Premierenfieber in der Hamburger Kunsthalle. Star-Gäste treffen in diesen Tagen ein. Mit 50 Millionen DM versichert. Sie kommen aus Kopenhagen, Leningrad, Moskau, Oslo, Prag, Wien, aus Dresden und vielen anderen Städten der “DDR“ ebenso wie aus Berlin und zahlreichen öffentlichen und privaten Sammlungen in der Bundesrepublik: Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen des größten deutschen Landschaftsmalers Caspar David Friedrich. Die umfassendste Ausstellung seines Werks wird am 14. September erbffnet. Am 5 Sepiember jährt sich Friedrichs Geburtsteg zum 200. Male.

Vorläufig beziehen die Gäste Quartier in den Katakomben des Kunsthallenmagazins. In plombierten Kisten treffen sie mit Flugzeug und Lastwagen ein. Ein Polizeikonvoi wird in der nächsten Woche die 22 Leihgaben der "DDR" von Helmstedt nach Hamburg geleiten. Als mich Dr. Georg Syamken, der in der Kunsthalle Plastiken, Münzen, Medaillen betreut und jetzt den Public-Relations- Manager spielt, in den Keller führt, geht gerade eine feierliche Zeremonie vor sich. Vor den gestrengen Augen zweier Zollbeamter wird die Kiste aus der Osloer National Gallerie ge- öffnet. Dr. Helli Usse, die blonde norwegische Kunsthistorikerin und Begleiterin des Bild-Schatzes aus dem hohen Norden,

wacht mit Argusaugen, daß ihren Schützlingen nichts passiert. Da die Kiste auch Zeichnungen enthält, gesellt sich Dr. Eckhard Schaar, Leiter des Kupferstichkabinetts, zur Bild-Visitation. Die Zollbeamten "haken" in der Liste ab. Da "Wertverschiebung" nicht zu befürchten ist, das kostbare Gut zu einer öffentlichen Ausstellung angereist kommt, bleibt es natürlich zollfrei.

Im Kuppelsaal und den angrenzenden Räumen werden die letzten Vorbereitungen zur ..Hängung" der Bilder getroffen. Bei diesem einzigartigen Ost- West-Treffen der Friedrich-Bilder kann Hamburg mit 12 Gemälden und 43 Aquarellen, Zeichnungen und Druckgraphik einen stolzen Beitrag liefern. ..Im Kupferstichkabinett sind wir Dresden und Berlin überlegen", sagt Dr. Syamken. Um einen Begriff von dieser Romantik-Mammutschau zu geben: Insgesamt 100 Gemälde, 137 Aquarelle und andere graphische Blätter werden bis zum 3. November die Hamburger Kultur-Attraktion bilden.

"Hamburg spielt vielleicht die bedeutendste Rolle für das Werk Caspar David Friedrichs", sagt Dr. Hans Werner Grohn, Leiter der Gemäldegalerie in der Kunsthalle. "Und das ist allein Alfred Lichtwark zu verdanken." Hamburgs heute schon fast legendärer Kunstpapst, von 1886"1914 Direktor der Kunsthalle, war nicht nur ein schlauer Fuchs, wenn es galt einem Konkurrenten Kunstleckerbissen wegzuschnappen. Er hatte auch den ?Riecher" für Kunstwerke, die den Zenit ihres Ruhms noch nicht erreicht hatten. So war es auch bei Caspar David Friedrich.

Friedrich hatte das Pech, mit seiner ernsten, schlichten, tiefgründigen Landschaftsmalerei vom aufkommenden Pathos des 19. Jahrhunderts überrollt zu werden. Sein Stern war im Sinken, ehe er starb. Einer seiner größten Gönner kam übrigens aus Rußland. Es war der Thronfolger und spätere Zar Nikolaus I? der Friedrich in Dresden aufsuchte und Bilder in Auftrag gab. Daher gehört Friedrich auch zum festen Bestandteil der Galerien in Moskau und Leningrad.

Für die Berliner Jahrhundertausstellung 1906 saß Lichtwark im Vorstand. Man machte ihn auf Friedrich aufmerksam. Und er sah blitzartig, welche Schätze bisher noch ungehoben waren. 32 Friedrich-Bilder kamen zur Auswahl. Lichtwark kaufte fleißig für Hamburg ein. Damals noch zu einem Spottpreis ? auch aus dem Angebot der Verwandtschaft. Und heute? "Der Mann im Nebel", eines der Hauptwerke im Besitz der Kunsthalle, wurde vor einigen Jahren für 600 000 DM erworben. Heute erreichen die Hauptwerke die Millionenmarke ? und darüber. Rekordversicherungssummen wurden von Hamburg für zwei Werke abgeschlossen: 2 Millionen DM für das Gemälde "Der Mönch am Meer", 1,4 Millionen DM für "Kreuz im Gebirge". Die Ausstellung wird den Marktwert noch in die Höhe treiben. Keine Chance aber für Langfinger. Die Katalogisierung ist total. Die Sicherheitsvorkehrungen in der Kunsthalle werden erheblich verschärft.

Caspar* David Friedrich hatte posthum noch einmal Pech. Das war, als er im Dritten Reich zu einer Art "Blut-und-Boden-Figur" fehlgedeutet wurde. Und es dauerte doch immerhin bis 1959, bis das Ausland antideutsche Ressentiments abgebaut hatte und in London in der Täte Gallery zum ersten Mal das Eis für den deutschen Romantiker schmolz. Die Engländer bemerkten verwundert, daß dieser Caspar David Friedrich ihrem Großen John Constable (aus der gleichen Zeitperiode) zumindest ebenbürtig war. Und schließlich war es auch London, das 1972 die erste umfassende Friedrich- Ausstellung ausrichtete. Da auch berühmte Propheten oft nichts im eigenen Lande gelten, wird Caspar David Friedrich nun zum ersten Mal in seiner Heimat die Ehre zuteil, die ihm gebührt. Dank der Initiative von Kunsthallendirektor Professor Werner Hofmann.

Viele Bilder befinden sich noch in Privatbesitz. Zwei der schönsten gingen 1931 beim Brand des Münchner Glaspalasts in Flammen auf: "Die Augustusbrücke , in Dresden" und "Der Hafen von Greifswald nach Sonnenuntergang". Beide Gemälde gehörten der Hamburger Kunsthalle. In memoriam die Wiedergabe auf dieser Seite.