JANUAR

"Paris sieht keinen Ausweg aus der Krise", heißt die erste Schlagzeile des Hamburger Abendblattes im neuen Jahr. Frankreich steckt in einer wochenlangen Regierungskrise, die am 17. Januar durch Berufung von Ren^ Mayer zum Ministerpräsidenten beendet wird. Der Europäer Schuman tritt zurück." Außenminister wird Bidault. EVG-feindliche Kreise in Frankreich regen sich. Adenauer wird 77, und in den USA tritt der im Herbst gewählte General Eisenhower die Präsidentschaft an. Vier Jahre lang werden die Republikaner in Washington das Ruder halten.

Hamburg und ganz Deutschland bangen um die "Melanie Schulte", die seit 21. Dezember mit einer Erzladung im Nordatlantik überfällig ist. Britische Flugzeuge suchen den nagelneuen Frachter. Am 13. Januar wird es traurige Gewißheit: die Reederei gibt das Schiff auf. Nie wird sein Schicksal aufgeklärt werden.

Auf der Marienburg bei Hannover gibt es ein freudiges und ein trauriges Ereignis. In Gegenwart der griechischen Königin Friederike wird das Weifen- Prinzeßchen Marie Viktoria, eine Tochter des Erbprinzen Ernst August, getauft. Wenige Tage später stirbt der Großvater des Täuflings, der alte Herzog Ernst August. In Rom ernennt Papst Pius 24 neue Kardinäle, in Rußland werden unter mysteriösen Umständen 15 Ärzte verhaftet, die angeblich Sowjet- Marschälle töten wollten, und in Lübeck droht der Maler Malskat, er werde nicht schweigen und die Hintermänner seines früheren Arbeitgebers Dietrich Fey benennen.

Während West-Berlin im Flüchtlingsstrom aus dem Osten zu ertrinken droht, läßt Pankow den Außenminister Dertinger verhaften. Auch in Hamburg gibt es Verhaftungen: der ehemalige Goebbels-Mitarbeiter Naumann und seine Freunde, darunter Exgauleiter Kaufmann, werden "aus Sicherheitsgründen" von britischer Militärpolizei festgenommen. In Bonn trifft Professor Conant als neuer US-Oberkommissar ein. In Hamburg verbietet der Senat das Stadtparkrennen, und gleichzeitig fällt die Geschwindigkeitsbegrenzung im Stadtverkehr.

FEBRUAR

Die Nacht des Monatswechsels bringt mit der schwersten Überschwemmungskatastrophe seit Menschengedenken unsägliches Unheil über Europa: in Sturmfluten ergießt sich die Nordsee über die Küsten Englands, Hollands und Belgiens. Holland wird am schwersten betroffen. Über 1500 Tote, Schäden von Milliardenhöhe, die ganze Welt hilft. Die kritischen Tage halten bis zur Mitte des Monats an, immer wieder leckt das Meer über die Deiche.

In Hamburgs Großer Bergstraße werden zwei Straßenbahnlinien umgeleitet, es gibt eine 25minütige Verkehrsstauung, weil ein kleiner Hund zwischen ein Auto und eine Straßenbahn gekommen ist. Der Hund wird gerettet. Ein Teiephonmarder, der 90 Telephonzellen in der Innenstadt zerstört hat, wird in eine Heilanstalt eingewiesen. Jubel an der Kirchenallee von "ganz unhamburgischem Ausmaß": Jean Louis Barrault, der große französische Mime, führt klassisches französisches Theater vor. Vier Kinder verschwinden in der Fischbeker Heide. Hundertschaften der Polizei suchen eine ganze Nacht. Am anderen Morgen werden sie unter Bäumen gefunden, wo sie die Nacht enganeinander gerückt "aus Angst" verbracht hatten.

