Hamburg. In Hamburg ist ein Auftritt des türkischen Ministers Cavusoglu abgesagt worden. Er will dennoch reden: „Mich kann niemand aufhalten.“

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hält an einem Wahlkampfauftritt in Hamburg fest. Nach der kurzfristigen Absage eines geplanten Auftritts im Stadtteil Wilhelmsburg werde nun für den Abend nach einem geeigneten anderen Veranstaltungsort gesucht, sagte am Dienstag ein Sprecher des Koordinationszentrums für die Auslandswähler der türkischen Regierungspartei AKP in Deutschland. Sollte sich nichts finden, werde er in der Residenz des türkischen Generalkonsuls im Stadtteil Uhlenhorst sprechen.

Cavusoglu selbst sagte der Zeitung „Hürriyet“: „Mich kann niemand aufhalten. Wir finden schon einen Versammlungsort.“

Cavusoglu: „Praktiken ähneln denen der Nazi-Zeit“

Dem Bericht der „Hürriyet“ zufolge sagte Cavusoglu: „Das ist ein total repressives System. Alle Praktiken ähneln denen der Nazi-Zeit. Sie machen Druck, damit für die AKP ein Nein herauskommt.“ Cavusoglu bezog sich auf das Referendum am 16. April über das von Staatschef Recep Tayyip Erdogan und seiner AKP angestrebte Präsidialsystem. Zuvor hatte bereits Erdogan Deutschland „Nazi-Praktiken“ vorgeworfen.

Merkel kritisiert Erdogans Nazi-Vergleich

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    Zuvor hatte Unklarheit darüber geherrscht, ob Cavusoglu überhaupt noch im Norden auftreten könnte. Der Hamburger Polizei war zunächst nichts bekannt. Ein möglicher Auftritt Cavusoglus in einem Festsaal in Norderstedt im Norden Hamburgs wurde von der dortigen Polizei dementiert: „Ersten Erkenntnissen der Polizei zufolge findet in dem in Rede stehenden Festsaal im Mühlenweg heute keine Veranstaltung statt.“ Und auch für andere Orte im Stadtgebiet lägen keine Hinweise vor. Die ursprünglich vorgesehene Veranstaltungshalle im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg war wegen Brandschutzmängeln gesperrt worden.

    Scharfe Kritik aus der Türkei

    Die Entscheidung des Bezirksamts Mitte war in der Türkei auf scharfe Kritik gestoßen. Der AKP-Abgeordnete Mustafa Yeneroglu erklärte, die Verfügung markiere einen neuen Tiefpunkt deutsch-türkischer Beziehungen.

    „Das Sinken nimmt kein Ende“, schrieb Yeneroglu in einer im Internet verbreiteten Stellungnahme. „Kurz zuvor hat sogar das Hotel, in dem der türkische Außenminister übernachten sollte, die Reservierung unbegründet storniert und erst nach Intervention des deutschen Außenministeriums eingelenkt“, schrieb er.

    Gabriel und Cavusoglu wollen sich treffen

    Für diesen Mittwoch ist ein Treffen Cavusoglus mit Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) vorgesehen. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte Deutschland Nazi-Methoden vorgeworfen, weil deutsche Kommunen Wahlkampfauftritte türkischer Minister aus Sicherheitsgründen verweigert hatten.

    Dabei geht es um Werbung für die Einführung eines Präsidialsystems in der Türkei, über das türkische Wähler am 16. April in einem Referendum entscheiden sollen. Die angestrebte Verfassungsänderung würde Erdogan eine große Machtfülle geben. (dpa)

