Ladenöffnungszeiten in Urlaubsorten sollen eingeschränkt werden. Derzeit dürfen Geschäfte in 96 Ferienorten fast das gesamte Jahr öffnen.

Kiel. Schleswig-Holstein will die Einkaufsmöglichkeiten in den Urlaubsorten an Nord- und Ostsee einschränken. Dieser Beschluss von SPD, Grünen und SSW stößt nun ausgerechnet beim zuständigen Wirtschafts- und Tourismusminister Bernhard Meyer (SPD) auf Widerspruch. "Ich bin der Meinung, dass die Bäderregelung, die zurzeit in Schleswig-Holstein existiert, gut ist", sagte Meyer dem Abendblatt. Zugleich griff er die Kirchen an, weil sie gegen das Sonntags-Shopping in Schleswig-Holstein vorgehen, gegen eine ähnliche Regelung in Niedersachsen aber nicht.

Schützenhilfe erhält Meyer nicht nur aus vielen Urlaubsorten, in denen die Geschäfte dank der Landesregelung fast ganzjährig auch an Sonn- und Feiertagen öffnen dürfen. Auch die Industrie- und Handelskammern, der Tourismus- und der Einzelhandelsverband stehen hinter der Bäderregelung, weil der Einkaufsbummel am Sonntag zum Urlaub gehöre und in den Geschäften für guten Umsatz sorge. CDU und FDP schlagen in dieselbe Kerbe, erinnern an Tagesgäste und Kurzurlauber, die einen Wochenendtrip nach St. Peter-Ording oder Heiligenhafen mit einem kleinen Einkaufsbummel verbinden. Für diese Urlauber sei die Bäderregelung "existenziell wichtig", betont der tourismuspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Oliver Kumbartzky.

Die drei Regierungsfraktionen wollen gleichwohl die Bäderregelung ändern. "Wir werden im Dialog mit den Akteuren die Bäderregelung auf ein ausgewogenes Ausnahme-Regel-Verhältnis zurückführen", heißt es im Koalitionsvertrag der Dänen-Ampel. SPD-Fraktionschef Ralf Stegner lässt im Gespräch mit dem Abendblatt keinen Zweifel daran, dass die Öffnungszeiten begrenzt werden müssen. Nach der derzeitigen Regelung, die 2008 von der Großen Koalition in Kiel erlassen wurde und bis 2013 gilt, dürfen Geschäfte in 96 Ferienorten fast das gesamte Jahr (vom 15. Dezember bis zum 31. Oktober) auch an Sonn- und Feiertagen bis zu acht Stunden (11 bis 19 Uhr) öffnen. Schleswig-Holstein ist damit großzügiger als viele andere Bundesländer, zumal die Verkaufserlaubnis im Norden nicht auf bestimmte Geschäfte wie Lebensmittelläden oder Boutiquen beschränkt ist. Öffnen dürfen auch Elektroläden, Autohäuser und Baumärkte.

Stegner will solche Auswüchse beschneiden. "Wir orientieren uns dabei an der Regelung in Mecklenburg-Vorpommern, wollen sie aber nicht eins zu eins übernehmen." Schwerin hat diese Bäderregelung beschlossen: Geschäfte dürfen in knapp 100 Urlaubsorten nur vom letzten Sonntag im März bis zum letzten Sonntag im Oktober öffnen und das auch nur bis zu fünf Stunden (13 bis 18 Uhr). Bau- und Elektromärkte sowie große Geschäfte (ab 1500 Quadratmeter Verkaufsfläche) bleiben zu.

Derart streng ist Schwerin erst seit Sommer 2010. Bis dahin galt in Mecklenburg-Vorpommern eine ähnlich liberale Regelung wie in Schleswig-Holstein. Zur Begrenzung wurde die Schweriner Regierung durch die Kirchen gezwungen. Sie erstritten vor dem Oberverwaltungsgericht Greifswald, dass Sonntags-Shopping nicht die Regel sein darf, sondern eine Ausnahme bleiben muss. Aus demselben Grund sind auch in Schleswig-Holstein die Kirchen aktiv geworden. Sie lassen die Bäderregelung derzeit vom OVG Schleswig überprüfen, weil zuvor weder die Große Koalition noch die folgende schwarz-gelbe Regierung die Shopping-Regeln eindampfen wollte.

"Es geht uns nicht um die Abschaffung der Bäderregelung", betont der Bischofsbevollmächtigte der evangelischen Kirche im Sprengel Schleswig und Holstein, Gothart Magaard. Die Regelung sei angesichts der großen Bedeutung des Tourismus in Schleswig-Holstein grundsätzlich sinnvoll. "Aber wir erwarten eine Regelung mit Augenmaß, weil der Sonntag als Tag der Entschleunigung, der Besinnung und als Freiraum für gemeinsam genutzte Zeit von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung ist." Und: "Auch Gott ruhte am siebten Tag."

Magaard hofft nun darauf, dass SPD, Grüne und SSW ihren Beschluss umsetzen und in einigen Wochen auf einem Bäder-Gipfel mit Politik, Kirchen und Verbänden Nägel mit Köpfen gemacht werden. Vom Querschuss des Kieler Wirtschaftsministers wurde die Kirche kalt erwischt. "Falls einzelne Regierungsmitglieder eine andere Position vertreten sollten, wird es sicherlich eine Klärung innerhalb der Koalition geben, bevor wir zum Gespräch eingeladen werden", so Magaard. Im Landeshaus wird das so verstanden, dass die Dänen-Koalition und hier insbesondere die SPD ihren Wirtschaftsminister Meyer zurückpfeifen soll.

Klar ist, dass Meyer viele Fäden in der Hand hält. Er soll als Gastgeber des Bäder-Gipfels, der für Ende September geplant ist, einen Kompromiss im Streit um die Shopping-Sonntage ausloten und als Minister eine neue Bäderregelung umsetzen. Dabei dürften auch Meyers Erfahrungen aus Mecklenburg-Vorpommern eine Rolle spielen. Als Chef der Schweriner Staatskanzlei hat er miterlebt, dass die Beschränkung des Sonntags-Shoppings in Mecklenburg-Vorpommern zu Einbußen im Einzelhandel führte. Wie sich Meyer in dem Konflikt schlägt, dürfte auch beim Deutschen Tourismusverband genau beobachtet werden. Als dessen Präsident hatte Meyer schon vor Jahren keinen Zweifel daran gelassen, wie wichtig eine liberale Bäderregelung ist: "Urlauber und Tagesausflügler wollen nicht nur durch die Tourismusorte bummeln, sondern wollen auch an Sonn- und Feiertagen einkaufen können."