Berlin. Bei ihrem Treffen wollten Gabriel und Cavusoglu die Wogen glätten. Konkrete Ergebnisse gab es aber trotz kontroverser Diskussion nicht.

  • Gabriel traf Cavusoglu nicht im Auswärtigen Amt, sondern in einem Hotel
  • Der deutsche Außenminister warnte türkische Politiker davor, die Rhetorik der vergangenen Tage zu wiederholen
  • Zudem forderte Gabriel konsularischen Zugang zu dem inhaftierten Journalisten Deniz Yücel

Außenminister Sigmar Gabriel hat im Krisengespräch mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu Nazi-Vergleiche der Regierung in Ankara zurückgewiesen. Er habe deutlich gemacht, dass es Grenzen gebe, „die man nicht überschreiten darf, und dazu gehört eben der Vergleich mit Nazi-Deutschland“, betonte Gabriel am Mittwochmorgen nach dem Treffen in einem Berliner Hotel.

Präsident Recep Tayyip Erdogan und auch Cavusoglu selbst hatten Deutschland Nazi-Praktiken vorgeworfen, da mehrere Wahlkampfauftritte türkischer Minister untersagt wurden.

Reaktionen auf Erdogans Nazi-Vergleich

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan schwingt die Demokratie-Keule: Nachdem mehrere Auftritte türkischer Politiker in Deutschland abgesagt worden waren, stellt er die deutsche Demokratie infrage und zieht den Nazi-Vergleich. „Eure Praktiken unterscheiden sich nicht von früheren Nazi-Praktiken“, sagte er bei einer Rede in Istanbul. „Deutschland, du hast in keiner Weise ein Verhältnis zur Demokratie und du solltest wissen, dass deine derzeitigen Handlungen nichts anderes sind als das, was in der Nazi-Zeit getan wurde.“
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan schwingt die Demokratie-Keule: Nachdem mehrere Auftritte türkischer Politiker in Deutschland abgesagt worden waren, stellt er die deutsche Demokratie infrage und zieht den Nazi-Vergleich. „Eure Praktiken unterscheiden sich nicht von früheren Nazi-Praktiken“, sagte er bei einer Rede in Istanbul. „Deutschland, du hast in keiner Weise ein Verhältnis zur Demokratie und du solltest wissen, dass deine derzeitigen Handlungen nichts anderes sind als das, was in der Nazi-Zeit getan wurde.“ © REUTERS | MURAD SEZER
Aydan Özoguz (SPD) mahnt: „Die Türkei sollte den Weg zurück finden zu ordentlichen diplomatischen Gesprächen.“ Die Staatsministerin für Integration sagte unserer Redaktion: „Völlig überzogene Anschuldigungen helfen jetzt niemandem weiter.“
Aydan Özoguz (SPD) mahnt: „Die Türkei sollte den Weg zurück finden zu ordentlichen diplomatischen Gesprächen.“ Die Staatsministerin für Integration sagte unserer Redaktion: „Völlig überzogene Anschuldigungen helfen jetzt niemandem weiter.“ © dpa | Bernd von Jutrczenka
CDU-Vize Armin Laschet betonte im ARD-Talk „Anne Will“: „Wenn Herr Erdogan unser Land weiter als Nazi-Land beschimpft, dann ist er hier unerwünscht.“
CDU-Vize Armin Laschet betonte im ARD-Talk „Anne Will“: „Wenn Herr Erdogan unser Land weiter als Nazi-Land beschimpft, dann ist er hier unerwünscht.“ © dpa | Wolfgang Borrs
„Das ist infam, abstrus, inakzeptabel und aufs Schärfste zurückzuweisen“, sagte der Bundesjustizminister Heiko Maas am Sonntagabend in der ARD-Talkshow „Anne Will“ zu Erdogans Nazi-Vergleich. Gleichzeitig mahnte Maas an, sich nicht provozieren zu lassen. „Wenn es darum geht, einen Wahlkampfauftritt zu verhindern, dann bleibt der Bundesregierung nur, ein Einreiseverbot zu erlassen – das ist genau das, was Erdogan jetzt will.“
„Das ist infam, abstrus, inakzeptabel und aufs Schärfste zurückzuweisen“, sagte der Bundesjustizminister Heiko Maas am Sonntagabend in der ARD-Talkshow „Anne Will“ zu Erdogans Nazi-Vergleich. Gleichzeitig mahnte Maas an, sich nicht provozieren zu lassen. „Wenn es darum geht, einen Wahlkampfauftritt zu verhindern, dann bleibt der Bundesregierung nur, ein Einreiseverbot zu erlassen – das ist genau das, was Erdogan jetzt will.“ © dpa | Kay Nietfeld
Der regierungskritische türkische Journalist Can Dündar warnte bei „Anne Will“ davor, Auftritte türkischer Minister in Deutschland aus politischen Gründen zu verbieten: „Der Staat darf nicht darüber entscheiden, wer das Rederecht hat – worum es auch immer geht.“ Dündar rief dazu auf, politisch gegen mögliche Wahlkampfauftritte zu protestieren. „Die Bürger sind aufgerufen, Position zu beziehen.“
Der regierungskritische türkische Journalist Can Dündar warnte bei „Anne Will“ davor, Auftritte türkischer Minister in Deutschland aus politischen Gründen zu verbieten: „Der Staat darf nicht darüber entscheiden, wer das Rederecht hat – worum es auch immer geht.“ Dündar rief dazu auf, politisch gegen mögliche Wahlkampfauftritte zu protestieren. „Die Bürger sind aufgerufen, Position zu beziehen.“ © dpa | Wolfgang Borrs
Als „absolut inakzeptabel“ verurteilte Kanzleramtsminister und Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung, Peter Altmaier (CDU), Erdogans Vorwürfe. „Deutschland ist in puncto Rechtsstaatlichkeit, in puncto Toleranz und Liberalität nicht zu übertreffen“, sagte der CDU-Politiker am Montag im ARD-„Morgenmagazin“.
Als „absolut inakzeptabel“ verurteilte Kanzleramtsminister und Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung, Peter Altmaier (CDU), Erdogans Vorwürfe. „Deutschland ist in puncto Rechtsstaatlichkeit, in puncto Toleranz und Liberalität nicht zu übertreffen“, sagte der CDU-Politiker am Montag im ARD-„Morgenmagazin“. © dpa | Christina Sabrowski
Der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, bewertete die Äußerungen Erdogans am Montag in der ARD als irrational und mahnte dazu, kühlen Kopf zu bewahren. Er forderte die Bundesregierung aber auf, die Entscheidung über Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland nicht bei den Kommunen abzuladen. Am besten wäre eine gemeinsame, abgestimmte europäische Antwort auf diese Frage. Wenn türkische Politiker in Deutschland reden wollten, müssten sie sich an die Regeln und Gesetze halten.
Der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, bewertete die Äußerungen Erdogans am Montag in der ARD als irrational und mahnte dazu, kühlen Kopf zu bewahren. Er forderte die Bundesregierung aber auf, die Entscheidung über Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland nicht bei den Kommunen abzuladen. Am besten wäre eine gemeinsame, abgestimmte europäische Antwort auf diese Frage. Wenn türkische Politiker in Deutschland reden wollten, müssten sie sich an die Regeln und Gesetze halten. © dpa | Oliver Berg
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„Hart und kontrovers in der Sache“