In Hannover stirbt 77 jährig der Feldmarschall von Rundstedt, und in Hamburg wird der Schnellbootkommandant Petersen freigesprochen. "Die neue Linie hat keine Linie", sagt die offizielle Modekritik zu den Frühjahrsmodellen der Pariser Haute Couture, die sV-h die "Tulpenlinie" hat einfallen lassen. In London übernimmt die Bundesrepublik 14,3 Milliarden Vorkriegsschulden an 65 Staaten und gewinnt neuen Kredit. In Dortmund schlägt Europameister Neuhaus den britischen Meister Williams k.o.

Der Bundestag verschiebt vorerst die Entscheidung über die Gleichberechtigung der Frau. US-Außenminister Dulles lädt den Bundeskanzler nach Amerika ein. In Bordeaux gibt es zwei Todesurteile und einen Freispruch imOradour- Prozeß. Man spricht von geteiltem Recht, weil die Elsässer unter den Angeklagten straffrei ausgehen.

MARI

Die Welt hält den Atem an: in Moskau rafft ein Gehirnschlag den sowjetischen Diktator Stalin binnen drei Tagen hinweg. Das große Rätselraten um den Nachfolger beginnt. Am Tage darauf ist die Lösung da: Malenkow wird sowjetischer Premierminister. Unter riesigem Pomp wird Stalin an der Kremlmauer beigesetzt. Wenig später stirbt in Prag sein Trabant Gottwald, der Präsident der Tschechoslowakei.

Der Bundestag nimmt am 19. März als erstes europäisches Parlament der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft zu. In Hamburgs Deutschem Schauspielhaus wird wieder ein Franzose begeistert gefeiert: Claudel bei der deutschen Uraufführung seines Stückes "Tobias und Sara". Im Curio-Haus erhält ein französisches Paar den ersten Preis in^ einem deutsch-französischen Tanzturnier.

Die Fußballmannschaften von Deutschland und Österreich trennen sich in Köln 0:0. Mann des Tages: Rundfunkreporter Heribert Meisel aus Wien.

Ein Schreck aus Wilhelmshaven: tausend Tonnen Munition explodieren und legen ein ganzes Werkgelände nieder. Londons Polizei sucht den unheimlichen Frauenmörder John Christie. Am 24. März schließt, von ganz England betrauert, die greise Queen Mary die Augen. Friedensschalmeien der neuen Machthaber im Kreml werden von Feuerstößen aus MIG-Bordwaffen begleitet. Über der tschechischen Grenze holen rote Jäger einen amerikanischen, über der Zonengrenze bei Lauenburg einen englischen Bomber vom Himmel.

In Teheran flieht Premier Mossadeq zum ersten Male im Schlafanzug vor der aufgebrachten Masse. Er wollte den Schah absetzen. In Panmunjon in Korea gelingt es der UNO, die Kommunisten zum Austausch verwundeter Gefangener zu bewegen.

O 5jt * AP.RI LV?

Der Bundeskanzler, EVG - Ratifizierung, Wiedergutmachung mit Israel und Schuldenvertrag in der Tasche, fährt, überall gefeiert, durch die USA, gewinnt Deutschland neues Ansehen. Bürgermeister Reuter von Berlin kehrt nach ähnlichem Erfolg in den USA in seine geteilte Stadt zurück.

Wedel bei Hamburg erlebt sein erstes Frühjahrsgewitter. Die Ostertage sind feucht-kühl. Man bleibt zu Hause und geht höchstens zu Mittag auswärts essen. Sehr viel schöner ist das Wochenende vom 12. April, an dem Herr Lombard zum erstenmal wieder ausgeht. Diesmal unter blühenden Kirschbäumen im Alten Land. "Wie wünschen Sie sich Ihre Frau, Ihren Mann, Ihren Chef?" fragt das Hamburger Abendblatt seine Leser und erhält tausendfache Antwort.

Moskau läßt zum Erstaunen der Welt die im Januar verhafteten "Verschwörer-Ärzte" frei und maßregelt die ministeriellen Häscher. In den Dardanellen sinkt ein türkisches U-Boot mit 91 Mann. England nimmt Anteil an dem Nervenzusammenbruch seines Lieblings Vivien Leigh, dem das Filmen in Hollywood zuviel wurde.

