Hamburg, 17. September Der Schwimmkran “Magnus III“ der Hamburger Bergungsfirma Ulrich Harms ist am Freitagnachmittag über der wahrscheinlichen Untergangsstelle des deutschen U-Bootes “Hai“ eingetroffen. Es ist sofort mit den Vorbereitungen zur Bergung begonnen worden. fang einer Katastrophe in ersten Umrissen ab.

Bergung von U "Hai" läuft an

Das Wetter bessert sich

Die Besatzung des U-Bootes "Hai". Obermaat Peter Silbernagel wurde bisher als einziger

überlebender geborgen. Ein Bild des Leutnants Hartmut Seemann liegt nicht vor. Zeit verging Eigener Bericht

Der Wetterbericht für das Seegebiet der Doggerbank ist günstig. Der Wind flaut ab. Man hofft, spätestens Sonnabend früh, wenn auch der Seegang weit genug nachgelassen hat, mit der Hebung des U-Bootes beginnen zu können.

Es ist vorgesehen, daß Taucher in die Tiefe steigen ? "Magnus" hat 46 Meter gelotet ? und mit Klopfzeichen versuchen, eine Reaktion möglicher Überlebender zu bekommen. Dann sollen die Hebetrossen befestigt werden. "Magnus III" kann eine Last bis zu 800 Tonnen heben. U "Hai" verdrängt rund 250 Tonnen.

Am Freitagabend befanden sich neben dem Bergungskran die englische Fregatte "Blackwood" sowie drei englische Minensuchboote an der Unfallstelle. Das amerikanische U-Boot-Hebeschiff "Kittiwake" wird in der Nacht zum Sonnabend am Unglücksort eintreffen. Der Tender "Lech", der das U-Boot "Hecht" nach Wilhelmshaven geschleppt hatte, lief wieder in das Operationsgebiet aus. Die "Passat" und "U 3" sind auf dem Rückweg nach Wilhelmshaven. Der Untergang des U-Bootes "Hai" beherrscht nach wie vor das Gespräch an der Küste. Der Funke Hoffnung auf Bergung weiterer Überlebender ist fast erloschen, und man fragt sich, mußte alles so kommen?

Angelpunkt aller Überlegungen ist die unbestreitbare Tatsache, daß eine längere Zeit verging, ehe eine Suchaktion nach dem U-Boot, mit dem der Funkkontakt abgebrochen war, eingeleitet wurde. Hätte nicht die internationale Schiffahrt gebeten werden müssen, im Seegebiet der Doggerbank nach dem U- Boot Ausschau zu halten?

Die Tatsache, daß die Funkverbindung vom Tender "Hecht" zum U-Boot "Hai" abgerissen war, wird von Fachleuten keineswegs als bedenklich bezeichnet. Diese Tatsache konnte zu diesem Zeitpunkt noch kein Grund zu ernster Sorge sein. Funkverbindungen mit U-Booten, die sich auf Überwasserfahrt in stürmischer See befinden, sind oft gestört.

Das war die Situation am Mittwochabend: Der Verband, aufgeteilt in zwei weit auseinandergezogene Gruppen, marschierte mit Generalkurs Nordnordwest durch die stürmische Nordsee. Ziel war die schottische Hafenstadt Aberdeen.

Manövrierunfähig

Gegen 18 Uhr stand der Verband 136 Seemeilen nordwestlich von Helgoland. Er bestand aus dem Tender "Lech", dem U-Boot-Sicherungsschiff "Passat", den U-Booten "Hai", "Hecht" und "U 3". Kurz nach 18 Uhr meldete "Hecht": "Bin manövrierunfähig !"

Ein Brecher hatte den Leinenkasten am Oberdeck zerschlagen und einen Festmachertampen in die Schraube gespült. Bei dem herrschenden Seegang eine durchaus bedrohliche Situation. Tender "Lech" vollbrachte eine seemännische Glanzleistung. Es gelang ihm, das U-Boot ins Schlepp zu nehmen. Währenddessen fuhr U"Hai" in Überwasserfahrt weiter nach Nordwesten. In einem bestimmten Turnus, der geheim ist, haben sich Einheiten, die sich in See befinden, nach einem sogenannten Funkprogramm bei ihrem Verband zu melden Die letzte Funkverbindung mit U Hai" bestand um 18.45 Uhr. Es konnte also nicht sofort auffallen, daß keine Funkverbindung mehr bestand. Als die "Lech" auch nach mehrfachen Anfragen keine Antwort von U "Hai" bekam, teilte der Verbandsführer dies dem Befehlshaber der Seestreitkräfte Nordsee mit.

Von einer katastrophalen Lage konnte Der Hamburger Schwimmkran "Magnus III". noch nicht die Rede sein. In dunkler Nacht und stürmischer See ist em einzeln marschierendes U-Boot mit seinem schmalen Turm von knapp vier Meter Höhe auch mit Radar nur sehr schwer auszumachen. Jede hohe Welle und jede brechende Woge erscheint als Reflex auf dem Radarschirm, und es ist auch hervorragenden Radarspezialisten kaum möglich, festzustellen, wo das "Suchobjekt" ist.

