In einem Schuppen der Baubehörde führt das Denkmal eines verdienstvollen Mannes ein unrühmliches Kerkerdasein. Es ist Graf Adolf IV. von Schauenburg, dem wir Hamburger es mit verdanken, daß aus einem kleinen Rinnsal unsere geliebte Alster wurde. Wir Hamburger und alle Fremden sind verliebt in die weite Seenfläche inmitten der Großstadt. Finden Sie nicht auch, daß wir die “Erfinder“ unserer Alster etwas rühmlicher behandeln sollten?

Er macht ein recht verzweifeltes Gesicht, der gute Graf Adolf IV. von Schauenburg, der übrigens in dem gleichen Schuppen wie Lessing seine Exiljahre verbringt. Der alte Herr, der als vierter in der Reihe der holsteinischen Grafen von Schauenburg im 13. Jahrhundert unsere Ur- Ur-Urahnen regierte, ist es gewohnt, von den Hamburgern etwas stiefmütterlich behandelt zu werden. Zuerst stellte man ihn vor das Maria- Magdalena - Kloster

auf dem Adolfplatz. Als man 1901 mit den Arbeiten zum Hauptbahnhof begann, wanderte das Kloster in die Richardstraße in Eilbek. Auch vor dem Neubau bezog Adolf Posten. Bis die Bomben rauschten. Schwer angeschlagen harrt der alte Herr der Dinge, die da kommen sollen.

Adolf IV. hatte einen klassischen Schwur getan: "Wenn ich die Dänen besiege, gehe ich ins Kloster." Er siegte. 1227 bei Bornhöved. Daher seine Klosterbeziehung. Aber Adolf IV. tat noch etwas viel Netteres als Siegen. Er kümmerte sich um die Alster. Es war schon eine Art Familientradition bei den Schauenburgern geworden. Urgroßvater Adolf I., der das von den Wenden zerstörte Hamburg aufbaute, hatte 1106 eine Niedermühle errichtet. Sie stand auf dem Platz des heutigen Sparkassengebäudes (Hamburger ? Sparcasse von 1827). Für eine Mühle brauchte man Wasser. So legte der erste Adolf ein Stauwehr an. Es verlief etwa in der Linie Großer Burstah? Große Johannisstraße.

Die Alster tat sehr erstaunt und staute sich. Vorläufig noch zögernd. Aber die Kühe an den Ufern bekamen zum ersten Male nasse Füße. Adolf I. sank ins Grab. Adolf II. fiel bei Demmin. Adolf III. tat einen großen Schritt voran.

Er gründete die Neustadt, er verschaffte den Hamburgern den splendide* Freibrief Kaiser Barbarossas. (?Vom Meer bis an die Stadt sollen sie ? die Hamburger ? mit ihren Schiffen und Waren vom Zoll und im ganzen gräflichen Ge-

biete von Abgaben befreit sein . . .") Er fing an, aus dem kümmerlichen Stauwehr einen reellen Staudamm zu machen. Natürlich mit dem nützlichen Hintergedanken, der Niedermühle mehr Wasser zu verschaffen. Das war um 1200. Und sein Sohn Adolf IV. (siehe oben) vollendete das Werk. Der Effekt war großartig. Das bescheidene Alsterflüßchen schwoll an zu einem riesigen See. Sicherlich hat Adolf IV. im Kloster von St. Maria-Magdalena selber über dieses Wunder der Alsterwerdung gestaunt.

Später baute man zur Niedermühle die Obermühle. Adolfs IV. Söhne, die Grafen Johann I. und Gerhard I., ließen den Reesendamm für die zweite Alsterstauung schütten. Auch sie ahnten wohl nicht, was sie mit ihrem "Zweckbau" erreichten. Aus dem groben Knüppeldamm sollte der Jungfernstieg werden. Eine der schönsten Straßen der Welt.

Jetzt war die Alster in zwei Becken aufgeteilt. In die Kleine Alster (die noch sehr groß war) und in die Große Alster. Ein landseenartiger Mühlenteich erstreckte sich weit bis zum Horizont. Bis nach Winterhude und Eppendorf wurden die Ländereien überschwemmt. Die Alster hatte nun etwa ihren heutigen Wasserstand erreicht. Übrigens waren die Hamburger schon damals ausgezeichnete Kaufleute. Sie kauften so langsam den Fluß ihren Grafen ab. Die ganze Alster kostete die Hamburger nicht mehr als 1050 Mark. Kein schlechtes Geschäft.

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Und auch das endgültige "Make-up" der Alster, ihre letzte "Teilung", verdanken die Hamburger einem höchst profanen Geschäft. Der Dreißigjährige Krieg wütete. Sebastian von Bergen, der Juraprofessor auf dem Hamburger Bürgermeisterstuhl, versammelte den Senat,

und man beschloß, Hamburg sein Festungskorsett anzulegen. 1620?1626 führte der niederländische Baumeister Valckenberg die kriegerische Aufgabe durch. Der Alstersee wurde abgeschnürt in zwei Teile. Binnen- und Außenalster in ihrer Urform waren geboren. Übrigens bekamen die Bastionen die Vornamen der damals amtierenden Senatoren. Diedrich Möller, David Penshorn und Vincent Möller sind verewigt in den drei Alsterbastionen Didericus, David und Vincent.

Nun erst konnte sich der ganze Zauber unserer Alster entfalten. Aus einem Mühlenteich wurde Hamburgs schönstes Schmuckstück. Und nun denken Sie einmal an den alten Herrn im Schuppen. Verdiente er es nicht, daß ihm der Alsterwind ums greise Haupt fächelte? Adolf III. ist es etwas besser ergangen. Auf der Trostbrücke steht er noch fest auf seinen Denkmalsbeinen. Hamburg ist so arm an äußeren Zeichen seiner Vergangenheit. Den Schöpfern unserer Alster gebührt bestimmt ein Ehrenplatz. Finden Sie nicht auch? Eberhard von Wiese