Ein Hamburger Original geht am 12. von uns: Carl F. Schlüter, der Auktionator vom Valentinskamp, stirbt 59jährig an einefh Herzschlag. Verkehrsminister Seebohm fordert beim Köhler- Hünefeld - Gedenktag in Bremen eine neue deutsche Lufthansa. Hamburg begrüßt den Bundeskanzler, der direkt von seiner Amerikareise zum CDU-Parteitag kommt.

Und am 21. geschieht etwas, das die ganze Stadt rührt: Im Peterwagen 20, der am Barmbeker Markt seine Station hat, kommt morgens um 3.06 Uhr unter der fachkundigen Hilfe von Oberwachtmeister Völzke ein Junge zur Welt. In Korea flammt der Krieg um die Demarkationslinie noch einmal auf. Im Londoner Unterhaus fordert Churchill die Nation auf, den Haß gegen Deutschland zu begraben.

Und am letzten Tag des Monats ertrinkt Hamburg im Flaggenschmuck. Bundespräsident Heuss weiht die Neue Lombardsbrücke ein und eröffnet die Internationale Gartenbau - Ausstellung.

-k. o MAI

Hamburg bleibt weiter in Feststimmung. Strahlend blauer Himmel und ungewöhnliche Wärme am 1. Mai. 400 000 Menschen schreiten und 60 000 Fahrzeuge rollen am ersten Tag über die Neue Lombardsbrücke. 60000 in der Gartenbau- Ausstellung.

Auch der Bundesrat, also die Ländervertretung, ratifiziert die Westverträge. Dr. Adenauer findet herzliche Aufnahme in London, und in Esch in Luxemburg sticht sein europäischer Freund Jean Monnet den ersten "europäischen" Hochofen an. Künftig wird es keine Zölle für Kohle und Stahl zwischen den sechs Montanunion-Ländern mehr geben.

Zwei- Befreite: Die Prager Regierung entläßt den ap-Korrespondenten Oatis ganz überraschend nach dreijähriger Haft, und der endgültig aus Werl entlassene Feldmarschall von Manstein wird mit klingendem Spiel in seine Heimatgemeinde Allmendingen bei Ulm eingeholt. Lombard vom Hamburger Abendblatt fliegt zur Griechenkönigin nach Athen, und in den USA steht die Frauenwelt Kopf über den zweiten Bericht des Professors Kinsey, der sich mit dem Geschlechtsleben des menschlichenWeibchens befaßt.

Paris stürzt sich in die längste Regierungskrise seiner Nachkriegsgeschichte. Churchill schlägt ein Vierertreffen mit den Russen und ein europäisches Sicherheitssystem nach dem Muster von Locarno vor. Ganz England steht hinter ihm.

In den USA weint Negerboxer Walcott, als ihn der neue Weltmeister im Schwergewicht, Marciano, in zwei Minuten k.o. schlägt. Ein Kampf in Berlin, wo Halbschwergewichtler Hecht seinen Konkurrenten Stretz schlägt, dauert neun Runden. Deutsche Reiter machen in Rom den Zweiten im "Preis der Nationen". Max Schmelings Katze in Hollenstedt adoptiert zwei Wildkaninchen, und in den Vereinigten Staaten wird die erste Atomgranate aus einem Geschütz abgefeuert. 120 000 Pommern kommen in Hamburg zusammen, und Hamburg erhält den Schröderpark an der Eibchaussee zum Geschenk,

