Braunschweig, 15. Februar

Westdeutschlands jüngster Zoo in Braunschweig-Waggum, der vor einem Jahr von einer Gruppe tierliebender Bürger angelegt wurde, kämpft um sein Lebensrecht. Die Baubehörde verlangt den Abbruch der ohne Genehmigung errichteten Stallungen bis zum 15. Mai. Doch was soll dann aus den 120 Tieren werden, die schon eingezogen sind, und aus denen, die noch darauf warten. Im Mittelpunkt des jungen Zoos, der zwischen Einfamilienhäusern und einem Buchenwald im Braunschweiger Vorort Waggum gegründet wurde, steht ein Warmhaus. Es besteht aus einer großen Baracke, die mit ölfeuerung geheizt wird. Diese Baracke ist eine wahre Arche Noah. In ihr regiert als Fürstin unter den Tieren die Löwin Fatima. Sie stammt aus der Berberlöwenzucht des Sultans von Marrakesch und ist ein Geschenk des Münchner Zoodirektors Heinz Heck. Neben ihr lebten in der Baracke der kindergroße Drill- Affe "Fletscher", der die Eigenheit hat keine Kartoffeln zu verzehren, ohne sie vorher sorgfältig gepellt zu haben. Es wimmelt von Meerkatzen und Rhesusaffen, Wickelbären und Reptilien, darunter eine zweieinhalb Meter lange Boa und einige kleine Krokodile. Auch eine exotische bunte Aquarienabteilung ist zu besichtigen. In Blockhäusern und Käfigen auf dem Freigelände leben unter anderem ein Lamahengst ein Emu, Waschbären, Wildschweine, Füchse und Ponys.

Das ist der beachtliche Anfang des Zoos, der von 00 Tierfreunden nur mit privaten Mitteln im vergangenen Jahr angelegt wurde. Die meisten Tiere sind als Patengeschenke von anderen europäischen Zoos geschickt worden. Weitere Tiere, darunter zwei Braunbären, warten in Berlin und Ulm auf ihre Abreise nach Braunschweig. Die Betonmauern für die Raubtierkäfige sind schon errichtet worden, aber sie dürfen nicht fertiggebaut werden.

"Der Zooverein ist mit der Stadt Braunschweig in einen langwierigen Konflikt geraten", erläuterte der Vereinsvorstand, wenn man ihn nach den weiteren Ausbauplänen fragt In der Begeisterung für die Zoo-Idee und der Eile, die daraus entstand, hat man etwa zehn bis zwanzig Meter von der Braunschweiger Stadtgrenze entfernt, aber noch innerhalb des Stadtgebietes die Zoobauten ohne Genehmigung errichtet Die Stadtverwaltung entdeckte diesen Umstand auf Grund von Beschwerden aus der Nachbarschaft und fordert nun den Abbruch der Gebäude bis zum 15. Mai. "Wenn es dazu kommt sitzen unsere 120 Tiere auf der Straße", sagt der Vorstand, dem eine nachträgliche Bäuj^ehmigung bisher nicht woMen ist , .", '"?'.

Die einjährige Geschichte des Zoos m

Waggum ist genauso reizvoll wie einmalig. "Wir müßten in Braunschweig einen Zoo haben. Unsere Kinder wissen ja nicht einmal, wie exotische Tiere aussehen", sagte die Zoologin Frau Dr. Buchholz. Sie sprach mit Gastwirt Herman Stieghan, der in Waggum als privates Hobby einige Hirsche, Fasane und Waschbären hielt. Stieghan stellte sein Gelände zur Verfügung, der Zooverein wurde gegründet und im Juni öffnete der Zoo zum erstenmal seine Tore. Eintritt für Kinder dreißig, für Erwachsene sechzig Pfennig.

Von Juni bis November kamen 60 000 Besucher. Damit wurde der Beweis für die Richtigkeit der "Zooidee" erbracht. Die Sonntage bringen fortlaufend bis zu 3000 Gäste. "Wir können den Zoo von den Eintrittsgeldern unterhalten", stellte Vereinsvorsitzender Le Mang fest.

Zwei Tierpfleger versorgen den Zoo. Die Hauptarbeit aber leisten die Frau des Rechtsanwalts Le Mang und die Professorenwitwe Amalia Kesselring. Beide lösen sich täglich bei der Fütterung ab.

Ein Tierarzt Mitglied des Vereins, betreut den Zoo kostenlos. Ein Architekt hat die Pläne für die Bauten umsonst geliefert. Die Industrie gab ein Auto zum Heranholen des Futters. Sie stellte Steine, Maurer und eine ganze Asphaltstraße zur Verfügung. Die Straße aber konnte wegen des inzwischen ergangenen Bauverbotes noch nicht ausgelegt und ein ebenfalls gestiftetes Elefantenhaus bisher noch nicht aufgestellt werden.

"Wir wollen den Zoo keinesfalls abwürgen, wir wollen ihn nur anderswo unterbringen", betonte Stadtdirektor Brandes. Und Baurat Schütte fügt hinzu: "Wir wollen nichts niederknüppeln, was mit viel Liebe errichtet wurde." Die Abbruchverfügung aber blieb, so sagte der Zoovorstand, weiter bestehen. Die Stadt befürchtet, daß der Zoo später den Stadtsäckel belasten könnte. Nun wollen die Zoofreunde versuchen, den Zoo über die Stadtgrenze, die neben den Tierkäfigen verläuft hinaus in den öffentlichen Buchenwald zu verlagern. "Man sollte bei den Behörden doch bedenken", meint Vorstandsmitglied Stieghan, "daß viele Zoos, sogar Hagenbeck in Hamburg, einmal ganz klein angefangen haben."