In einem von der Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH geführten Verfahren möchte das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg einer Klage eines VW Geschädigten auf Neulieferung eines VW Tiguan stattgeben. Dies hat das Gericht in dem Verfahren 4 U 97/17 in einem Hinweis vom 26.10.2018 angekündigt.

Lahr (ots) - In einem von der Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH geführten Verfahren möchte das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg einer Klage eines VW Geschädigten auf Neulieferung eines VW Tiguan stattgeben. Dies hat das Gericht in dem Verfahren 4 U 97/17 in einem Hinweis vom 26.10.2018 angekündigt. Nachdem der Kläger feststellte, dass sein Fahrzeug von dem VW Abgasskandals betroffen ist, entschloss er sich eine Klage gegen die Volkswagen Automobile Hamburg GmbH zu erheben. Da er bei dieser einen neuen Volkswagen Tiguan Sport & Style BlueMotion 2,0l TDI im Jahre 2014 gekauft hatte, verlangte er nicht wie viele Geschädigte die Rückabwicklung des Kaufvertrages, sondern gemäß § 439 BGB die Neulieferung eines neuen Tiguan aus der aktuellen Serienproduktion. Dies wurde außergerichtlich zurückgewiesen, weshalb der Kläger Klage beim Landgericht Hamburg erhob. Dort wurde die Klage erstinstanzlich abgewiesen. Das Landgericht Hamburg begründete dies damit, dass Unmöglichkeit der Nachlieferung vorliege. Das neue Modell des VW Tiguan unterliege erheblichen Veränderungen im Vergleich zu dem alten Modell, weshalb gemäß § 275 BGB keine Neulieferung verlangt werden könne. Gegen dieses Urteil legte der Kläger Berufung zum hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg ein.

Mit einem Hinweis vom 26.10.2018 wies das Oberlandesgericht darauf hin, dass es der Klage entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts stattgeben möchte. Das Fahrzeug ist nach Ansicht des Oberlandesgerichts mangelhaft. Das Oberlandesgericht sieht keine Unmöglichkeit. Nach Auffassung des Gerichts sind die Abweichungen zwischen dem ausgelieferten Fahrzeug und den derzeit hergestellten Fahrzeugen nicht so gravierend, dass eine Nachlieferung unmöglich wäre. Vielmehr handele sich um kleinere technische oder optische Veränderungen, die aber weder das Erscheinungsbild des Fahrzeugs noch dessen technische Ausrichtung grundsätzlich verändern. Das Gericht führt in seinem Hinweis wörtlich aus:

"Dass an dem streitgegenständlichen Fahrzeug ein Mangel vorhanden ist, dürfte nach bisheriger Einschätzung im Sinne von § 291 ZPO unzweifelhaft sein. Das Vorliegen der Besonderheiten der Steuerungssoftware des PKW ist ohnehin unter den Parteien nicht streitig. Soweit sich fragt, ob darin ein Mangel im Sinne von § 434 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu sehen ist, dürfte nach der umfassenden Berichterstattung in den Medien und der öffentlichen Diskussion über diese Frage, allgemein bekannt sein, dass die solchermaßen ausgestatteten Fahrzeuge nicht in allen Orten die üblichen Zufahrts/Durchfahrtsrechte haben können und von daher für die vom Vertrag vorausgesetzte Verwendung nicht geeignet sind.