OUNI *

In Ost-Berlin und in der Sowjetzone kommt es zur ersten echten Volkserhebung gegen ein kommunistisches Regime. Nur rote Panzer können die Pankower Regierung retten. Viele Verhaftungen, Hinrichtungen, Tote in Straßenkämpfen. Die weltpolitische Bedeutung der Tage vom 16. bis 19. Juni ist kaum zu überschätzen: Amerika sieht die Theorie der "Aufweichung" der Sowjetmacht bestätigt. Moskau weiß jetzt, daß ganz Deutschland mit dem Westen geht. Vorhergegangen ist ein Schauspiel, das die ganze Welt in das Mittelalter zurückzuversetzen schien. In London zeigt Großbritannien, was Tradition bedeutet. Die jugendliche Königin Elizabeth II. wird, von Hunderttausenden umjubelt, von Millionen ferngesehen, in der Westminsterabtei gekrönt. Am Vorabend wird die Erstbesteigung des höchsten Berges der Welt, des Mount Everest im Himalaja, durch einen Neuseeländer und einen eingeborenen Träger gemeldet.

Andere Ereignisse scheinen im Schatten zu stehen: Frankreich hat in dem reichen unabhängigen Herrn Laniel endlich einen neuen Ministerpräsidenten. In London hängt man den Frauenmörder Christie, trotz einiger Bedenken. Eine geplante Bermudaskonferenz der Westmächte wird vertagt, weil Churchill plötzlich krank wird. In Amerika endet ein jahrelanges Drama: die Rosenbergs werden hingerichtet. Störenfried Syngman Ri läßt in Korea 27 000 antikommunistische Gefangene frei und gefährdet den sich anbahnenden Waffenstillstand. Die Wahlen in Italien zeigen eine bedenkliche Schwächung der christlichdemokratischen Mitte und eine Zunahme der Radikalen von rechts und links.

Und Hamburg? Da müssen 150 000 Hamburger eines Tages zu Fuß gehen, weil vier Stunden der Strom aussetzt. Die Jugendherberge auf dem Stintfang wird eingeweiht. Im Hotel Vier Jahreszeiten steigt Ingrid Bergman auf dem Weg in ihre schwedische Heimat ab. Autos ertrinken beinahe, als ein Wolkenbruch losgeht. Man lustwandelt bei meist schönem Wetter im neuen Alsterpark. Vor 50 000 Zuschauern gewinnt der Hamburger Heinrich Bollow auf "Allasch" das Horner Derby. In Berlin wird der 1. FC Kaiserslautern Deutscher Fußballmeister mit einem 4:1 über den VfB Stuttgart. Nur einige Tage vorher sind die roten Panzer aus dem langsam wieder beruhigten Ost-Berlin abgezogen.

*3ULI 0

In Moskau platzt eine Bombe: der zweite Mann im Staat, Innenminister und Polizeichef Berija, wird gestürzt. In Washington beschließen dieWestmächte, die von der Weltöffentlichkeit verlangte Konferenz mit Moskau bis nach den Bundestagswahlen im September zu verschieben.

Pankow holt Atem. Ulbricht, am 17. Juni beinahe hinweggefegt, rächt sich. Eine Terrorjustiz gegen Aufständische unter der "Roten Hilde" beginnt. SSD- Chef Zaisser, von dem man sagt, daß er Berija-Anhänger sei, verschwindet In Rom stürzt mit de Gasperi der zweite der "drei großen Europäer" nach Schuman. In Washington stirbt der Republikaner Taft, Amerikas zweiter Mann.

Am Monatsende wird das schier Unglaubliche wahr: Waffenstillstand und Waffenruhe in Korea. In 90 Tagen soll es eine Friedenskonferenz geben. Es dauert wesentlich länger.

Hunderttausende Sowjetbewohner drängen sich in West-Berlin vor den Ausgabestellen der Lebensmittelpakete, die teils vom Bund, größerenteils von den Amerikanern gestiftet werden. Wütend haben vorher die Sowjets ein 15-Millionen-Dollar-Angebot der Amerikaner für die hungernde Sowjetzone abgelehnt.

