Der Kampf gegen die zunehmende Verschmutzung und Vergiftung unserer Umwelt wird in Hamburg verstärkt. Drei Stunden debattierte gestern die Bürgerschaft Anträge und Anfragen der CDU-Opposition zu diesem Problem. Beschlossen wurde immerhin die Bildung eines Parlamentsausschusses für Umweltschutz.

Fünf Fachbehörden bemühen sich in Hamburg darum, die Verunreinigung von Wasser, Luft und Boden aufzuhalten. Den Antrag der CDU, diese Aufgaben in einer Behörde zusammenzufassen, lehnten die Regierungsfraktionen ab, weil sie sich davon keine Verbesserung versprachen.

Grundsätzlich waren sich Opposition und Regierungsfraktion einig, daß die Luft in Hamburg sauberer ist, als in anderen Ballungsgebieten, und daß die Elbe im Vergleich zu Rhein, Neckar und Weser fast als

sauber gelten kann. Aber dieser Zustand darf nicht über die Gefahren hinwegtäuschen.

- Senator Dr. Hans-Joachim Seeler: "Jedes vierte Krankenhausbett ist belegt mit einem Menschen, der seiner ungesunden, giftigen, lärmenden Umwelt nicht gewachsen war." ? Oswald Beck (CDU): "Die Alster droht völlig zu verschmutzen. Wenn nichts geschieht, werden wir im Herzen Hamburgs bald eine stinkende Kloake haben." ? Charlotte Fera (CDU): "Der Mensch ist mit seinen Anforderungen an Wohlstand und Komfort im Begriff, seinen Selbstmord zu verursachen."

Mit zwei Beispielen, durch große Anfragen angerissen, wollte die CDU die Situation in Hamburg deutlich machen. Die Gefahren durch schädliche Abgase der Industrie im Hafengebiet und im Harburger Raum, insbesondere durch den geplanten Bau einer Aluminiumhütte auf Waltershof, sollten erläutert werden.

Der Senat antwortete: Es wird dafür gesorgt, daß die Betriebe alles tun, um nicht Wohn- und Erholungsgebiete zu gefährden oder zu belästigen. Stadtplanerische Maßnahmen sorgten

Kern warnt vor Panikmache

für entsprechende, ausreichende räumliche Abstände. Genau um das Fehlen dieser Abstände ging es bei der zweiten Anfrage. Unmittelbar neben einem Werk im Industriegebiet Wandsbek zum Beispiel wurden in der Lesserstraße Eigentumswohnungen gebaut. Die Käufer klagen natürlich über Lärm- und Geruchsbelästigungen. Senator Seeler verwies darauf, daß den Betrieben Auflagen erteilt worden seien, aber: "Wer eine Eigentumswohnung in einem gemischt genutzten Gebiet kauft, kann nicht Waldluft vor seiner Tür erwarten."

CDU-Abgeordneter Beck warf den Behörden vor, in diesem Fall keine wissenschaftlichen Untersuchungen angestellt zu haben. Das Parlament dürfe es nicht zulassen, daß die sozial Schwächeren die große Bürde zu tragen hätten, die durch die Belästigungen von Industrie- und Gewerbe ausgingen.

Wirtschaftssenator Helmuth Kern fühlte sich verpflichtet, genereil vor einer "Panikmache" zu warnen. Die Behörden hätten mit vielen Industriebetrieben eng zusammengearbeitet. Etliche Unternehmen täten für den Umweltschutz freiwillig mehr als gesetzlich von ihnen gefordert ist. Er wies energisch den Verdacht zurück, man nehme im Interesse der Industrieansiedlung Belästigungen der Bevölkerung in Kauf.

Verfassung geändert

Jeder Bürger in der Hansestadt hat künftig Gelegenheit, den Ausschüssen der Bürgerschaft seine Meinung vorzutragen. Außerdem wird es den Ausschüssen erlaubt sein, die Öffentlichkeit an ihrer Arbeit teilnehmen zu lassen. Mit einer ersten Änderung der Hamburger Verfassung seit ihrem Bestehen sollen diese und andere Reformen gesetzlich sanktioniert werden. Die Bürgerschaft bekannte sich 'gestern einmütig dazu.

Weitere Neuerungen sind: Senatoren dürfen künftig während ihrer Amtsdauer kein Bürgerschaftsmandat aus- üben, Abgeordnete sollen nicht gleichzeitig Deputierte der Fachbehörden sein, und die Rolle der Opposition ist gesetzlich verankert. Außerdem wurden die Rechte der Minderheit gestärkt.

Fraktionsvorsitzender Jürgen Echternach (CDU) bedauerte jedoch, daß SPD und FDP nicht bereit gewesen seien, das öffentliche Amt des Oppositionsführers fest zu verankern.

Gerhard Brandes, SPD-Fraktionsvorsitzender, sprach seine Hoffnung aus. daß CDU und CSU jetzt auch den SPD- Oppositionen in Rheinland-Pfalz, im Saarland und in Bayern die gleichen Rechte zubilligen, wie es die Hamburger Sozialdemokraten im umgekehrten Falle getan hätten.

FDP-Fraktionsvorsitzender Peter- Heinz Müller-Link wollte die Kontrolle des Senats als Aufgabe des gesamten Parlaments und nicht nur als die der CDU-Opposition verstanden wissen.

Bürgermeister Prof. Herbert Weichmann wandte sich gegen Echternachs Behauptung, der Senat sei ein "Unterausschuß der Regierungsfraktion". Die Regierung wünsche vielmehr ein starkes Parlament.

Die katastrophalen baulichen Mißstände im Kindertagesheim Vogelhüttenberg (Harburg) sollen noch in diesem Jahr bereinigt werden. Die Beseitigung kleinerer Mängel läuft bereits. Das erklärte der Senat auf eine entsprechende Anfrage der CDU-Opposition. In sechs Wochen sollen die größeren Arbeiten beginnen. Neubauplanungen für das Heimgelände am Vogelhüttenberg befinden sich nach Auskunft des Senats im Stadium der Vorüberlegungen.

h.h.s./ga