des Familienbesitzes an Daimler-Benz-Aktien ? 12 Prozent des Aktienkapitals, Herbert Quandt beschied sich hier mit etwas mehr als zwei Prozent Die Kapitalbeteiligung an den Industrie-Werken Karlsruhe-Augsburg ging zu gleichen Teilen an beide Familiengruppen.

Dem Aufsichtsrat dieser Werke aber gehört auch Rainer Günzler an ? der Mann, der nach seinen Worten noch nie Beiträge für eine Krankenkasse gezahlt hat der keine Lebensversicherung besitzt und noch nicht mehr als zehn Tabletten geschluckt habe. Jüngst bezog er in Frankfurt ein Penthouse, das genau den Zuschnitt eines Rainer Günzler trägt: Kamin und Dachgarten und an der Haustür die schlichten Messing-Initialen R. G. Der Mann mit dem "infamen Charme", wie eine Verehrerin einmal formulierte.

Jedenfalls ein Erfolgsmensch. Man möchte gar nicht an den Mann denken, der einmal sein Nachfolger als Auto-Tester beim ZDF werden sollte ? an Jochen Breiter. Der Weg des früheren Nachrichtensprechers führte genauso steil nach unten, wie der seines Vorgängers in die Höhe. Breiter: betrunken am Steuer, Führerschein los, Job los, schwerer Unfall als Beifahrer im Herbst, jetzt kleiner Beratervertrag bei einer Olfirma.

Rainer Günzler dagegen marschiert weiter auf der Straße des Erfolgs. Man wollte sogar wissen, daß er für nächstes Jahr einen Sitz im Aufsichtsrat von Daimler-Benz angestrebt hat Günzler neben Wirtschaftskönigen wie Ulrich, Abs...

Doch diese Blütenträume reiften nicht Die Quandts haben ihre Daimler-Benz- Aktien nach Kuwait verkauft. Im Untertürkheimer Aufsichtsrat ist für Rainer Günzler kein Stuhl mehr frei. Wer will, mag sich den Kopf darüber zerbrechen, ob er seiner Freundin Inge Quandt auch zu dieser Transaktion geraten hat.