Eieener Bericht

H. J. Duhnen, 10. Juli

Über 140 Pferde aus Hamburg, Bre- <men und den nieder sächsischen Zuchtgebieten sind am vergangenen Sonntag in fünf Flachrennen und zwei Traber- Wettbewerben über die Bahn des Duhner Wattrennens gegangen.

Das Rennen in Duhnen stand trotz der offenen Wettbewerbe, die von jedem Stall beschickt werden konnten, im Zeichen einer bäuerlichen oder großbäuerlichen, vom Publikum her einer gut bürgerlichen Veranstaltung. Es war kein falscher Ton im Bilde. Der Mann am Lautsprecher sagte einmal: "Der kleine Dieter hat seinen Vater im Gedränge verloren und weint. Holen Sie ihn doch bitte ab!" Es klang menschlich und natürlich. Die Männer und Frauen auf den Pferden konnten ausgezeichnet reiten. Und wenn sie auch wie Jockeis angezogen waren, bei näherem Hinsehen waren es Menschen, die aufs Feld gehen, den Pflug führen, Heu wenden und die Mistgabel schwingen. Wenn man die Traber auffahren und in manchmal klassischer Bewegung vor dem erhabenen Hintergrund des Meeres mit großen Schiffen und Segelbooten dahineilen sah, so offenbarte sich darin eine tiefe, echte Kultur der Menschen, die diese schönen Tiere gezüchtet und trainiert haben. Unwillkürlich dachte man daran, daß Agamemnon, Menelaos und Odysseus Bauern waren, und daß die Meeresgöttin Thetis diesen rustikalen Pferdeliebhabern einst ein Vierergespann als Ehrenpreis stiftete.

Auch ein Amazonenrennen, genannt "Kugelbakerennen", wurde gelaufen. Die Amazonen waren so, daß man ihnen Bindings "Reitvorschrift für eine Geliebte" zu Weihnachten schenken könnte, also im angenehmsten Sinne ein ganz klein wenig von gestern, nein, von vorgestern. Bitte, das ist ein Kompliment! Oder ist es kein Kompliment, wenn man von einem kaum vierzehn- oder fünfzehnjährigen Mädchen, das auf einem schönen Pferd sitzt, sagen möchte: "Das wird einmal eine Dame!" Ein bißchen seltener sind doch die Damen, an denen es gar keinen Zweifel gibt, geworden?

Das Auftreten von Vorführdamen während des Duhner Wattrennens soll der Rennausschuß dagegen abgelehnt haben. Die Bauern und Gutsbesitzer, die das Rennen ausrüsten und beschicken, empfinden das Mannequin - Treiben im Derby-Stil als unpassend für Duhnen. Aber dann, ja, dann lassen sie sich einen Namen für ihr Fest aufreden, der doch verdächtig nach Reklame klingt: "Rennen auf dem Meeresgrund."

Dieser Titel ist nicht gerade unwahr, denn die Rennen finden während der Ebbe im Wattenmeer statt, und wenn die Flut kommt, dann bedeckt das Wasser die abgesteckte Bahn. Aber so tief, daß auch danach ein Kind von acht Jahren auf dem Meeresgrund herumlaufen könnte, ohne am Bauchnabel naß zu werden. Die Ankündigung "Rennen auf dem Meeresgrund" ist ein Versprechen auf größere Naturwunder als die gebotenen. Und dabei haben sie nicht einmal nötig, so sehr auf die große Pauke zu schlagen. Denn das Bild dieses Rennens ist so einmalig und bezaubernd, die sportliche Leistung so gut, das Pferdematerial so schön und die gesellschaftliche Atmosphäre so sauber und anständig, daß die Überschrift deplaciert und irreführend wirkt.