Über dem Hamburger Flughafen Fuhlsbüttel weht zum ersten Male wieder die Hamburger Flagge. Im neuen Volksparkstadion in Altona erleben 70 000 das Sportfest der Hamburger Jugend. 130 Boote nehmen bei trübem Wetter an der Eibregatta teil. In Schneisen beißt der Terrier Seppl den Säugling der Familie Ebel im Kinderwagen tot. War es Eifersucht? Der Terrier muß sterben.

Am Ende des Monats gedenkt die Hansestadt der furchtbaren Tage, an denen sie vor zehn Jahren in Schutt und Trümmer sank. Der Mülheimer Walter Schmidt gewinnt auf seinem Wallach "Cäsar" das Springderby in Klein-Flottbek. Am 25. Juli läuft die "Tina Onassis" vom Stapel.

Kehraus im Bundestag! Mit der Verabschiedung des Schuldenabkommens endet die erste vierjährige Legislaturperiode. Deutsche und Österreicher besteigen den Nanga Parbat, den "Schicksalsberg der Deutschen".

*A ü GAl'ST

Zwei große Ereignisse bestimmen diesen Monat in Hamburg: das Turnfest und der Deutsche Evangelische Kirchentag. Millionen kommen nach Hamburg. Das "Turnfest - Abendblatt" berichtet täglich über die Ereignisse. Tausende zelten in Bahrenfeld. Bayern und Holsteiner verbrüdern sich auf der Reeperbahn. Gemessener und -innerlicher geht es auf dem Kirchentag zu. Über zehntausend Teilnehmern aus dem Osten können die Hamburger ihre Verbundenheit und ihre Gastfreundschaft bezeigen.

In der Welt draußen gibt es einen vernehmlichen Krach, als die Sowjets, wie Malenkow bestätigt, ihre - erste Wasserstoffbombe hochgehen lassen. Auf Griechenlands ionischen Inseln fordert ein furchtbares Erdbeben Hunderte von Toten. Frankreich setzt den Sultan von Marokko ab und sieht sich einem verheerenden Verkehrsstreik gegenüber. Moskau startet seinen Schlager für die bevorstehenden Bundestagswahlen. Es vereinbart mit Pankow Entlassung eines Teils der Kriegsgefangenen, Rückgabe der Sowjet-AG., Reparationsverzicht und Botschafteraustausch. In Italien sieht sich der neue Premierminister Pella einer Verschärfung im Triestkonflikt gegenüber.

In der katholischen Antoniuskirche In Hamburg gibt Margot Koops ein rührendes Beispiel menschlicher Hilfsbereitschaft: Sie heiratet den tauben und blinden Studenten Franz Swoboda.

Der alte Löwe Churchill ist nach wochenlanger Krankheit wieder im Amt. Von neuem fordert er ein Gespräch mit den Russen. Ägyptens Staatschef Nagib pilgert inmitten Tausender von Moslems nach Mekka. Die bevorstehenden Bundestagswahlen werfen ihre Schatten auf das Monatsende: in Hamburg wählen bereits die Seeleute.

SEPTEMBER

Das Ereignis des Monats für Deutschland und die Welt ist der überraschend hohe Sieg der Bonner Koalition in den Bundestagswahlen des 6. September. Die CDU/CSU allein erringt die absolute Mehrheit. Insgesamt sind es schließlich 336 von 487 Abgeordneten, mit denen Dr. Adenauer rechnen kann. (Die 22 Abgeordneten für Berlin haben kein Stimmrecht.) Die Welt wertet dies als Votum der Westdeutschen für die Europäische Vereinigung. Washington freut sich, Paris zeigt sich zurückhaltend.

Die Westmächte laden Ifoskau zu einer Deutschlandkonferenz in Lugano ein, Moskau kontert mit dem Vorschlag einer Fünferkonferenz unter Einschluß Rotchinas. Lugano wartet vergebens.

Nach Jahren treffen zum erstenmal wieder Heimkehrertransporte aus Rußland ein. Bis zu 2000 sind es an einem Tag. Helfende Hände strecken sich ihnen entgegen. Die Sorge um die Tausende noch immer Zurückgehaltener bleibt.