Das Gespräch sei gut, ehrlich und freundlich, aber auch „hart und kontrovers in der Sache“ gewesen. Er habe mit Cavusoglu über alle zwischen Berlin und Ankara strittigen Themen gesprochen, also das türkische Verfassungsreferendum, den Fall des inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel und die Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland. Konkrete Ergebnisse des Treffens nannte der Minister nicht. Vor allem gehe es nun um konsularischen Zugang zu Yücel in der türkischen Haft.

„Wir waren uns einig, dass keine der beiden Seiten ein Interesse daran hat, die Beziehungen nachhaltig zu beschädigen“, sagte Gabriel. Es gehe nun darum, „Schritt für Schritt“ zu einem normalen und auch wieder freundschaftlichen Verhältnis zurückzukehren. Gabriel appellierte an die Türken, den Streit um das Verfassungsreferendum nicht nach Deutschland zu tragen. „Wir dürfen es in Deutschland nicht zulassen, dass politische Auseinandersetzungen aus der Türkei nach Deutschland importiert werden.“

Cavusoglu will Tourismusmesse besuchen

Türkische Regierungsmitglieder haben bereits Wahlkampfauftritte in Deutschland absolviert. Andere Auftritte wurden aus Sicherheitsgründen von den Kommunen untersagt. Die Bundesregierung hat davon abgesehen, Wahlkampfauftritte grundsätzlich durch ein Einreiseverbot zu unterbinden. In der Türkei wird am 16. April über eine Verfassungsreform abgestimmt, die dem Präsidenten deutlich mehr Macht geben soll.

Cavusoglu will nach dem Gespräch die internationale Tourismusmesse ITB besuchen. Er hatte am Dienstagabend – nur wenige Stunden vor seinem Treffen mit Gabriel – in Hamburg für die umstrittene türkische Verfassungsreform geworben. (dpa)