Berlin/Kiel. Die Wahl in Schleswig-Holstein hat große Auswirkungen: Gelingt der CDU nach wieder der nächste Erfolg? Und hält der Schulz-Effekt an?

Es ist die zweite Entscheidung im Superwahljahr 2017: Nach dem Saarland im März wählen am Sonntag die Menschen in Schleswig-Holstein ihre neue Landesregierung. Das Rennen wird aller Voraussicht nach äußerst knapp. Verteidigt die SPD ihren Regierungschef, oder gelingt der CDU der Überraschungs-Coup? Wer künftig in Kiel regiert, das hat im Jahr der Bundestagswahl auch Auswirkungen auf die Bundespolitik.

Angela Merkel (CDU)

In der Politik ist es manchmal wie im Fußball: „Wenn es läuft, dann läuft’s“ und zwar von ganz alleine. Die Kanzlerin verhält sich derzeit nicht anders als im Januar, als ihr SPD-Herausforderer Martin Schulz verkündet wurde und sie in Umfragen nach dem beliebtesten Politiker sogar kurzzeitig überholte. Merkel reagierte – sehr zum Unbill von Parteikollegen– demonstrativ gelassen.

Durch gemeinsame Auftritte wie hier mit US-Präsident Donald Trump erweckt Angela Merkel den Eindruck, dass man sich auf sie auch in unruhigen Zeiten verlassen kann.
Durch gemeinsame Auftritte wie hier mit US-Präsident Donald Trump erweckt Angela Merkel den Eindruck, dass man sich auf sie auch in unruhigen Zeiten verlassen kann. © dpa | Michael Kappeler

Der Kanzlerin kam zupass, dass im Saarland CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer einen glatten Sieg für die CDU hinlegte, die CSU ihre Störfeuer einstellte und die Flüchtlingsdebatte etwas in den Hintergrund rückte. Bilder mit US-Präsident Donald Trump oder Russlands Präsident Wladimir Putin kamen dazu. Ihre Botschaft: Deutschland kann sich auf Merkel in außenpolitisch unruhigen Zeiten verlassen.

Und dann gibt es plötzlich noch unerwartete Schützenhilfe aus dem Norden. Daniel Günther, den kurzfristig gekrönten CDU-Spitzenkandidat in Schleswig-Holstein, hatte man in der CDU nicht als Hoffnungsträger eingepreist. Außerhalb Schleswig-Holsteins praktisch unbekannt, ist auch dem Wähler im Norden Günther erst seit dem Wahlkampf ein Begriff.

Der 43-Jährige wäre der erste CDU-Politiker, der während der Merkel-Kanzlerschaft aus der Opposition heraus zum Ministerpräsidenten gewählt würde – ein großer Triumph für Mister Unbekannt, der erst in den letzten Tagen an Bekanntheit gewann. Auch weil sein Programm gut ankommt: Weg vom Turbo-Abitur, größere Abstände zwischen neuen Windanlagen und Wohnhäusern, Senkung der Grunderwerbsteuer.

Martin Schulz (SPD)

In einem Regionalexpress ging Martin Schulz mit dem SPD-Ministerpräsidenten Albig auf Wahlkampftour durch Schleswig-Holstein.
In einem Regionalexpress ging Martin Schulz mit dem SPD-Ministerpräsidenten Albig auf Wahlkampftour durch Schleswig-Holstein. © dpa | Kay Nietfeld

Mit dem Regionalexpress RE 21631 ging SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz vor dem Wochenende auf Wahlkampftour im Norden. Der „Schulzzug der SPD Schleswig-Holstein“ soll helfen, dass Torsten Albig Ministerpräsident bleibt. Denn aus dem vermeintlichen Heimspiel für den bekannten Regierungschef könnte die erste Niederlage eines SPD-Ministerpräsidenten nach vielen Jahren werden. Das wäre ein Debakel für die Sozialdemokraten; nicht nur in Kiel und Düsseldorf sind die Umfragen mauer geworden.

Auch bundesweit ist die SPD wieder unter die 30-Prozent-Marke gerutscht. Der 61-jährige Schulz will von einem Durchhänger nichts hören, verweist darauf, dass die SPD seit seinem Antritt deutlich stärker geworden sei.

Doch die Unruhe der Genossen ist groß. Albig selbst verhedderte sich im Wahlkampf, etwa mit einem Interview in der „Bunten“, in dem er sich etwas unglücklich sowohl zu seinen Heiratsplänen als auch zur Trennung von seiner langjährigen Ehefrau äußerte. Das kam nicht gut an im nördlichsten Bundesland. Auch im TV-Duell konnte er seinen Herausforderer nicht auf Abstand halten.

