Für die Frauenzeitschrift “Brigitte“ zeigten die Polizistinnen Mirjam Lamberty und Kathrin Perrone ihre weibliche Seite.

Hamburg. Das Beste sind die Stiefel. Eng um den Knöchel geschnürt, das Leder im Leopardenlook, 15 Zentimeter hoch der Absatz. Mit diesen Stiefeln rennt Mirjam Lamberty durch den Eutiner Wald. In der Hand einen Seidenschirm aus den Fünfzigerjahren. Die Haare elegant zum Dutt gesteckt, die Augen geschminkt, den Blick geradeaus. Wer die junge Frau durchs Unterholz laufen sieht, käme nie auf die Idee, dass hier eine Polizistin im Einsatz ist.

Gut hundert Kilometer weiter lehnt sich Kollegin Kathrin Perrone in einer Hamburger Bar lasziv auf einem Stuhl zurück, hinter Lagen von Seidenchiffon entblößt sie ihr Bein. Die blonden Haare sind zu wilden Locken frisiert, die Augen mit dickem Lidstrich umrandet. Den Hals schmückt eine Kette von Martin Hardt. Die Polizistin lächelt. Der Fotograf macht sein Bild.

Fotoshooting für die Zeitschrift "Brigitte", die heute mit dem Thema erscheint. Statt professioneller Models stehen 14 Polizistinnen am Set. Sie kommen aus der ganzen Republik. Zwei von ihnen sind aus Hamburg: Mirjam Lamberty, 27, und Kathrin Perrone, 30. Sie haben sich gemeinsam mit 2800 Ordnungshüterinnen aus Deutschland bei der Zeitschrift für die Produktion der neuen Herbst-Winter-Mode beworben. Das Shooting, Teil der im Januar gestarteten Brigitte-Initiative "Ohne Models" ist für Chefredakteur Andreas Lebert eine Möglichkeit, "das wahre Leben in die Zeitschrift strömen zu lassen". Für Lamberty und Perrone ist es hingegen die Chance, aus ihrem wahren Leben in den schönen Schein der Modewelt einzutauchen. Es ist ein kleiner Abstecher in eine Welt, die so ganz anders ist als ihr uniformierter Alltag. Bunt, fantasievoll, schillernd. Eine Welt, in der es um das Äußere geht, um Ausstrahlung und Wirkung. Und weniger um den Menschen, der dahinter steht.

Mirjam Lamberty ist Diensthundeführerin und seit 2003 bei der Hamburger Polizei. Mit Schäferhund Tores sorgt sie in den Parks für Sicherheit und Ordnung. Polizeikommissarin Kathrin Perrone ist als Streifenpolizistin in Langenhorn unterwegs und klärt an Schulen über Gewaltprävention auf. Beide mögen ihren Beruf, die Klarheit, die Regeln und die Uniform. Hose, Bluse, Jacke - alles dunkelblau. Am rechten Ärmel prangt das Hamburg-Wappen, auf den langen Haaren, die im Dienst zum strengen Pferdeschwanz zurückgebunden werden, sitzt die Mütze mit dem Stern. So wie bei ihren 6578 Kollegen von der Schutzpolizei, von denen 1518 weiblich sind.

Und doch ist da die Sehnsucht, einmal auszuscheren. Sich abzugrenzen. Individuell zu sein statt uniform. Als Mirjam Lamberty und Kathrin Perrone im Intranet der Polizei von der Brigitte-Aktion lesen, nutzen sie ihre Chance, wie so viele andere auch. "Bei uns haben sich etliche Kolleginnen für das Shooting beworben", sagt Mirjam Lamberty. "Ich hätte nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet ich dabei sein darf." Mirjam mit den Modelmaßen, 1,73 Meter groß, Konfektionsgröße 34/36, lange braune Haare und braune Augen. Und Kathrin, 30 Jahre alt, 1,75 Meter groß, Konfektionsgröße 36, Haarfarbe hellblond, Augenfarbe grün. Sie schicken Bewerbungsfotos, es sind Portraits und Bilder aus dem Urlaub. Kurze Zeit später die Zusage. 13 Tage dauert das Fotoshooting. Für jedes Model werden zwei Tage gerechnet. Fotografiert wird in Hamburg, St. Peter Ording, München und im Bayerischen Lenggries.

Elf Stunden dauert ein Arbeitstag. Achtmal wird das Outfit geändert, neu frisiert, nachgeschminkt. "Allein eineinhalb Stunden habe ich in der Maske gesessen", sagt Kathrin Perrone, die mit zwei Kolleginnen aus Düsseldorf und Magdeburg sechs Seiten mit Abendmode füllt. Die 30-Jährige schlüpft in Kleider von Sibilla Pavenstedt für 3900 Euro und Blazer von Escada für 830 Euro. "Ich habe es genossen, einmal ein exklusives Designerkleid tragen zu dürfen", sagt sie. "Das wird mir wohl nie wieder passieren." Und dennoch wird ihr durch das Erlebnis als Model erneut klar, dass sie genau den richtigen Beruf gewählt hat. "Ich begegne nicht nur Menschen, sondern erlebe mit ihnen den ganz alltäglichen Wahnsinn - da braucht es keine Scheinwerfer und keine Maske, um das Bild, das entstehen soll, interessant zu machen."

Kollegin Mirjam Lamberty nimmt die gleiche Erkenntnis mit. "Es war schön, in eine andere Rolle zu schlüpfen, aber ich vermisse nichts." Oder besser: fast nichts. Die Leopardenstiefel, die hätte Mirjam Lamberty dann doch gern vom Set mitgenommen. Und weiterhin zum Einsatz gebracht. Nicht als Beamtin, nicht als Model, sondern als Frau. Nach Dienstschluss, versteht sich.