Problematischer könnte indessen das Begehren des Klägers auf Nachlieferung sein, weil das Landgericht vollkommen zutreffend die Überlegung angestellt hat, ob nicht wegen der unterdessen vorgenommenen Änderungen der Beklagten bzw. des Lieferunternehmens am Produkt die begehrte Nachbesserung im Sinne von § 275 Abs. 1 BGB unmöglich geworden ist, so dass eine Nachlieferung gemäß § 439 Abs. 3, 275 Abs. 1 BGB nicht geschuldet sein könnte. Allerdings wird diese Frage nach derzeitiger Übersicht des Gerichts in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich gesehen, was sich auch schon aus den in Berufungsbegründung und Berufungserwiderung von den Parteien jeweils zitierten vielfachen Entscheidungen ergibt. Nach einigen Ansichten liege ein Fall der Unmöglichkeit vor, da bei Modellveränderungen eine Besserstellung des Kunden erfolge, welche vom Nacherfüllungsrecht und dessen Sinn und Zweck nicht gedeckt sei (LG Darmstadt Urteil vom 27. März 2017, Az.: 13 O 543/16; LG Kempten Urteil vom 29. März 2017 Az.: 13 0 808/16). Diesen Entscheidungen steht allerdings gegenüber, dass auch vertreten wird, dass beim Gattungskauf der Verkäufer so lange Nachlieferung zu leisten hat, wie die Gattung (das Fahrzeugmodell) überhaupt noch hergestellt werde und am Markt verfügbar sei (Staudinger-Caspers, Kommentar zum BGB, § 275 Rdnr. 19 m.w.N.). Daher bestehe auch bei Abweichungen durch eine Modelländerung grundsätzlich ein Nachlieferungsanspruch (so etwa LG Offenburg Urteil vom 21. Juni 2017 Az.: 3 O 77/16 oder LG Aachen Urteil vom 8. Juni 2017 Az.: 12 O 347/17). Auch das Landgericht Hamburg hat nach Kenntnis des Senats schon diese Auffassung vertreten. Es fragt sich daher, ob es zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits darauf ankommt, diese Frage zu entscheiden und Stellung zu beziehen. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist diese Frage vom Bundesgerichtshof noch nicht abschließend entschieden worden und spielte auch bei der am 5. September 2018 verhandelten Sache (Az.: VIII ZR 66/17) keine Rolle, deren Verkündung ohnehin erst für den Januar 2019 angekündigt ist. Gleichwohl meint das Gericht, dass der vorliegende Rechtsstreit entscheidungsreif sein dürfte, weil eine Entscheidung über diese streitige Rechtsfrage nicht erforderlich sein dürfte. Nähert man sich der Problematik nämlich von der Bestimmung des Begriffs der Gattungsschuld, um die es sich hier unzweifelhaft handelt, so ergibt sich die Lösung bereits aus der Definition des Begriffs selbst. Nach einhelliger Ansicht bestimmt sich eine Gattungschuld nämlich als eine solche, die durch Lieferung einer Sache mittlerer Art und Güte bestimmt wird, wie es schon der Gesetzestext von § 243 Abs. 1 BGB vorgibt, was bedeutet, dass innerhalb einer Gattung gerade bei Massenware kleinere Abweichungen möglich sind (vgl. statt vieler Palandt, Grüneberg, § 243 Rdnr. 4). Somit kann auch im vorliegenden Fall die Frage gestellt werden, ob die Gattung VW Tiguan nicht weiterhin hergestellt wird, sich allerdings durch den Modellwechsel/Facelift Abweichungen zwischen dem dem Kläger ausgelieferten Fahrzeug und den nunmehr hergestellten Fahrzeugen ergeben. Stellten diese Abweichungen allerdings insgesamt nur kleinere und mithin unbedeutende Abweichungen dar, so wäre die Nacherfüllung möglich und die Beklagte auf die Berufung hierzu antragsgemäß zu verurteilen."

Nach derzeitiger Ansicht des Gerichts kann gut vertreten werden, dass es sich bei den von den Parteien vorgetragenen Abweichungen zwischen dem ausgeliefertem Fahrzeug und den derzeit hergestellten VW Tiguan um keine Abweichungen, die eine neue Gattung bestimmten, handelt.

Vielmehr sind es sämtlich kleinere technische oder optische Veränderungen, die aber weder das Erscheinungsbild des Fahrzeugs noch dessen technische Ausrichtung grundsätzlich verändern.

Damit wird es aber weder auf die Entscheidung des Bundegerichtshofs ankommen noch liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, die es erforderlich machen würde, gemäß § 543 Abs.1 Nr. 1 ZPO die Revision zuzulassen. Dem dürfte auch nicht entgegenstehen, dass in der Rechtsprechung zum Teil vertreten wird, bei der Nacherfüllung dürfe der Käufer nicht besser gestellt werden als bei ordnungsgemäßer Erfüllung. Das überzeugt nur auf den ersten Blick, denn immer stellt eine Nachlieferung als Nacherfüllung eine Verbesserung für den Käufer dar, bekommt dieser doch zum Zeitpunkt der Nachlieferung erneut eine neue Sache, wohingegen die ursprünglich gelieferte Ware schon älter ist und unabhängig von Wertminderungen durch Abnutzung keine Neuware mehr ist. Von daher können also Wertverbesserungen des nachzuliefernden PKW kein Ausschluss für eine Nachlieferung sein, sind diese doch gerade dem Anspruch auf Nachlieferung immanent.

Das Gericht regt an, dass die Parteien Möglichkeiten einer einvernehmlichen Lösung erwägen."

Rechtsanwalt Dr. Ralf Stoll, der das Verfahren federführend führt, teilt mit: "Damit stellt sich in den Nachlieferungsfällen erstmals ein Oberlandesgericht klar auf die Seite eines Geschädigten. Zu Recht sieht es das Oberlandesgericht so, dass in den VW-Fällen dann, wenn ein Neufahrzeug erworben wurde, die Nachlieferung verlangt werden kann. Wenn der Geschädigte auch noch Verbraucher ist, kann er sein manipuliertes Fahrzeug ohne Zahlung einer Nutzungsentschädigung zurückgeben. Er ist dann jahrelang kostenlos ein Fahrzeug gefahren und erhält zudem ein neues, höherwertigeres Fahrzeug geliefert."

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