Michel Parmigiani gilt als Künstler unter den Uhrmachern. Ab sofort wird eine Auswahl seiner Werke beim Juwelier Hansen in Hamburg verkauft.

So richtig wohl fühlt er sich nicht. In Jeans und Sakko, die gelbe Krawatte leicht schief gebunden, sitzt er auf dem schweren Ledersessel. Hinter ihm sind in den Vitrinen des Juwelier Hansen einzelne Uhren zu sehen, vor ihm stehen Fotografen. Michel Parmigiani lächelt, etwas schüchtern. Das liegt ihm nicht, das Posieren in der Öffentlichkeit. Erst als es zum Gespräch kommt, lehnt er sich zurück, entspannt sich. Schließlich reden wir über Uhren. Nicht irgendwelche. Sondern seine eigenen. Hier, in dem Geschäft an den Großen Bleichen, werden sie zukünftig verkauft. Die Modelle Bugatti, Tonda Hemisphere oder Questor etwa. Zu Preisen von 15.000 bis 375.000 Euro. Nicht gerade Schnäppchen. Aber der Schweizer aus dem 1000-Einwohner-Ort Fleurier möchte in seiner 1996 gegründeten Manufaktur keine Massenware produzieren. Jedes kleinste Bestandteil wird von rund 500 Mitarbeitern handgefertigt, die 50 verschiedene Handwerksberufe ausüben. So entstehen mechanische Meisterwerke mit aufwendigen Details. Die Zeitmessung selbst wird zur Nebensache. Es sind kunstvolle Stücke für Liebhaber. Vermögende Liebhaber. Ölscheichs, Prinz Charles oder Schauspielerin Penélope Cruz tragen ein Modell, an dem Michel Parmigiani mehrere Monate lang arbeitet. In seinem Atelier, wo er ungestört bleiben kann. Meist ist er allein. Mit Drehbank, Schleifmaschine, Schraubstock. Und mit seinen Uhren.

Hamburger Abendblatt : Herr Parmigiani, könnten Sie auf Ihre Uhr verzichten?

Michel Parmigiani : Warum? Haben Sie Interesse? Ehrlich gesagt, es würde mir schwer fallen. Meine Uhr hier zeigt zwei Zeitzonen an. Das ist für mich momentan sehr hilfreich, da ich viel unterwegs bin. So weiß ich immer, wie spät es bei mir zu Hause ist. Falls ich meine Familie anrufen möchte.

Abendblatt : Man weiß nur wenig über Sie privat. Sie gelten als Einzelgänger. Zu Recht?

Parmigiani : Aber ja! Ich brauche meine Unabhängigkeit. Ich will nicht bei der Arbeit gestört werden. Das ist für mich der Inbegriff von Luxus.

Abendblatt : Das gilt auch für Ihre Uhren...

Parmigiani : Luxus ist doch nichts Materielles. Luxus ist für mich, zu Fuß zur Arbeit zu gehen. In der Natur zu leben, abseits von großen Städten. Sich Zeit zu nehmen, Dinge zu überdenken. Das ist Luxus.

Abendblatt : Sind Sie ein geduldiger Mensch?

Parmigiani : Ich muss es zwangsläufig sein für meinen Beruf. Es ist wichtig, den Körper zu kontrollieren. Man muss perfekt sitzen, stundenlang. Ähnlich wie ein Violinist.

Abendblatt : Und wann verlieren Sie mal die Geduld?

Parmigiani : Wenn Zeit fehlt. Das ist ein Alptraum. Wir wollen die Zeit zeigen und dafür benötigen wir eben welche. Wenn ich unter Druck arbeite, etwas zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig stellen muss, dann werde ich nervös.

Abendblatt : Was bedeutet eine Uhr für Sie?

Parmigiani : Ich sehe mich als Künstler. Ähnlich wie ein Designer von Haute Couture. Uhren sind für mich Kunstwerke, denn sie zeigen Werte.

Abendblatt : Entsprechend hochwertig sind die Preise.

Parmigiani : Natürlich ist unsere Kundschaft sehr vermögend. Doch sie schätzen auch das Besondere. Es geht ihnen nicht darum zu protzen.

Abendblatt : Aber das Jetset-Leben vieler Ihrer Kunden reizt Sie nicht?

Parmigiani : Nein. Wer in einem Ort mit 1000 Bewohnern aufgewachsen ist, der verliert nicht so schnell die Bodenhaftung. Wobei, manchmal würde ich mir wünschen, vermögend zu sein. Um eine Uhren-Sammlung aufzubauen.

Abendblatt : Die besitzen Sie noch nicht?

Parmigiani : Ich habe über 20 Uhren zu Hause. Für mich sind sie wie Kinder. Jede mit ihrem eigenen Charakter und einer eigenen Persönlichkeit.

Abendblatt : Sie haben drei Kinder - abgesehen von Ihren Uhren. Konnten Sie eins davon für die Uhrmacherei begeistern?

Parmigiani : Meine Tochter, sie ist 31, arbeitet als meine Assistentin. Mein Sohn ist Gärtner und meine 14-jährige Tochter möchte später gern Stylistin werden. Durchaus also künstlerische Berufe.

Abendblatt : Uhrmacher ist auch nicht unbedingt der Berufswunsch Nummer 1. Wie sind Sie dazu gekommen?

Parmigiani : Ich bin im Val-de-Travers aufgewachsen, in dem es viele bekannte Uhrmacher gegeben hat. Als Kind stand ich stundenlang vor der Büste von Ferdinand Berthoud, einem Meister der Uhren. Ich war fasziniert von dieser Kunst und neugierig. Und die Arbeit im stillen Kämmerlein passt zu meiner Persönlichkeit.

Abendblatt : An welcher Uhr haben Sie am längsten gesessen?

Parmigiani : Die Restauration der Tischuhr „Sympathique“ aus dem 18. Jahrhundert hat mich über 2000 Arbeitsstunden gekostet.

Abendblatt : Brauchen wir überhaupt noch Uhren, heutzutage? Es gibt Handys, IPads...

Parmigiani : Eine Uhr ist nicht mehr dafür da, uns die Zeit anzugeben. Sie ist ein individuelles, exklusives Accessoire. Sie definiert den Träger, sagt, wer wir sind. Wie wir ticken, wenn wir bei dem Bild bleiben wollen.

Abendblatt : Wünschen Sie sich manchmal etwas Entschleunigung?

Parmigiani : Da wären wir wieder beim Luxus. Die größte Herausforderung ist es, sich Zeit zu nehmen. Wir überlegen nicht mehr, was mir gerade tun. Wir machen es, ohne über den Sinn nachzudenken.

Abendblatt : Als Kind, sagten Sie in einem Interview, hingen Sie häufig Ihren Tagträumen nach. Wovon träumen Sie heute?

Parmigiani : Ich möchte ein außerordentliches Objekt schaffen. So etwas wie einen universellen Kalender. Ich möchte gern in der Geschichte in Erinnerung bleiben, so wie mein Vorbild Berthoud. Meinetwegen auch ohne Büste.

Juwelier Hansen, Große Bleichen 8, Telefon: 357 13220