Aufregung in Hamburg über die Geschichte mit dem Parkgroschen, die die Innenstadt für ein paar Tage auf den Kopf stellt. Wo soll man nun während der Bürostunden seinen Wagen billig lassen? Auf der Autobahn Hamburg ? Lübeck fährt ein Motorradfahrer in eine Kuhherde. 20 000 Kinder schwenken ihre Laterne in Planten un Blomen. In Stuttgart gibt es einen neuen Mercedes, in Rüsselsheim einen neuen Opel. BMW-As Schorsch Meier verabschiedet sich mit einem glänzenden Sieg auf der, Eilenriede vom Rennsport. In Hannover spielen vor Frau Rommel und einem englischen General alte Afrikaner Fußball gegen frühere Gegner aus der siebten englischen Panzerdivision. Es gibt ein stimmungsgemäßes 2:2.

Die Welt hält den Atem an, als ein Verbrecherpaar in Amerika den kleinen Bobby Greenlease ermordet, für den der Vater schon 600 000 Dollar Lösegeld bezahlte. Nürnberg erlebt noch einmal einen Alpdruck aus der Kriegszeit, als ein 40-Zentner-Brocken mitten in de" Stadt entschärft wird. Frau McLean,' britische Diplomatenfrau, verschwindet aus London. Ist sie ihrem Mann hinter

den eisernen Vorhang gefolgt?

360 Bürgermeister sind zum Städtetag in Hamburg versammelt, unter ihnen auch Berlins Ernst Reuter. Er stirbt wenig später, von der freien Welt betrauert.

OKTOBER

Der Bundestag überrascht niemanden, als er bei seinem ersten Zusammentritt nach den Wahlen Konrad Adenauer wieder zum Bundeskanzler wählt. Erheblich schmerzhafter geht es bei der Bildung des neuen Kabinetts zu. Als es sich am 20. vorstellt, hat es 18 Minister. Der von der Post folgt erst im Dezember, Dr. Siegfried Balke, ein energischer Westfale aus Bayern.

Dieselben Geburtswehen gibt es in Berlin, wo CDU-Schreiber die Nachfolge Reuters antritt.

In Bremerhaven kommt eine etwas unheimliche Fracht an: sechs Atomkanonen für die Verteidigung Westeuropas. Gleichzeitig gibt es einen Furtkenregen an der Adria. Der etwas voreilige Entschluß der Angloamerikaner, ihre Zone in Triest zu räumen, löst Truppenbewegungen und geharnischte Proteste in Belgrad und Rom aus. Bis zum Jahresende haben die Diplomaten mit Löschversuchen zu tun.

Vor den Toren Hamburgs feiert ein alter Afrikaner,. Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg, seinen 80. Geburtstag. Das Hamburger Abendblatt bringt als erste deutsche Zeitung 3-D-Bilder. Die "Tina Onassis" macht ihre erste Probefahrt auf der Elbe. \

Die Nobelpreise werden verliehen: der Literaturpreis an Churchill, Friedenspreise an Albert Schweitzer und den früheren US-Außenminister General Marshall, ein Chemiepreis an den Freiburger Professor Staudinger.

In London kommen die drei Außenminister Bidault, Dulles und Eden zusammen, um über die Deutschlandpolitik zu beraten. Zum zweitenmal gibt es eine Flugzeugkatastrophe auf deutschem Boden: Bei Frankfurt verbrennen 44 Passagiere in einem abgestürzten belgischen Verkehrsflugzeug.

NOVEMBER

Bei trockenem, mildem Wetter wählt Hamburg eine neue Bürgerschaft. Es gibt ein hartes Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Hamburg-Block und SPD. Bis in die frühen Morgenstunden des Montag ist der Wahlausgang ungewiß. Schließlich wird das Ergebnis bekannt: die im "Hamburg-Block" zusammengeschlossenen bürgerlichen Parteien werden 62, die Sozialdemokraten 58 Sitze im neuen Stadtparlament haben. 81 v. H. der Wahlberechtigten gingen zu den Urnen.

