Von unserem Redaktionsmitglled

M. Soltau, 10. August

Ein Nebel von Gerüchten braut um den Wilseder Berg. Alle paar Wochen wird die Stille der Urheide zerrissen vom Kreischen und Rasseln der Panzerketten. Die Bauern von Behringen starren dann auf das stählerne Heer, das sich über die Heide wälzt, die grüne Narbe zerreißt und die Kiefern plattwalzt. Der Schäfer mit seiner Schnuckenherde, der ja ein philosophischer Mann ist, steht stumm vor dem verwundeten Land und weiß nicht, was er sagen soll.

Wir waren also in Sorge, in welcher Verfassung wir den berühmten Berg nach bösen Jahren wiederfinden würden. Aber da erweist sich doch die alte Erfahrung, daß die Natur immer mächtiger ist als der Mensch. Gewiß, der Wilseder Berg, über den jahrzehntelang Millionen wanderfreudiger Jugend hinweggezogen sind, hat viel erlebt. Die anrückenden Engländer Ende April 1945 hatten Mißtrauen, der Berg könnte eine heimliche Burg sein. Er war es nicht So kam es nur zu einigen sinnlosen Schießereien unten in Haverbeck und Wintermoor. Buhrs Wirtshaus ging noch In Flammen auf. Notabwurf von Bomben riß dem Wolfsgrund Breschen. Die Masse der Panzer rollte kampflos drüberweg. Helle Sandspuren kreuz und quer stammen noch von damals.

Dann freilich entdeckten die Norweger das steile Land als Manövergebiet. Nach ihnen kamen die Engländer und machten eine Training area daraus. Aber das geschieht doch nur drüben gegen Südwesten, auf Heber zu. Quer davor hat das wütende Feuer vom Mai 1947 einen kahlen Gürtel gefressen, in dem noch verkohlte Baumstrunken stehen. Oft haben Panzerketten den Heidehängen Wunden gerissen, so daß der gelbe Sand hervorbricht. Regen schwemmt die Wunden auf. Sorge für den Förster von Wilsede. Im Osten überm Steingrund liegen Wacholder zu Hunderten niedergewalzt und ausgerissen. Haufen von dürrem Holz sind das Ende. Über den kahlen Schädel des Wilseder Berges sind zahllose Schützenlöcher gestreut. Grellgelb brennen die Sandflecken. Der treue Wanderer findet manches verändert.

Vielleicht hätten wir ein Recht, lauter zu klagen, wenn nicht die Jugend selbst lieblos mit dem Land umginge. Der berühmte Schafstall läßt sich nur noch mit viel Stacheldraht vor ihren Händen retten. Erziehung in den Schulen zur Achtung vor der Natur tut wieder not Die Generation der Eltern, die sich vor vierzig Jahren die Schönheiten der Heide zu erwandern begann, wird müde, stirbt aus. Von der Liebe der Jugend hängt also das Schicksal des Berges ab. Die andrängende Flut der Kuscheln, in der die einsamen Wacholder ertrinken, droht vertraute Bilder zu zerstören. Viele freiwillige Arme "sind nötig zu helfen!

Aber das Bild der Landschaft im ganzen und großen ist so schön wie damals, als Pastor Bode begann, das Hohelied der Heide zu predigen. In seinem Geist lebt noch der Verein Naturschutzpark und muht sich, der Landschaft, von der ihm wohl an die siebzig Quadratkilometer gehören, ihre Stille und Eigenart zu bewahren. Viele Höfe sind sein Eigentum, aber mehr eine Last als eine Quelle des Wohlstands. Die Zeiten sird leider vorbei, da Städte und Länder große Summen gaben (Hamburg noch 4000 DM), als die Bevölkerung selbst noch Opfer brachte oder bringen konnte.

Und trotzdem, die Autobusse rollen schon wieder, von Hamburg herunter, aber auch von weit her. (Die sonntäglichen Fahrgelder müßten niedriger werden!) Die Verkehrsdirektoren aus dem ganzen Süden und Westen waren kürzlich da, sich zu orientieren. In Wilsede sind sie schon wieder gerüstet, sonntags Hunderte von hungrigen Wanderern mit Braten und Brause zu versorgen. Der Wilseder Berg ist im Erwachen. Ein paar Jahre hat er sich geduckt unter den scharfen Winden der Zeit. Aber nun dehnt sich das Land. Weithin reckt sich schon der rötliche Schimmer der Heide. Und mancher Wacholder versieht schon wieder sein Amt als Wächter helmlicher. Liebe. Insofern hat "ich nichts geändert.