Stockholm. Schwedens Kronprinzessin Victoria ist bei ihren Landsleuten unfassbar beliebt. Nun feiert die Prinzessin bereits ihren 40. Geburtstag.
„Ich hatte eigentlich den Plan, meinen 40. unbemerkt passieren zu lassen, aber daraus wird wohl nichts“, scherzte Schwedens Kronprinzessin Victoria kürzlich in der ihr eigenen warmen, natürlich-bescheidenen Weise. In der Tat. Am Freitag wird groß am Stockholmer Schloss gefeiert, mit Dankgottesdienst, Salutschüssen und Kutschfahrt mit Ehemann Prinz Daniel (43) und den zwei Kindern Prinzessin Estelle (5) und Prinz Oskar (1).
Am Abend und am Samstag geht es auf der Insel Öland weiter. Ein gespicktes Programm. Stress ist Victoria gewöhnt. Ihr Leben verlief alles andere als reibungslos. Doch gerade das lieben die Untertanen, bei denen die zukünftige „Königin Victoria I.“ schon heute viel beliebter ist als König Carl XVI Gustaf (71), der durch Untreue-Skandale in Ungnade beim Volke fiel.
Victoria leidet an einer Lese- und Rechtschreibschwäche
Bei Victorias Geburt 1977 war in Schweden eine weibliche Thronfolgerin gar nicht erlaubt. 300 Jahre herrschten die Männer. Erst durch eine Grundgesetzänderung wurde die Prinzessin 1980 zur Kronprinzessin. Schweden war da das erste Land, das die Thronfolgeregelung änderte. Nicht alle Royalisten waren begeistert.
Ihre Legasthenie, an der auch der König leidet, machte ihr den schulischen Weg schwer. „Wenn man die Hilfe nicht frühzeitig bekommt, isst es das Selbstwertgefühl auf. Es gibt viele Techniken, um damit klarzukommen, aber das hat viel extra Schufterei beinhaltet. Richtig nervige Aufgaben, so dass man mit den Augen rollt“, sagte sie kürzlich in einer Dokumentation des schwedischen Fernsehsenders TV4.
Victoria sollte eine normale Schule besuchen
Schon als junges Mädchen hatte sie sich zudem die Rolle der „Extra-Mama“ für ihre Geschwister, wie sie selbst heute sagt, aufgeladen. Die Eltern waren oft weit weg. So brachte sie dem fünf Jahre jüngeren Schwesterchen Madeleine das Lesen noch vor der Einschulung bei. Victoria war schon damals fleißig, pflichtbewusst und opferbereit.
Als Kind und Teenager wurde das hübsche Mädchen erbarmungslos von der Klatschpresse verfolgt. Dennoch wollten König Carl Gustaf und Königin Silvia (73) das Töchterchen nicht in feinen, entfernten Internaten verstecken. „Der König sagte, er möchte gern, dass seine Kinder Kinder sein dürfen. Sie sollten von Anfang an natürlich in die Gesellschaft reinkommen, normale Freunde haben, in normale Schulen gehen“, erinnert sich Elisabeth Tarras-Wahlberg, die seit 1976 für den König gearbeitet hat, gegenüber unserer Redaktion. Doch der Druck auf Victoria wuchs ins unendliche.
Die Kronprinzessin litt an Magersucht
1997 wurde bekannt, dass sie an Magersucht litt. „Wir fuhren damals mit ihr Bahn, ich lief hinter ihr und bemerkte da das erste Mal, wie schmal sie geworden war, wie sehr ihr die Anzugjacke von den Achseln herunterhing. Die Krankheit war da schon viel weiter gegangen, als man geahnt hätte“, erinnert sich Tarras-Wahlberg. Statt die kranke Tochter 1998 an die Uni in Uppsala zu schicken, zog der König die Notbremse. Zwei Jahre wurde die Kronprinzessin zur Therapie und fürs Studium an die Eliteuni Yale in die USA geschickt. Dort erkannte sie kaum jemand, sie wurde in Ruhe gelassen, lernte sich selbst so zu lieben, wie sie ist – und ihren Perfektionsdrang zu zügeln.