SPD im Norden hofft auf Schulz-Effekt

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    Robert Habeck (Grüne)

    Im Norden sehr populär: Robert Habeck, Umweltminister von Schleswig-Holstein.
    Im Norden sehr populär: Robert Habeck, Umweltminister von Schleswig-Holstein. © dpa | Kay Nietfeld

    Seit 2012 regieren die Grünen in Schleswig-Holstein mit der SPD und dem Südschleswigschen Wählerverband SSW zusammen. Mit ihrem populären Landesumweltminister Habeck haben sie sich beste Chancen erarbeitet, in Kiel zweistellig abzuschneiden. Damit stehen die Grünen im Norden deutlich besser da als die Bundespartei.

    Das liegt vor allem an Habeck, obwohl er bei der Wahl zum grünen Spitzenkandidaten im Bund mit 75 Stimmen scheiterte. Doch der 47-Jährige ist einer der beliebtesten Politiker zwischen Ost- und Nordsee, als Grüner in einem doch recht konservativen Agrarland. Sein Rezept: Er macht bewusst keine Politik allein für das grüne Milieu, sondern organisiert Mehrheiten für seine Ziele, auch über Parteigrenzen hinweg.

    Sollte er am Sonntag zeigen, dass sich die Grünen mit diesem Konzept durchsetzen können, dann wird man auf ihn im Bund noch sehr viel stärker hören müssen.

    Wolfgang Kubicki (FDP)

    Gilt als Unruhestifter: FDP-Politiker Wolfgang Kubicki.
    Gilt als Unruhestifter: FDP-Politiker Wolfgang Kubicki. © dpa | Monika Skolimowska

    Zwei Namen stehen für die neue FDP: Christian Lindner, der junge Parteichef, und Wolfgang Kubicki, der Unruhestifter und liberale Querkopf aus Kiel. „Ich war lange ein Paria in der Partei, der Chaot aus dem Norden“, sagt Kubicki. Inzwischen aber liegt ihm die Partei zu Füßen: Beim Bundesparteitag am letzten Wochenende bekam Kubicki das zweitbeste Ergebnis der gesamten Vorstandsriege.

    Die Begeisterung dürfte sich noch steigern: Den Umfragen zu Folge stehen die Chancen gut, dass der 65-Jährige der FDP am Sonntag ein zweistelliges Wahlergebnis bescheren wird – und damit kräftigen Rückenwind für die Bundespartei. Kubickis Name steht jedoch nicht nur für solide liberale Wahlergebnisse im Norden – sondern auch für große Offenheit in Koalitionsfragen: Sozialliberale Bündnisse?

    FDP-Spitzenkandidat Kubicki peilt zweistelliges Ergebnis in Schleswig-Holstein an

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      Warum nicht: „Auch mit der SPD können wir vernünftig regieren“, sagt Kubicki. Anders als Lindner in Nordrhein-Westfalen hat sein Stellvertreter eine Ampelkoalition mit SPD und Grünen nicht ausgeschlossen.

      Alexander Gauland (AfD)

      Anders als die Landtagswahlen im Osten und Südwesten ist die Wahl im Norden für die AfD kein Selbstläufer: Gut möglich, dass die Partei nicht einmal über die Fünf-Prozent-Hürde kommt.

      Der kürzlich zum AfD-Spitzenkandidaten gekürte Alexander Gauland muss in Schleswig-Holstein darum bangen, dass seine Partei überhaupt in den Landtag einzieht.
      Der kürzlich zum AfD-Spitzenkandidaten gekürte Alexander Gauland muss in Schleswig-Holstein darum bangen, dass seine Partei überhaupt in den Landtag einzieht. © dpa | Rolf Vennenbernd

      Sollte die AfD den Einzug in den Kieler Landtag verpassen, wäre das für die Partei der vorläufige Tiefpunkt einer Entwicklung, die Anfang des Jahres mit dem Streit über den Rechtsaußen Björn Höcke begann und sich bis zum offenen Machtkampf zwischen Parteichefin Frauke Petry und ihren Widersachern um Parteivize Alexander Gauland beim Parteitag vor zwei Wochen in Köln hinzog: Die Partei zerlegt sich, die Wähler wenden sich ab.

      Gauland hat zwar den Machtkampf gegen Petry gewonnen und tritt jetzt im Duo mit Alice Weidel als Spitzenkandidat der AfD für die Bundestagswahl an – doch das Ergebnis von Kiel dürften viele auch als Stimmungstest deuten.