Zwei prominente Herren treffen im Flugzeug in Fuhlsbüttel ein: Aus Stockholm kommt der deutsche Gesandte Dr. Sieveking, der künftige Hamburger Bürgermeister. Aus Athen der Minister Markezinis, der mit der Bundesrepublik einen umfangreichen Handelsvertrag abschließen wird. Das Hamburger Tiefbauamt meldet am 5. November in berechtigtem Stolz: "Trümmerräumung beendet." 22 Millionen Kubikmeter Schutt sind seit Mai 1945 geräumt worden.

Nach einer enttäuschenden Sowjetnote beschließen die Westmächte, auf den Bermudas eine eigene Deutschland- Lösung zu suchen. Da kommt Ende des Monats eine überraschende Wendung aus Moskau: Der Kreml nimmt die Einladung zu einer Viererkonferenz der Außenminister in Berlin an.

Vor Beginn der Sermudakonferenz gibt es eine viertägige Redeschlacht in der französischen Kammer über die Europapolitik der Regierung. Außenminister Bidault bricht mitten in seiner Rede auf dem Podium zusammen, kann aber mit einer einigermaßen brauchbaren Empfehlung des Parlaments zur "Fortsetzung der bisherigen Politik" ?nach den Bermudas reisen. Die eigentlichen Konferenz-Herren: Amerikas Eisenhower, Englands Churchill und Frankreichs Laniel. Ihr Beschluß: Am 4. Januar 1954 Viererkonferenz in Berlin.

DEZEMBER

Mit dem ersten "konstruktiven Mißtrauensantrag" in der Geschichte der Bundesrepublik setzt die Hamburger Bürgerschaft den alten SPD-Senat ab und ersetzt ihn durch einen Senat unter Dr. Kurt Sieveking.

Die "Metallenen-Sonntage" vor dem Weihnachtsfest lassen in Hamburg alle Umsatzrekorde purzeln. Ein Heer von Käufern wälzt sich durch die festlich beleuchteten Straßen der Innenstadt. Ein tragisches Geschick ruft den alten Seefahrer Kapitän Kircheiss aus dem Leben. Er wird auf der Eibchaussee, fast vor der Gartenpforte seines Hauses, überfahren.

In New York unterbreitet US-Präsident Eisenhower vor dem Forum der Vereinten Nationen einen "Atomplan", durch den der Alpdruck des Atom- Wettrüstens von der Welt genommen werden soll. Eisenhower schlägt einen "Atom-Pool" vor, an den alle Atomkraft produzierenden Länder einen Teil ihrer Uranvorräte abführen sollen. Moskau reagiert zunächst ablehnend, erklärt sich aber am Monatsende überraschend bereit, darüber zu verhandeln.

In der persischen Hauptstadt Teheran wird der frühere Ministerpräsident Mossadeq von milden Richtern nach einer Intervention des Schahs zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Im Königsschloß von Versailles sind 13 Wahlgänge erforderlich, ehe der neue französische Präsident feststeht: der Unabhängige Ren6 Coty.

Während in Bonn und in den Landeshauptstädten der Streit um die Weihnachtsgratifikationen mit bisher nicht bekannter Heftigkeit entbrennt, rüstet man in Berlin zur Viererkonferenz. Während der Weihnachtstage sagt Moskau endgültig zu. Neuer Termin: 25. Januar 1954.

Der Reiseverkehr zum Weihnachtsfest bringt neue Rekorde. Zehntausende passieren die Zonengrenze in beiden Richtungen. Die Interzonenpässe sind längst

abgeschafft. Alle Züge sind überfüllt. Die Bevölkerung legt ein neuesJ3ekenntnis der Zusammengehörigkeit aller Deutschen ab. Auf der Berlin-Konferenz der vier Außenminister wird u. a. auch ein Thema behandelt, das uns alle angeht: die Wiedervereinigung Deutschlands.