„Ich hatte damals zeitweise starke Angst und fand, dass die Dinge nicht so einfach waren. Niemand sollte sich so schlecht fühlen müssen. Man verpasst viel zu viel. Ich hatte das Glück, professionelle Hilfe zu bekommen“, sagte die Kronprinzessin kürzlich dem schwedischen Sender SVT.
Die Sprösslinge der Königshäuser
Daniel war ein einfacher Fitnesstrainer
Um Rückfälle zu vermeiden, begann sie zurück in Stockholm mit einem Fitnessprogramm. Der Fitnesstrainer Daniel Westling aus der Provinz gab ihr Halt, zunächst nur als guter Freund, der 2001 zu ihrer großen Liebe wurde. „Daniel hat eine unerhört herrliche Energie, die man manchmal zum Loslassen brauchen kann“, sagte Victoria TV4. Neun Jahre dauerte es, bis der argwöhnische König endlich die ungewöhnliche Verbindung erlaubte. Bei der Traumhochzeit 2010 rief Victoria vom Stockholmer Schloss den jubelnden Untertanen zu: „Ihr habt mir meinen Prinzen gegeben!“. Ganz Schweden freute sich mit ihr.
Die beiden sind heute ein sehr beliebtes Paar mit modernen Werten. Oft sieht man Prinz Daniel mit den Kindern auf dem Spielplatz im Stockholmer Bezirk Solna, in der Nähe des Schlosses Haga, wo sie wohnen, während Victoria Termine wahrnimmt. Beide gelten als sehr liebevolle Eltern, die möglichst viel Zeit mit den Kindern verbringen. Tochter Estelle wird einmal nach der Mutter Königin von Schweden. Die Fünfjährige wird derzeit mit „unendlich viel Liebe und vielen Umarmungen“ auf ihre Rolle vorbereitet, erzählte Victoria in der Dokumentation im schwedischen Fernsehen.
Vor allem Victorias Augen bleiben im Gedächtnis
Das königliche Paar setzt sich sehr für Menschen ein, die es schwer haben – ob Flüchtlinge, Minderheiten oder sozial benachteiligte Jugendliche. Unvergessen bleibt auch Victorias Teilnahme als Laudatorin der Schwulengala in Stockholm 2013. Das war eine kleine Revolution.
Es ist wohl eine Mischung aus eigenwilliger Stärke, mit der sie ihre eigenen Akzente setzt, und schüchterner Menschlichkeit, die Victoria so ungewöhnlich populär in Schweden gemacht hat. Auch ihr erfrischender Hang zur Selbstironie kommt gut an. „Vor allem die Augen der Kronprinzessin bleiben einem im Gedächtnis. Sehr beobachtende, sehr aufnehmende, abwartend-zuhörende, nachdenkende Augen. Braun, groß und warm sind sie“, beschreibt Tarras-Wahlberg die Kronprinzessin.
„Sie hat viel Sicherheit und Ruhe in sich selbst, das ist, glaube ich, auch zu einem großen Teil Daniels Verdienst. Dann ist sie sehr neugierig – sie hat unglaublich viel studiert und will immer Neues erschließen, große Neugier auf die Welt, das ist gut, wenn sie einmal Königin wird“, berichtet Tarras-Wahlberg weiter.
Nach Anschlag in Stockholm musste Victoria als Staatschefin einspringen
Eine wichtige Bewährungsprobe hat Victoria schon gemeistert. Beim LKW-Terroranschlag in Stockholm im April musste sie für den im Ausland weilenden Vater als Staatschefin einspringen. „Ich fühle eine enorme Trauer und Leere, aber auch eine enorme Stärke“, sagte sie völlig unvorbereitet am Anschlagsort. Victoria tröstete damit die schockierte Nation – wohl besser, als es jeder andere, auch der König selbst, vermocht hätte.