Stockholm. Nach dem Lkw-Anschlag in Stockholm hat die Polizei einen Verdächtigen gefasst. Das Motiv ist unklar, doch vieles deutet auf Terror hin.
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konzentrieren sich die Ermittler auf einen Hauptverdächtigen aus Usbekistan und gehen von einem terroristischen Motiv aus. „Viel spricht zum jetzigen Zeitpunkt dafür“, sagte Staatsanwalt Hans Ihrman bei einer Pressekonferenz in der schwedischen Hauptstadt am Samstag. „Die Umstände weisen auf eine Absicht hin, unserer Bevölkerung zu schaden und für Angst und Schrecken zu sorgen.“
Ob der am Freitagabend festgenommene 39-jährige Usbeke aus Sympathie für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gehandelt habe, werde noch untersucht. „Nichts besagt, dass wir die falsche Person festgenommen haben“, betonte Reichspolizeichef Dan Eliasson. Man könne aber noch nicht ausschließen, dass mehrere Menschen an der Tat beteiligt waren. Derzeit würden das Telefon des Verdächtigen und seine Aktivitäten in sozialen Netzwerken untersucht, teilten die Ermittler mit.
Verdächtiger war Polizei seit 2016 bekannt
Am Freitag war ein Lastwagen in der Einkaufsstraße Drottninggatan im Zentrum der schwedischen Hauptstadt in eine Menschenmenge und dann in ein Kaufhaus gefahren. Dabei wurden vier Menschen getötet und mindestens 15 weitere verletzt. Acht der Verletzten waren nach Angaben der Ermittlungsbehörden am Samstagnachmittag noch im Krankenhaus.
Der Verdächtige war der Polizei seit dem Vorjahr namentlich bekannt. „Wir konnten keine Verbindungen zu extremistischen Milieus bestätigen“, sagte Anders Thornberg von der schwedischen Sicherheitspolizei mit Blick auf die damaligen Untersuchungen. Nach dem Anschlag in Stockholm gebe es genügend Verdachtsmomente, um den Mann festzuhalten. Das Tatmotiv sei derzeit aber noch unklar. „Wir kennen seine Absichten nicht“, sagte Eliasson. Schwedischen Medien zufolge wurde der Mann in einem Geschäft in Märsta nördlich der Hauptstadt festgenommen.
Die Polizei teilte mit, auf dem Fahrersitz des Tatfahrzeugs sei „ein technisches Gerät“ gefunden worden. Um was es sich genau handelte, solle nun eine Untersuchung klären, so Eliasson. Medien hatten spekuliert, es könne eine Bombe sein.
Bekannte des Verdächtigen: Er war kein Fanatiker
Eine Bekannte des Verdächtigen sagte der Tageszeitung „Dagens Nyheter“, der 39-Jährige sei kein religiöser Fanatiker. „Ich habe nie irgendwelche Anzeichen gesehen, dass er ein Extremist war oder sich für Religion interessierte. Im Gegenteil, wie viele Usbeken in Schweden hat er gefeiert und Alkohol getrunken.“
Ihren Angaben zufolge soll der Verdächtige im Baugewerbe gearbeitet haben. Seine Frau und Kinder hätten nicht in Schweden gelebt.
König Carl Gustaf lobt Polizei und Rettungskräfte
Schwedens König Carl XVI. Gustaf verurteilte den Lkw-Anschlag am Samstagnachmittag als „verachtenswürdig“. Doch ihm gebe Hoffnung, „dass all diejenigen unter uns, die helfen wollen, viel zahlreicher sind als diejenigen, die uns schaden wollen“, sagte der Monarch vor dem Königspalast in der Hauptstadt. Zudem lobte das Staatsoberhaupt Polizei und Rettungsdienste für ihre „tolle Arbeit“.
Carl Gustaf und seine Frau, Königin Silvia, hatten nach dem Vorfall eine Brasilien-Reise abgebrochen und waren nach Schweden zurückgekehrt. Der Anschlag hat nicht nur Stockholm, sondern das gesamte nordeuropäische Land tief erschüttert. Das öffentliche Leben kam weitgehend zum Erliegen.
Kronprinzessin Victoria: „Ich fühle große Trauer und Leere“
Schwedens Kronprinzessin Victoria (39) und ihr Mann Prinz Daniel (43) haben am Samstag in der Nähe des Anschlagsortes rote Rosen niedergelegt. „Ich fühle große Trauer und Leere“, sagte die Thronfolgerin laut der Boulevardzeitung „Aftonbladet“ am Samstag. „Aber ich fühle trotzdem eine Stärke, denn die Gesellschaft hat mit enormer Kraft gezeigt, dass wir uns dem hier entgegensetzen.“
Auf die Frage eines Reporters, wie das Land durch diese schwere Zeit kommen solle, antwortete Victoria demnach: „Zusammen.“ Zuvor hatte ihre jüngere Schwester Prinzessin Madeleine (34) auf Facebook geschrieben: „Meine Gedanken sind bei meinem geliebten Stockholm und den Betroffenen und ihren Familien.“ Madeleine lebt mit ihrem Mann Chris O’Neill und ihren beiden Kindern in London.
Zehn Tage lang Grenzkontrollen für Ausreisende
Der Lastwagen wurde in der Nacht zum Samstag abgeschleppt und soll nun kriminaltechnisch untersucht werden. Tatort und Umgebung blieben zunächst abgesperrt. Die schwedischen Behörden sind weiter in Alarmbereitschaft. Zehn Tage lang sollen alle Ausreisenden an den Grenzen kontrolliert werden, sagte Ministerpräsident Stefan Löfven.
In der Einkaufsstraße Drottninggatan hatte es bereits im Dezember 2010 einen Anschlag gegeben. Damals explodierte dort ein Auto, während sich fast zur gleichen Zeit an einer anderen Straße im Zentrum Stockholms ein 28-jähriger Schwede irakischer Abstammung in die Luft sprengte. Zwei Passanten wurden leicht verletzt. Auch der Mord an dem damaligen schwedischen Regierungschef Olof Palme 1986 hatte sich ganz in der Nähe abgespielt.
Für die Opfer des Lkw-Anschlags soll es am Montagmittag eine Gedenkfeier und eine landesweite Schweigeminute geben, kündigte Schwedens Ministerpräsident Stefan Löfven an, nachdem er einen Strauß roter Rosen in der Nähe des Tatorts niedergelegt hatte. Nun müssten er und seine Landsleute versuchen, ihre Wut in etwas Konstruktives zu verwandeln. „Wir sind eine offene, demokratische Gesellschaft, und das werden wir auch bleiben.“
Bundesregierung spricht Schweden Solidarität zu
Weltweit reagierten Politiker mit Bestürzung auf den Angriff. Die Bundesregierung versicherte der schwedischen Bevölkerung ihre Solidarität. „Wir stehen zusammen gegen den Terror“, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert. In Paris lag der Eiffelturm in der Nacht zum Samstag zur Erinnerung an die Opfer im Dunkeln. (dpa)
Lkw fährt in Stockholm in Menschenmenge