    Reaktionen auf Erdogans Nazi-Vergleich

    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan schwingt die Demokratie-Keule: Nachdem mehrere Auftritte türkischer Politiker in Deutschland abgesagt worden waren, stellt er die deutsche Demokratie infrage und zieht den Nazi-Vergleich. „Eure Praktiken unterscheiden sich nicht von früheren Nazi-Praktiken“, sagte er bei einer Rede in Istanbul. „Deutschland, du hast in keiner Weise ein Verhältnis zur Demokratie und du solltest wissen, dass deine derzeitigen Handlungen nichts anderes sind als das, was in der Nazi-Zeit getan wurde.“
    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan schwingt die Demokratie-Keule: Nachdem mehrere Auftritte türkischer Politiker in Deutschland abgesagt worden waren, stellt er die deutsche Demokratie infrage und zieht den Nazi-Vergleich. „Eure Praktiken unterscheiden sich nicht von früheren Nazi-Praktiken“, sagte er bei einer Rede in Istanbul. „Deutschland, du hast in keiner Weise ein Verhältnis zur Demokratie und du solltest wissen, dass deine derzeitigen Handlungen nichts anderes sind als das, was in der Nazi-Zeit getan wurde.“ © REUTERS | MURAD SEZER
    Aydan Özoguz (SPD) mahnt: „Die Türkei sollte den Weg zurück finden zu ordentlichen diplomatischen Gesprächen.“ Die Staatsministerin für Integration sagte unserer Redaktion: „Völlig überzogene Anschuldigungen helfen jetzt niemandem weiter.“
    Aydan Özoguz (SPD) mahnt: „Die Türkei sollte den Weg zurück finden zu ordentlichen diplomatischen Gesprächen.“ Die Staatsministerin für Integration sagte unserer Redaktion: „Völlig überzogene Anschuldigungen helfen jetzt niemandem weiter.“ © dpa | Bernd von Jutrczenka
    CDU-Vize Armin Laschet betonte im ARD-Talk „Anne Will“: „Wenn Herr Erdogan unser Land weiter als Nazi-Land beschimpft, dann ist er hier unerwünscht.“
    CDU-Vize Armin Laschet betonte im ARD-Talk „Anne Will“: „Wenn Herr Erdogan unser Land weiter als Nazi-Land beschimpft, dann ist er hier unerwünscht.“ © dpa | Wolfgang Borrs
    „Das ist infam, abstrus, inakzeptabel und aufs Schärfste zurückzuweisen“, sagte der Bundesjustizminister Heiko Maas am Sonntagabend in der ARD-Talkshow „Anne Will“ zu Erdogans Nazi-Vergleich. Gleichzeitig mahnte Maas an, sich nicht provozieren zu lassen. „Wenn es darum geht, einen Wahlkampfauftritt zu verhindern, dann bleibt der Bundesregierung nur, ein Einreiseverbot zu erlassen – das ist genau das, was Erdogan jetzt will.“
    „Das ist infam, abstrus, inakzeptabel und aufs Schärfste zurückzuweisen“, sagte der Bundesjustizminister Heiko Maas am Sonntagabend in der ARD-Talkshow „Anne Will“ zu Erdogans Nazi-Vergleich. Gleichzeitig mahnte Maas an, sich nicht provozieren zu lassen. „Wenn es darum geht, einen Wahlkampfauftritt zu verhindern, dann bleibt der Bundesregierung nur, ein Einreiseverbot zu erlassen – das ist genau das, was Erdogan jetzt will.“ © dpa | Kay Nietfeld
    Der regierungskritische türkische Journalist Can Dündar warnte bei „Anne Will“ davor, Auftritte türkischer Minister in Deutschland aus politischen Gründen zu verbieten: „Der Staat darf nicht darüber entscheiden, wer das Rederecht hat – worum es auch immer geht.“ Dündar rief dazu auf, politisch gegen mögliche Wahlkampfauftritte zu protestieren. „Die Bürger sind aufgerufen, Position zu beziehen.“
    Der regierungskritische türkische Journalist Can Dündar warnte bei „Anne Will“ davor, Auftritte türkischer Minister in Deutschland aus politischen Gründen zu verbieten: „Der Staat darf nicht darüber entscheiden, wer das Rederecht hat – worum es auch immer geht.“ Dündar rief dazu auf, politisch gegen mögliche Wahlkampfauftritte zu protestieren. „Die Bürger sind aufgerufen, Position zu beziehen.“ © dpa | Wolfgang Borrs
    Als „absolut inakzeptabel“ verurteilte Kanzleramtsminister und Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung, Peter Altmaier (CDU), Erdogans Vorwürfe. „Deutschland ist in puncto Rechtsstaatlichkeit, in puncto Toleranz und Liberalität nicht zu übertreffen“, sagte der CDU-Politiker am Montag im ARD-„Morgenmagazin“.
    Als „absolut inakzeptabel“ verurteilte Kanzleramtsminister und Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung, Peter Altmaier (CDU), Erdogans Vorwürfe. „Deutschland ist in puncto Rechtsstaatlichkeit, in puncto Toleranz und Liberalität nicht zu übertreffen“, sagte der CDU-Politiker am Montag im ARD-„Morgenmagazin“. © dpa | Christina Sabrowski
    Der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, bewertete die Äußerungen Erdogans am Montag in der ARD als irrational und mahnte dazu, kühlen Kopf zu bewahren. Er forderte die Bundesregierung aber auf, die Entscheidung über Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland nicht bei den Kommunen abzuladen. Am besten wäre eine gemeinsame, abgestimmte europäische Antwort auf diese Frage. Wenn türkische Politiker in Deutschland reden wollten, müssten sie sich an die Regeln und Gesetze halten.
    Der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, bewertete die Äußerungen Erdogans am Montag in der ARD als irrational und mahnte dazu, kühlen Kopf zu bewahren. Er forderte die Bundesregierung aber auf, die Entscheidung über Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland nicht bei den Kommunen abzuladen. Am besten wäre eine gemeinsame, abgestimmte europäische Antwort auf diese Frage. Wenn türkische Politiker in Deutschland reden wollten, müssten sie sich an die Regeln und Gesetze halten. © dpa | Oliver Berg
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