Ab heute ist die Modewelt in Berlin zu Gast. Große Labels wie Hugo Boss treffen auf Eco-Designer und Newcomer aus Skandinavien.

Die Dauerbrenner:

Mit seinen 31 Jahren, so könnte man meinen, gehört Kilian Kerner noch zu den Nachwuchshoffnungen innerhalb der deutschen Designszene. Dafür spricht sein Alter. Dagegen spricht seine bereits sechste Kollektion, die er auf der Berliner Fashion Week präsentiert. „Leg dich neben mich“ heißt sie, inspirieren ließ er sich dafür von sehr persönlichen Erlebnissen. „2010“, sagt der gebürtige Kölner, „war geprägt vom Hochgefühl des Verliebtseins bis hin zur Verzweiflung über den Verlust eines geliebten Menschen durch Freitod.“ Ein emotionales, ein aufwühlendes Jahr für den Autodidakten, der ursprünglich Schauspiel studierte. Dies spiegelt sich auch in seinen aktuellen Entwürfen wider. Einerseits dominiert die Farbe Schwarz und ein minimalistischer Stil, der gleichzeitig durch leichte Materialien wie Seide und Chiffon sowie glamouröse Kristall-Applikationen aufgelockert wird. Ein Spiel der Gegensätze also, wie es Kilian Kerner liebt. Und wofür er von seinen Stammkunden Bill Kaulitz, David Kross und Anke Engelke geliebt wird. Als „tragbare Eleganz, die Gefühlswelten transportiert“ bezeichnet er selbst die Mode seines 2004 in Berlin gegründeten Labels. Dass es überhaupt dazu kam, verdankt er übrigens einem Nena-Konzert. Hier trug er ein selbst kreiertes T-Shirt, auf das die Sängerin aufmerksam wurde und es ihm sofort abkaufen wollte. Er lehnte ab, brachte ihr dafür eines zum nächsten Auftritt mit. Es folgten Aufträge für Nenas Bühnenoutfits. Und eine beeindruckende Karriere.

Bescheidenheit ist seine Sache nicht. Michael Michalsky, 43, liebt den großen Auftritt. Das gilt für ihn selbst – und für die Inszenierung seiner Mode. So darf bestimmt einmal mehr gestaunt werden, welche Stars, welche Models und welche Show-Acts der Wahlberliner zu seiner StyleNite, dem größten Offsite-Event der Berliner Fashion Week, ins Tempodrom locken kann. Ein Höhepunkt steht schon fest: es wird eine Deutschland-Premiere des neuen Disney-3D-Films „Tron Legacy“ mit Jeff Bridges geben. „Das Thema meiner Kollektion passt perfekt zum Film“, sagt Michalsky, der am London College of Fashion studierte und unter anderem für Adidas und Levi’s arbeitete. „Urban Nomads“ nannte er seine jüngste Kreation. Sie soll einer Hommage an den urbanen Lebensstil gleichen, mit futuristischen Elementen, mit von Metallfäden durchwobener Seide, dreidimensionalen Fransenstoffen und geometrischen Schnitten. Bereits zum achten Mal ist er mit seinem 2006 gegründeten Label im Rahmen der Berliner Modewoche dabei. „Real clothes for real people“ ist das Motto Michalskys. Und manchmal darf auch ein bisschen Fiktion dabei sein.

Die Grünen:

Nachhaltigkeit ist in aller Munde und also auch ein wiederkehrend großes Thema bei der Modewoche. Modedesigner aus ganz Europa stellen im „Green Showroom“ im feinen Hotel Adlon aus. Im Mittelpunkt stehen die umweltfreundliche und möglichst regionale Produktion, die Vermeidung chemischer Stoffe, aber auch faire Arbeitsbedingungen. Die gelernte Schneiderin und Designerin Christina Krämer etwa, die mit ihrem Label 2005 von Bielefeld nach Zürich zog, verbindet in ihren Entwürfen natürlichen Luxus und handwerkliche Tradition. Die Berlinerin Julia Knüpfer gewann mit ihrem Label ICA Melon den „Designer For Tomorrow Award“ im Rahmen der Mercedes Benz Fashion Week 2009. Ihre aktuelle „Living Room“-Kollektion fällt durch voluminöse Schnitte und groben Strick auf – High Fashion und natürliche Materialien in Kombination.

Auch die Händlermesse „Premium“ greift den grünen Trend auf und bietet Eco- Designern eine große Ausstellungsfläche. Die Hamburgerin Julia Starp ist eine von ihnen. Für die 28jährige JAK-Absolventin ist umweltbewusstes Arbeiten fast selbstverständlich, „das Design steht im Vordergrund, wie bei anderen High Fashion-Designern auch.“ Ihre Mode sei „Kunst zum Anziehen“, sie zeigt ihre aktuelle Kollektion „Spiegelverkehrt“ bei einer „offsite“-Schau im Kreuzberger Umspannwerk. An eine Schau am Bebelplatz, wo Größen wie Hugo Boss, Rena Lange oder Unrath & Strano zeigen, sei für Newcomer wie sie noch unerreichbar. „Unter 20.000 Euro läuft da gar nichts“, sagt Julia Starp, die aber immerhin von 23 Sponsoren unterstützt wird – ein wirtschaftlicher Vorteil der gerade sehr aktuellen grünen Design-Avantgarde.

Die Nordlichter:

Ein weiterer Schwerpunkt sind in diesem Jahr skandinavische Designer. Für die Nordlichter ist Berlin das Tor zu einem der absatzstärksten Märkte Europas. Die pastelligen Farben und verspielten Schnitte kommen hier besser an als der extravagante Chic italienischer oder spanischer Designer, was allein die starke Präsenz von skandinavischen Ketten wie Vero Moda, H&M und Jackpot beweist. Aus der aufstrebenden Modemetropole Stockholm kommen vielversprechende Kreative wie Camilla Norrback: Sie ließ sich für ihre märchenhaft-verspielte „Veruca und Charlie“-Kollektion von dem Film „Charlie und die Schokoladenfabrik“ inspirieren. Dass Schweden nicht immer nur niedlich können, beweisen Diana Orving und Ida Sjöstedt, ebenfalls aus Stockholm, mit rockigen Entwürfen aus Seide, Tüll und Spitze, die sie selbst als „tasteful kitsch“ beschreibt, sich aber in erster Linie um Nachhaltigkeit, Demokratisierung und eine Hinwendung zum Menschen drehen.