Zu einer Zeit, zu der noch keineswegs Anzeichen einer Katastrophe vorhanden waren, wurde der Zerstörer "Bayern" alarmiert und Suchflugzeuge eingesetzt, Als der britische Fischdampfer "St. Martin" den Obermaat Silbermann in der kochenden See entdeckt und an Bord genommen hatte, zeichnete sich der Um-

Es ist inzwischen festgestellt worden, daB Silbernagel durch die starke Strömung nach dem Untergang des Bootes rund 10 Seemeilen nach Südosten abgetrieben worden ist. Obermaat Silbernagel erholt sich in einem Krankenhaus bei Wilhelmshaven langsam von den erlittenen Strapazen.

Die Kritik, daß U-Boote vom Typ der "Hai" schwerem Wetter nicht gewachsen seien, wird von Fachleuten zurück- Diese Boje markiert die Untergqngsstelle des deutschen U-Bootes "Hai". Meldungen, daß sie abgetrieben worden sei, haben sich glücklicherweise nicht bewahrheitet. Die britische Fregatte "Blackwood" hatte sie nur für

einige Zeit aus der Sicht verloren. gewiesen. Diese kleinen Boote, für Operationen in küstennahen Gewässern gedacht, seien durchaus seetüchtig. Wieso es zu dem Wassereinbruch kommen konnte, muß erst eine genaue Untersuchung nach der Bergung ergeben. Auch Kombinationen, daß der Druckkörper des Bootes nicht intakt gewesen sei, hält man für sehr unwahrscheinlich.

Vor jedem Auslaufen werden sogenannte Tauchproben gemacht. Dabei wird festgestellt, ob es irgendwelche undichte Stellen im Boot gibt.

Korvettenkapitän Emsmann, der zwei Jahre lang als Kommandant das U-Boot "Hai" gefahren hat und heute im Führungsstabe der Bundesmarine tätig ist, hat am Freitagabend in einer Fernsehsendung auf die Frage, ob bei der Katastrophe auf der Doggerbank etwa z u spät Alarm geschlagen worden sei, wörtlich erklärt:

, Soweit ich informiert wurde, sind die Rettungsaktionen und die Auslosung des Alarms zeitgerecht entsprechend den Sicherheitsvorschriften eingeleitet worden." , , ?

Auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, wie das Unglück denn überhaupt passiert sein könnte, sagte Emsmann: Nein, das kann ich nicht sagen. Ich habe überhaupt keine Vorstellung, wie es dazu gekommen ist."

U-"Hai" war 1944 gebaut worden, 1945 wurde es im Kattegat versenkt und nach elf Jahren aus 56 Meter Tiefe gehoben, war* einer völligen Instandsetzung wurde es ein Jahr später als erstes U- Boot von der Bundesmarine in Dienst gestellt. In regelmäßigen Werftliegezeiten wurde das Boot sorgfältig überholt. Seit Juli Kommandant

al. Lübeck, 17. September

Oberleutnant z. S. Joachim Peter Wiedersheim (28) hatte das Kommando über U "Hai" am 1. Juli dieses Jahres übernommen. Vorher war er als Wachoffizier auf einem der U-Boote dieses Typs gefahren.

Nach Angaben von Korvettenkapitän Kuhlen vom Kommando der Flotte in Glücksburg werden nur sehr fähige Offiziere zur U-Boots-Lehrgruppe in Neustadt berufen, da dort hohe Ansprüche an das Ausbildungspersonal gestellt werden. Wiedersheim war verheiratet und Vater von zwei kleinen Kindern.

Nach Angaben des Kommandos Flotte in Glücksburg war das U-Boot vor drei Jahren im Kieler Hafen von einer Schute gestreift worden. Dabei hatte die "Hai" an der Außenhaut einen "leichten Kratzer" davongetragen. Außerdem war 1957 beim Einlaufen in die Schleuse Wilhelmshaven das vordere Tiefenruder leicht verbogen worden. "Beides hatte mit Sicherheit keinen Einfluß auf die Festigkeit des Druckkörpers, der für eine Tauchtiefe von über 100 m .angelegt ist", sagte Korvettenkapitän Kuhlen. Dem Unglück entgangen

Neustadt, 17. September

Durch zwei glückliche Zufälle ist Sanitätsobermaat Helmut Dänner, der auf dem Tender "Lech" in Wilhelmshaven eintraf, dem Unglück auf dem U-Boot "Hai" entgangen. Er hatte die Reise des "Hai" von Neustadt/Holstein nach Kiel mitgemacht. Dort verpaßte er jedoch ein, Boot, das ihn auf sein Schiff zurückbringen sollte. Daraufhin schiffte er sich auf dem Tender "Lech" ein, um während der Fahrt durch den Nord-Ostsee-Kanal auf das U-Boot umzusteigen. In Brunsbllttelkoog rettete ihn wiederum ein Zufall. Bei den Schleusengängen schob sich ein Küstenmotorschiff zwisen die "Lech" und den "Hai". Als die "Lech" einschleuste, waren die U-Boote bereits in voller Fahrt in Richtung Nordsee.