Stilmix ist angesagt. Eine Stylistin gibt Tipps, wie Bewahrtes und Neues neu kombiniert werden können.

Hamburg. "Wieso etwas Neues kreieren, wenn es doch so viele schöne Stile gibt, die wieder belebt werden können? Für das Neue haben wir noch massig Zeit. Das Jetzt sollten wir nutzen, um Comebacks zu feiern." So wie die Hamburger Mode-Bloggerin Thuy Ha, 20, sehen es anscheinend auch viele internationale Designer. Ein Blick auf die diesjährigen Herbst/Winter-Trends offenbart kaum Neues, dafür um so mehr Anleihen aus vergangenen Jahrzehnten: Verspieltheit aus den 40ern, Minimalismus aus den 60ern, Punk-Chic aus den 80ern. Verkauft wird dieser Nicht-Trend als Neo-Vintage, also als neue Mode mit Patina.

Sehen Kritiker darin die Sehnsucht einer finanzkrisengebeutelten Gesellschaft nach der guten alten Zeit, greifen Stylisten und Moderedakteure die Zitate dankbar auf, kombinieren Klassiker mit dem Hippie-Chic der 70er Jahre und spielen mit Materialien und Farben. So gelangen die modischen Aufgüsse wieder und wieder in die Magazine, die doch eigentlich zu Neuem aufrufen und inspirieren sollen. Doch anstatt sich darüber zu ärgern, sollte man den Nostalgie-Trend pragmatisch sehen: Bleibende Werte ersetzen schnelllebige Trends. Im Klartext: Wenn nichts Neues kommt, muss auch der Kleiderschrank nicht mehr jede Saison komplett umgerüstet werden.

Die Hamburgerin Nathalie von Gordon, 35, arbeitet als Stylistin für Magazine, Werbung und Kataloge. Sie weiß, was im Herbst angesagt ist und welche Trends den Mode-Sommer überleben. "Die leuchtenden Farben des Sommers bleiben, allerdings werden sie nun durch die Kombination mit dezenten Nude- (transparent) und Cameltönen herbsttauglich gemacht."

Eine Chinohose in der neuen Trendfarbe Rot etwa passt gut zu einem camelfarbenen Mantel. Letzterer ist laut Nathalie von Gordon ein Must-have des Herbstes: "Klassisch geschnitten wertet er jedes Kleidungsstück auf und lässt sich perfekt kombinieren." Ihr Profi-Tipp: Accessoires sparsam dosieren. So kommen Farben wie Pink und Orange richtig zur Geltung.

Das Jahrzehnt, das sich modisch am längsten hält, sind die 70er Jahre. "Ob Schlapphut zur Schlaghose oder lange Seidenschals zu Pullunder und Blumenkleid - wer es verspielter und farbiger mag, liegt mit dem 70er-Look nach wie vor goldrichtig", sagt Nathalie von Gordon. Dazu gehören auch XXL-Röcke. Mit Boots, schmal geschnittenen Lederjacken oder Westen aus Fake Fur, die in der Taille gegurtet werden, ist man auch für kältere Temperaturen gerüstet. Auch die Schuhmode ist vom 70er-Revival inspiriert: Modelle mit Plateau-Absätzen überdauern den Winter. Außerdem sehr angesagt: Collegeschuhe mit Quasten und Schnallen.

Thuy Ha, die für Otto den Mode-Blog "Two for Fashion" schreibt, sieht für Herbst und Winter einen Trend hin zu mehr Weiblichkeit: "Man trägt wieder öfter Kleider, Röcke und Blusen, und auch die Materialien werden transparenter, fließender und fallender. Fell und Strick kombiniert mit Chiffon oder Seide macht die Sommergarderobe herbsttauglich. Dazu gehört auch das schwarze Spitzenkleid. Dolce & Gabbana machte es in diesem Sommer salonfähig. Im Herbst wird das Kleid mit Lederjacke, Schal, dicker Strumpfhose und Ankle Boots wetterfest. Und wo bekommt man die dafür nötigen Accessoires und schicken Einzelteile? "Bei Anita Hass in Eppendorf gibt es tolle Designerkleider, Vintage-Mode gibt's im Kleidermarkt, und bei Stoffsüchtig am Hafen stöbere ich gern nach ausgefallenen Labels", sagt die Bloggerin.

Der klassische Blazer ist auch in der kommenden Saison nicht wegzudenken. Sportlich wird er mit Jeans und gekrempelter Chinohose getragen: Femininer wird der Look mit Spitzen- oder Schluppenbluse (mit vorn gebundener Schleife), modern mit knalligem Top und Clutch (eine flache, henkellose Handtasche, die man unter den Arm klemmt). Abends ersetzt der Blazer mit passender Anzughose das Abendkleid. Tipp der Stylistin: "Auf gute Materialien und eine leichte Schulterbetonung achten."

Eine edlere Variante des Blazers ist das Boucléjäckchen, gerne als Kostüm gestylt. Damit der Look im Alltag nicht zu erwachsen oder konservativ wirkt, sollte man die Jacke mit kleinen Stilbrüchen auflockern, etwa mit einer nietenbesetzten Umhängetasche. Oder man trägt dazu einfach Jeans, weißes T-Shirt und High Heels. Auch verschulden muss sich niemand, um diesen Trend mitzumachen. Zwar machte Chanel als erstes Modehaus die Boucléjacke populär, aber mittlerweile haben Firmen wie Cinque, COS und Benetton den Look aufgegriffen und bieten Modelle zu erschwinglichen Preisen an. Noch ein Klassiker, der bleibt: der Trenchcoat. "Er ist absolut vielfältig kombinierbar, kann zu Jeans, Leggins, aber auch zu Kleidern getragen werden und sieht dabei immer schick aus", so Natalie von Gordon. "Noch dazu passt er zu allen Jahreszeiten. Ein hochwertiger, schlicht geschnittener Trenchcoat rundet nicht nur jedes Outfit ab, er setzt immer auch ein modisches Statement."

Um modisch immer gut gerüstet zu sein, empfiehlt die Stylistin neben diesem Evergreen folgende Klassiker im Schrank zu haben: weißes Hemd, "kleines Schwarzes", ein paar schlichte T-Shirts, gut sitzende Jeans, Hosenanzug, Lederjacke und schwarze Pumps. Für Männer sieht Nathalie von Gordon ein neues Stilvorbild: "Mr. Kate Moss" Jamie Hince. "Der Musiker verkörpert den Rock'n'roll-Gentleman - einerseits lässig, andererseits umwerfend smart." Zu seinem Look gehören schmal geschnittene Anzüge (gern Doppelreiher) mit Jeanshemd oder tief ausgeschnittenem Oberteil und Einstecktuch. Lederjacken werden mit Chinos, Cardigan und Paisleytuch getragen. Bloggerin Thuy Ha ergänzt: "Männer brauchen in diesem Jahr unbedingt eine Sonnenbrille der Marke Ray Ban Wayfarer."

Grundsätzlich gilt: Sich nie komplett nach der Mode richten, sondern die eigene Garderobe mit ein paar modischen Accessoires und Einzelteilen ergänzen. Nathalie von Gordon: "Wichtig ist, den eigenen Stil zu finden - wer man ist und worin man sich wohlfühlt."